181
Fall 16:
Die vermögende Ehefrau F ermöglicht ihrem vermögens- und einkommenslosen Ehegatten M ein angenehmes Leben. Gläubiger G, der einen titulierten Anspruch gegen M hat, möchte wissen, in welche Vermögensgegenstände er vollstrecken kann.
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Nach h.M. hat der haushaltsführende Ehegatte aus §§ 1360, 1360a einen Anspruch auf Zahlung eines Taschengeldes, um unabhängig von der Mitsprache des anderen Ehegatten solche persönlichen Bedürfnisse befriedigen zu können, die über die regelmäßig in Form des Naturalunterhalts gewährten Grundbedürfnisse hinausgehen. Die Höhe des Anspruchsrichtet sich nach den Vermögensverhältnissen, dem Lebensstil und der Zukunftsplanung im Einzelfall, sie wird üblicherweise mit ca. 5–7% des Nettogesamteinkommensbeziffert.[15] Es handelt sich also um einen Geldanspruch, der grundsätzlich – und hier hat er seine praktische Bedeutung (vgl. Fall 16 ) – von Gläubigern gepfändet werden kann. Einzusetzen ist der Taschengeldanspruch eines Ehegatten auch für den (aus §§ 1601 ff. folgenden) Unterhaltsanspruch seiner Eltern (zum Elternunterhalt unten Rn. 624).[16]
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Nach h.M. ist der Taschengeldanspruch des haushaltführenden Ehegatten nach Maßgabe von § 850b Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 ZPO bedingt pfändbar (Billigkeitsprüfung),[17] wobei die für Arbeitseinkommen geltenden Pfändungsgrenzen nach § 850c ZPO gelten. Ausgehend von seiner Rechtsprechung zur Pfändbarkeit des Taschengeldanspruchs, hält es der BGH für geboten, die eidesstattliche Versicherung des Schuldners gemäß § 802c ZPO auch auf das Nettoeinkommen des Ehegatten (als Drittschuldner) zu erstrecken,[18] weil nur auf dieser Grundlage die Billigkeitsentscheidungnach § 850b Abs. 2 ZPO getroffen werden könne. Die Ansicht des BGH, dass die damit einhergehende „reflexartige Beeinträchtigung“ der Datenschutzinteressen des Ehegatten „unvermeidlich“ sei, aber ohnehin „nur …vermögensrechtliche Interessen“ berühre, kann nicht überzeugen.
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Zur Unterhaltsdurchsetzungvor den Familiengerichten (§§ 111 Nr. 8, 231 Abs. 1 Nr. 2 FamFG) ist der Anspruchsberechtigte auf Auskunft über die Vermögensverhältnisse des anderen Ehegatten angewiesen. Aus der Pflicht zur Rücksichtnahmefolgt deshalb auch der wechselseitige Anspruch, sich über die finanziellen Verhältnisse, die für die Höhe des Familienunterhalts und eines Taschengeldes maßgeblich sind, zu informieren.[19] § 1605 ist nach Ansicht des BGH während des Zusammenlebens der Ehegatten zwar nicht anwendbar, eine inhaltlich identische Pflicht folge aber aus der „Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft“.[20]
Dritter Teil Eheliche Lebensgemeinschaft› § 8 Eheliches Unterhaltsrecht› II. Verpflichtung zum Familienunterhalt › 3. Zuvielleistung
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Fall 17:
Obwohl der vermögenslosen Ehefrau F eine zusätzliche Arbeitsaufnahme unterhaltsrechtlich nicht zugemutet werden könnte, ist sie längere Zeit hindurch mehrere Abende in der Woche als Bedienung tätig, um den Unterhalt der Kinder sicherzustellen. Ehemann M lässt es dagegen an den gebotenen Anstrengungen fehlen. Später verlangt F einen Ausgleich für den früher von ihr überobligationsmäßig geleisteten Unterhalt.
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Wurde von einem Ehegatten über seine Pflicht hinaus zum Familienunterhalt beigetragen, so ist im Zweifel davon auszugehen, dass dies ersatzlos geschah. Es wird vermutet, dass der leistende Partner auf eine Ersatzforderung verzichtet (§ 1360b). Nach zutreffender Ansicht handelt es sich nicht nur um eine Auslegungsregel, sondern um eine gesetzliche Vermutung(mit Folgen für die Darlegungslast).[21] Soweit die Vermutung greift, sind Rückforderungsansprüche aus jedem rechtlichen Grund ausgeschlossen.[22]
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Die Vermutung des § 1360b ist allerdings widerlegbar(vgl. § 292 ZPO); das kann durch ausdrücklichen Vorbehalt geschehen oder sich aus den Umständen ergeben. Entscheidend für die Rückforderungsabsicht ist der Zeitpunkt der Leistung. Es fragt sich aber, welche Anspruchsgrundlagedem Ehegatten zur Verfügung steht, denn § 1360b selbst enthält eine solche nicht.[23] Er beschränkt lediglich Ersatzansprüche auf Grund der allgemeinen Vorschriften,[24] wozu der BGH allerdings auch einen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch rechnet.[25] Falltypisch muss daher unterschieden werden, ob der mehrleistende Ehegatte für den (an sich verpflichteten) Partner tätig wird[26] (dann sind Ersatzansprüche auf der Grundlage einer cessio legis gemäß § 1607 Abs. 2 S. 2, nach dem Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag und nach Bereicherungsrecht denkbar[27]) – oder ob ein Ehegatte bei beidseitiger Erfüllung der Unterhaltspflichten über den von ihm geforderten Beitrag hinaus leistet. Es kommt dann nur ein gesondertes, (schlüssig) vereinbartes Rückforderungsrecht in Betracht (bei vorbehaltloser Annahme der Unterhaltsleistung in Kenntnis der Rückforderungsabsicht) – andernfalls ist von Zweckerreichung (§ 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2) auszugehen. Nur wenn es F also gelingt ( Fall 17), sowohl ihre erhöhte Unterhaltsleistung wie ihre Rückforderungsabsicht für den Zeitpunkt der Leistung nachzuweisen, wird sie Ausgleich erhalten können.
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Ein Teil der Literatur lehnt in diesem Falle (Übernahme der Unterhaltspflicht gegenüber einem gemeinsamen Kind, weil sich der andere Elternteil seiner Pflicht entzieht) die Anwendung des § 1360b ab, weil die Leistung dem Kind gegenüber nicht freiwillig, sondern aufgrund unterhaltsrechtlicher Ersatzhaftung erfolge.[28] Für § 1360b ist aber zu beachten, dass auch die Leistung des Kindesunterhalts als Beitrag zum Familienunterhaltgilt, wozu allein die Ehegatten einander verpflichtet sind.
Dritter Teil Eheliche Lebensgemeinschaft› § 8 Eheliches Unterhaltsrecht› II. Verpflichtung zum Familienunterhalt › 4. Vergangenheit, Verzicht, Erlöschen
4. Vergangenheit, Verzicht, Erlöschen
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Für den Familienunterhalt (§§ 1360, 1360a) gelten gemäß § 1360a Abs. 3 die Vorschriften der §§ 1613 bis 1615entsprechend. Danach kann für die Vergangenheitgrundsätzlich weder Erfüllung noch Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt werden (§ 1613 Abs. 1 S. 1) – ausgenommen, der Unterhaltsanspruch ist rechtshängig geworden, der Schuldner ist in Verzug geraten oder er ist zum Zwecke der Unterhaltsrealisierung aufgefordert worden, über seine Einkünfte Auskunft zu erteilen. Diese Einschränkungen gelten nicht für unterhaltsrechtlichen Sonderbedarf (§ 1613 Abs. 2 Nr. 1)[29] und für den Fall, dass der Unterhaltsgläubiger aus rechtlichen oder vom Schuldner zu verantwortenden tatsächlichen Gründen an der Geltendmachung gehindert war (§ 1613 Abs. 2 Nr. 2). Sie gelten auch nicht für vertraglich vereinbarten Unterhalt.[30] Solange die Ehe besteht, kann auf zukünftigen Unterhalt nicht verzichtet werden(§ 1614 Abs. 1).[31] Ebenso wenig kann vereinbart werden, den Unterhaltsanspruch nicht geltend zu machen.[32] Der Unterhaltsanspruch erlischt mit dem Tode des Berechtigtenoder des Verpflichteten (§ 1615 Abs. 1).[33]
[1]
Das Unterhaltsverhältnis zwischen Eltern und Kindern richtet sich dagegen stets nach §§ 1601 ff.; Kinder haben keinen Anspruch auf Familienunterhalt.
[2]
So allerdings die grundgesetzwidrige urspr. Fassung des § 1356 Abs. 2 a.F.: „Zu Arbeiten im Hauswesen und im Geschäfte des Mannes ist die Frau verpflichtet, soweit eine solche Thätigkeit nach den Verhältnissen, in denen die Ehegatten leben, üblich ist.“ Von diesen dem Ehemann geschuldeten Diensten war dessen Unterhaltspflicht seiner Frau gegenüber zu unterscheiden (§ 1360 Abs. 1 a.F.).
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