Kassandras langer Schatten
&
Trojas dunkles Geheimnis
Phantastische historische Abenteuer
Zwei Romane in einem Band
comediantes
Verlag für Lyrik und Belletristik des 21. Jahrhunderts
1. Auflage der komplett überarbeiteten Neufassung
Herstellungsleitung: Uta Christ
Illustrationen: Ralf-Alex Fichtner
Bearbeitung: comediantes Lektorat
Cover: Zschiesche GmbH Repro Druck
e-book / EPUB
ISBN 978-3-946691-20-4
© 2020 www.comediantes.de
Dies Buch widme ich allen,
die sich ihr kindliches Vergnügen
am echten Abenteuer bewahren konnten.
In Dankbarkeit für die phantastischen Welten, die
uns Paul Delvaux und Jules Verne in ihren
Gemälden und Romanen hinterließen.
Band 1 – Kassandras langer Schatten – Inhaltsverzeichnis
Die Überlebende von Pompeji
Das Geheimnis der Kalifen
Es riecht nach Krieg
Überfall in den Pyrenäen
Elisabeth
Der Quell von Al Andalus
Die Spur führt nach Lissabon
Ein heiliger Berg
Sankt Peter Port
In der Hand von Freibeutern
Landung auf dem Mont Saint-Michel
Mademoiselle Raguenel
Nachwort
Reiseroute 1870
Band 2 – Trojas dunkles Geheimnis – Inhaltsverzeichnis
Zum Geleit
Eine unerhörte Nachricht
Aufbruch nach Troja
Die Gefangene des Sultans
Zwischen Leben und Tod
Unter Mönchen
Eine heiße Spur
Sophia Schliemann
Das Orakel von Delphi
Thassopoúla
Nachwort
Reiseroute 1871
Kassandras langer Schatten
Die Überlebende von Pompeji
Tagebuch des Dorian van Delft Donnerstag, 12. Mai anno Domini 1870, an Bord des Dampfschiffes „St. Egidius“
Doktor Ingmarson! Zum Kuckuck. Das Schiff schlingert. Fast wäre ich gestürzt. So kann kein Mensch schreiben. Geschweige denn etwas suchen. Irgendwo klirrt es. Splitterndes Glas. Der Seegang wird stärker. Ich bin der Verzweiflung nahe. Ingmarson verdammt, ich kann mein Eau de Toilette nirgends finden. Wozu bezahle ich Sie eigentlich? Doch nicht aus purer Liebe zur Wissenschaft!
Zugegeben, seine Forschungen, die Theorien zu mythischen Kräften und deren Auswirkungen auf Mensch und Natur bereiten mir Freude. Sonst hätte ich ihm keinesfalls versprochen, seine zweifelhafte Unternehmung zu finanzieren. Natürlich unter der Voraussetzung, dass wir das Abenteuer gemeinsam bestehen. Trotzdem. Nie im Leben hätte ich mich ausgerechnet auf diesen Trottel eingelassen, wenn ich mir davon nicht persönlichen und sehr praktischen Nutzen verspräche.
Es mag beruhigen, mir auf diesem Blatt Papier den Frust von der Seele zu schreiben. In der Sache bringt es mich nicht weiter. Ingmarson muss mir helfen. Wo steckt der Kerl? Es kann einfach nicht sein, dass der gute Herr Ingmarson sich rarmacht und irgendwelche Messungen an Bord durchführt, während ich hier unten in der Kabine vergeblich mein Eau de Toilette suche! Und das bei den Wellen! Will er mich umbringen? Was sollen die Leute nachher beim Dinner sagen, wenn sie auf meine aparte Duftnote verzichten müssen?
Fußnote van Delft, Rotterdam im Januar 1871
Ich unterbreche nur ungern. Es lässt sich nicht vermeiden. Bei Durchsicht meiner Notizen aus dem vergangenen Jahr sehe ich mich gezwungen, die eine oder andere Bemerkung einzufügen. Nicht, um das seinerzeit Niedergeschriebene zu korrigieren und also zu verfälschen, wohl aber, um mit bedachtvoller Strenge Dinge zu erläutern, die, im Übereifer des Moments zu Papier gebracht, späteren Lesern ein falsches Bild meiner damaligen Absichten vermitteln möchten. Somit um Nachsicht heischend, fühle ich mich zunächst verpflichtet, ein paar Worte in eigener Sache zu verlieren.
Mein Name ist Dorian van Delft. Ich bin in Rotterdam ansässig, Kaufmann und Weltreisender aus Passion. Mein traditionsreiches und, wie ich nicht unbescheiden hinzufügen darf, recht erfolgreiches Familienunternehmen erfreut sich eines guten Rufes diesseits und jenseits des Atlantiks.
Anfang letzten Jahres war ich mit einer Schiffsladung hochwertiger Stähle und Bleche aus Pittsburgh auf dem Weg nach Reykjavik, wo ich diese Fracht löschte und anschließend meinen Gewinn zu mehren gedachte, indem ich Naturprodukte der isländischen Fischereiwirtschaft für den europäischen Festlandsmarkt erwarb. Tran vor allem, Dörrfisch, Robbenfelle und so weiter. Dass ich Dr. Frans Ingmarson begegnete, ergab sich rein zufällig. Allerdings lief mir dieser schrullige Wissenschaftler genau im rechten Moment über den Weg.
Sie kennen so etwas sicherlich. Nennen Sie es Schicksal, nennen Sie es Fügung. Gottes Wege sind unergründlich. Es sind die unerwarteten Ereignisse, die unseren Lebenskahn von Zeit zu Zeit in eine neue Strömung treiben. Ob dies dann zu unseren Gunsten oder Ungunsten ausfällt, vermögen wir in aller Regel erst im Nachhinein zu entscheiden. Rückgängig machen können wir die einmal getroffene Wahl nicht.
Glauben Sie mir, ich bereue nichts. Mein Leben erhielt damals einen neuen Sinn. Auch wenn mir das nicht von Anfang an klar war. Schon gar nicht an dem oben beschriebenen Abend, unserem dritten gemeinsamen Tag auf hoher See. Mehr noch. Ich bin mir sicher, dass ich mit Hilfe des kleinen Doktors mein Ziel erreichen werde.
Es ist ein hehres Ziel, fernab von gemeinem Gewinnstreben. Und ich bin bereit, einiges dafür zu riskieren. Wen würde es nicht reizen, einmal einer Unsterblichen leibhaftig gegenüber zu treten, ihren Worten zu lauschen, von ihr die Wahrheit über den Weltenlauf zu erfahren?
Denken Sie jetzt bitte nicht an Geschichtsbücher. Menschenwerk! Geschönt und geformt vom Blickwinkel des Autors, tausendmal glattgeschliffen und dem jeweiligen Zeitgeschmack angepasst. Nein, wovon ich rede, das ist die große, die reine, ungeschminkte Wahrheit über den Gang der Dinge, die wir unbedeutenden Erdenwürmer mit unserem Spatzenhirn normalerweise nie erfassen können.
Ich habe an der Schwelle des universellen Wissens stehen dürfen. Ich habe an seiner Tür gerüttelt. Weswegen ich mich verpflichtet fühle, Sie, meine geneigte Leserschaft, und durch Sie die gesamte Menschheit am Stand unserer Forschungen teilhaben zu lassen. Ich schwöre Ihnen: Ich werde nicht ruhen, bis ich diese Pforte öffnen kann.
Ich sehne mich nach dem Augenblick, endlich jener Frau gegenüberzustehen, die Pompejis Bürger vor dem Untergang hätte bewahren können. Es gibt keinen Zweifel. Sie hatte vor dem Ausbruch des Vesuv gewarnt, hatte zur Flucht aufgerufen. Sie erntete Spott und Häme, Unverständnis, Ignoranz.
Ich, Dorian van Delft, verspreche hiermit feierlich: Ich werde diese Frau, wie immer ihr richtiger Name sein mag, finden. Ich werde sie zurück in die Öffentlichkeit führen und zum Nutzen der Menschheit rehabilitieren! Amen.
Ihren Anfang nahm meine Suche wie erwähnt auf Island. In Reykjavik. Wenn ich nunmehr erneut darüber nachdenke, halte ich es zum besseren Verständnis der Ereignisse für sinnvoll, dieser Abschrift einige frühere Tagebucheintragungen ergänzend voranzusetzen. Beginnen wir also von vorn. Ende April vorigen Jahres, kurz nach meiner Landung auf der Insel.
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