[151]
Zur Personenverkehrsfreiheit EuGH Slg. 1995, 4920 (Bosman): Bezahlung einer „Transfer-, Ausbildungs- oder Förderungsentschädigung“ beim Vereinswechsel eines Berufsfußballspielers behindert die Freizügigkeit; EuGH Slg. 2000, 2681 (Lehtonen) zum Transfer von Basketballspielern; früher schon EuGH Slg. 1974, 1405 Rn. 17 (Walrave) zum Radsportverband; zur Dienstleistungsfreiheit etwa EuGH Slg. 2000, 2549 (Deliège) (kein Verstoß bei Teilnahmebeschränkung für internationale Judo-Wettkämpfe).
[152]
Calliess/Ruffert/ Kingreen , EUV/AEUV, Art. 34-36 AEUV Rn. 112.
[153]
So auch in EuGH Slg. 2008, 5939 Rn. 46 (Raccanelli), wo ein Doktorand bei der Max-Planck-Gesellschaft betroffen war; näher zu dem allgemeinen Rechtsgrundsatz der Nichtdiskriminierung noch unten Rn. 265.
[154]
Generell dagegen Riesenhuber , System und Prinzipien des europäischen Vertragsrechts, 2003, S. 103 ff., der meint, die Grundfreiheiten seien eine spezielle Gewährleistung der Privatautonomie. Sie könnten daher nicht gegen bestimmte private Vereinbarungen ins Feld geführt werden; offener von der Groeben/Schwarze/Hatje/ Müller-Graff , Europäisches Unionsrecht, Art. 34 AEUV Rn. 301 ff.
[155]
Wolf , BGH-Festgabe, 2000, Band 1, S. 111; Riesenhuber , System und Prinzipien des europäischen Vertragsrechts, 2003, S. 105.
[156]
Wolf , BGH-Festgabe, 2000, Band 1, S. 111, 124; vorsichtig auch Basedow , LM 1998, § 8 AGBG Nr. 30 am Ende.
[157]
Dazu ohne gemeinschaftsrechtliche Überlegungen BGHZ 137, 27.
[158]
Dafür etwa Riesenhuber , Europäisches Vertragsrecht, Rn. 102 ff.; zur Schutzpflichtlehre schon oben Rn. 42.
[159]
Bachmann , AcP 210 (2010), 424, 471 ff.
[160]
Ruffert , Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, 2001, zusammenfassend S. 252.
[161]
Näher Ludwigs/Weidermann , Jura 2015, 152.
[162]
Besonders kritisch Staudinger/ Honsell , BGB, Einleitung zum BGB, Rn. 195.
[163]
EuGH EuZW 2014, 795 (Hernández).
[164]
Sehr deutlich die Entscheidung EuGH NZA 2014, 193 LS 2 und 4 (AMS); auch EuGH NZA 2015, 1444 Rn. 48 (Fenoll).
[165]
Näher Jarass , Charta der Grundrechte der EU, Art. 8 GRCh Rn. 10; auch EuGH NJW 2014, 2257 Rn. 99 (Google Spain).
§ 4 Umsetzung, Anwendung und Auslegung von EU-Privatrecht
Inhaltsverzeichnis
A. Die Richtlinie und ihre Umsetzung
B. Die Anwendung des EU-Privatrechts
C. Die Auslegung von nationalem Recht mit EU-rechtlichem Hintergrund
D. Die Vorlage an den EuGH
§ 4 Umsetzung, Anwendung und Auslegung von EU-Privatrecht› A. Die Richtlinie und ihre Umsetzung
A. Die Richtlinie und ihre Umsetzung
§ 4 Umsetzung, Anwendung und Auslegung von EU-Privatrecht› A. Die Richtlinie und ihre Umsetzung › I. Umsetzungspflicht
I. Umsetzungspflicht
1. Notwendigkeit der Umsetzung
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Die europäischen Richtlinien sind nicht selbst unmittelbar geltendes Recht. Den Mitgliedstaaten obliegt jedoch nach Art. 288 Abs. 3 AEUV in Verbindung mit der Loyalitätspflichtnach Art. 4 Abs. 3 EUV (früher „Gemeinschaftstreue“) die Pflicht, sie fristgemäß und vollständig in nationales Recht umzusetzen.[1] Nicht alle Mitgliedstaaten kommen dieser Pflicht stets nach. Auch Deutschland hat die Umsetzung der Richtlinien nicht immer pünktlich und inhaltlich korrekt vorgenommen. So erfolgte die Umsetzung der Klausel-RL[2] erst im Juli 1996, obwohl die Frist bereits am 31.12.1994 abgelaufen war. Die Umsetzungsfrist für die Gleichbehandlungs-RL (Rasse) war bereits seit dem 19.7.2003 abgelaufen und die Umsetzung durch das AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) erfolgte erst zum 18.8.2006. Auch bei der Verbraucherrechte-RL erfolgte die Umsetzung erst ein halbes Jahr nach Ablauf der Umsetzungspflicht zum 14.6.2014.
2. Umfang der Umsetzungspflicht
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Dem Charakter der Richtlinie entsprechend braucht die Umsetzung nicht wörtlichzu erfolgen. Aber das nationale Recht muss inhaltlich so weit der Richtlinie entsprechen, dass nach dem angepassten nationalen Recht zugunsten des Bürgers jeder Fall so zu entscheiden sein wird, wie es die Richtlinie vorsieht. Der EuGH erleichtert dem Gesetzgeber die Umsetzung, indem er bei der Überprüfung der Umsetzungsmaßnahmen davon ausgeht, dass die Gerichte der Mitgliedstaaten das nationale Recht richtlinienkonform auslegen werden. Erst wo eine solche richtlinienkonforme Auslegungdes nationalen Rechts nicht möglich zu sein scheint, nimmt er eine Verletzung der Umsetzungspflicht an.[3]
87
Grundsätzlich braucht die Umsetzung – jedenfalls im Bereich des Zivilrechts – deshalb nicht notwendig durch den Gesetzgeber zu erfolgen. Oftmals reicht eine Änderung der Rechtsprechunghin zu einer richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts aus. Diese Übertragung der Umsetzungspflicht auf die Rechtsprechung ist allerdings problematisch, weil das Verhalten der Gerichte weder vorhersehbar ist, noch die Gerichte zu einer bestimmten, nämlich der richtlinienkonformen Entscheidung, gezwungen werden können.[4] Der EuGH hat dementsprechend inzwischen entschieden, dass zwar generell der Umsetzungspflicht bereits genügt sei, wenn der Richtlinie durch Auslegung des nationalen Rechts entsprochen werde. „Die sich aus diesem Recht ergebende Rechtslage“ müsse aber „hinreichend bestimmt und klar“ sein. Wenn es – wie bei der in der Entscheidung in Rede stehenden Klausel-RL – darum gehe, den Angehörigen der Mitgliedstaaten (nämlich den Verbrauchern) Rechte zu verleihen, sei dies besonders wichtig, damit „die Begünstigten in die Lage versetzt werden, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen“.[5]
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Auch in Deutschland sind teilweise Bereiche, die zu bedeutend sind, der Auslegung bzw. Ausfüllung durch die Gerichte überlassen worden, so dass damit der Umsetzungspflicht nicht genügt worden war. So hatte es der Gesetzgeber bei der Umsetzung der Klausel-RL für unnötig gehalten, die Transparenzkontrolle ausdrücklich in das damalige AGBG aufzunehmen.[6] Inzwischen hat der Gesetzgeberaber zumeist nachgebessert. So wurde die in der Klausel-RL vorgesehene Transparenzkontrolle von Hauptleistungspflichten ausdrücklich umgesetzt. Auch § 5 UWG (§ 3 UWG a.F.) wurde an die wettbewerbsrechtlichen Richtlinienvorgaben angepasst.
Es reicht also oft nicht aus, auf die gesetzgeberische Umsetzung der Richtlinie ganz zu verzichten, nur weil das bereits bestehende Recht sich im Sinne der Richtlinie auslegen ließe.
3. Folgen von Verletzungen der Umsetzungspflicht
a) Unmittelbare Wirkung von privatrechtlichen Richtlinien
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Literaturhinweis:
Hermann/Michl , Wirkungen von EU-Richtlinien, JuS 2009, 1065 ff.
Beispiel 5:
Mitgliedstaat M kannte bisher – entsprechend der alten Verbraucherkredit-RL – kein Widerrufsrecht für Verbraucherkreditverträge. Aus verschiedenen Gründen hängt M mit der Umsetzung der neuen Verbraucherkredit-RL, die ein 14-tägiges Widerrufsrecht vorsieht, zurück.
Ein Jahr nach Ende der Umsetzungsfrist ist immer noch keine Umsetzung erfolgt. Verbraucher V möchte sich einen neuen Wagen kaufen und nimmt zu diesem Zweck bei der Bank B einen Verbraucherkredit auf. Den nationalen Gesetzen entsprechend erfolgt keine Widerrufsbelehrung. Einige Tage nach Auszahlung des Kredits wird V klar, dass er sich einen Autokauf zurzeit kaum leisten kann. V möchte sich von dem Kreditvertrag lösen und das Geld umgehend an die Bank zurückzahlen.
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