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Obwohl Haushaltsführung und Kinderbetreuung in der eigenen Familie keine erwerbswirtschaftlichen Tätigkeiten darstellen, hat der BGH einen eigenen Anspruchdes haushaltsführenden Ehegatten in voller Höhe anerkannt. Ein „Nachteil“i.S.d. § 842 beschränke sich nicht auf den Verlust von Entgelt (Gegenleistung) aus rein erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit. „Nachteil“ sei darüber hinaus jede „wirtschaftliche Beeinträchtigung“, „die der Mangel der vollen Einsatzfähigkeit mit sich bringt“.[9] Der haushaltsführende Ehepartner setztseine Arbeitskraft tatsächlich einund erbringt damit einen Beitrag zum Familienunterhalt. Auch wenn dies nicht im Austausch mit einer Gegenleistung geschieht, so steht die Erbringung der Haushaltstätigkeit doch in Korrespondenz mit einem eigenen Unterhaltsanspruch des verletzten Ehegatten gegen seinen Partner (§§ 1353 Abs. 1 S. 2, 1360). Der haushaltsführende Teil sichert die wirtschaftliche Grundlage der Familie (und damit auch seine eigene) und wird durch die Verletzung gehindert, die eigene Arbeitskraft in entsprechender Weise einzusetzen. Es geht daher in diesen Fällen nicht um einen Ersatz der Beeinträchtigung bloß abstrakter Arbeitsfähigkeit,[10] sondern um den Ausfall der konkreten Arbeitsleistung. Dass die Verletzung nicht zum Wegfall des korrespondierenden Unterhaltsanspruchs führt, der andere Ehegatte vielmehr gehalten ist, seinen eigenen Beitrag gegebenenfalls sogar zu steigern und die Unterhaltsbedürfnisse des Verletzten zu befriedigen, resultiert aus interner familienrechtlich gebotener Solidarität und kann den Schädiger nicht entlasten (vgl. § 843 Abs. 4). Weil der Vermögensschadenim Ausfall der Arbeitskraft selbstliegt, also in der Unmöglichkeit, sie in wirtschaftlich relevanter Weise im Haushalt einzusetzen, kommt es für einen Ersatzanspruch auch nicht darauf an, ob zum Ausgleich der weggefallenen Leistungen zusätzliche Vermögensaufwendungen getätigt werden (Einstellung einer Aushilfskraft) oder nicht. Die Bemessung des Schadensersatzes richtet sich nach den Kosten, die für eine entsprechende Ersatzkraft aufzubringen sind oder aufzubringen wären, um die vom verletzten Partner geleistete Arbeit zu bewältigen.[11] – In Fall 14 hat also F einen Anspruch auf Ersatz der wegen des Ausfalls ihrer Arbeitsleistungen notwendigen Kosten für eine Haushaltshilfe ohne Rücksicht darauf, ob eine solche Einstellung tatsächlich erfolgt oder nicht.
Dritter Teil Eheliche Lebensgemeinschaft› § 8 Eheliches Unterhaltsrecht› II. Verpflichtung zum Familienunterhalt › 2. Verpflichtung zum Unterhalt durch Einsatz von Arbeitskraft und Vermögen (§ 1360)
2. Verpflichtung zum Unterhalt durch Einsatz von Arbeitskraft und Vermögen (§ 1360)
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Fall 15:
Das Ehepaar M und F hat drei Kinder. F führt den Haushalt; sie ist nicht erwerbstätig. Der Verdienst des M reicht gerade aus, das Notwendigste für die Familie zu besorgen (Wohnung, Verpflegung etc.). Urlaub, Taschengeld und andere persönliche Bedürfnisse können davon nicht bestritten werden. M verlangt von F, zusätzlich zu ihrer Haushaltstätigkeit ebenfalls finanziell zum Familienunterhalt beizutragen, und zwar aus Mieteinkünften eines von ihr ererbten Mehrfamilienhauses.
a) Umfang der Unterhaltspflicht
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Nach § 1360 S. 1 sind Ehegatten einander verpflichtet, die Familie angemessenzu unterhalten. Das wird in § 1360a Abs. 1näher umrissen. Zum angemessenen Familienunterhaltzählt alles, was nach den Verhältnissen der Eheleute notwendig ist, um den Haushalt, die persönlichen Bedürfnisseder Ehegatten und den Lebensbedarf der gemeinsamen Kinderzu bestreiten. Die Verhältnisse der Ehegatten richten sich in erster Linie nach dem verfügbaren Einkommen, das zugleich die Obergrenze der Unterhaltspflicht darstellt. In diesem Rahmen ist aber ein objektiver Maßstab (soziale Stellung, gesellschaftliche Anschauung, Lebensstil vergleichbarer Berufskreise) zugrunde zu legen.[12] Ehegatten können (absprachegemäß) unter diesem Niveau (sparsam) leben, auf einen Mindeststandard aber kann vertraglich nicht verzichtet werden.[13] Vor allem können Eltern den Familienaufwand nicht zu Lasten ihrer Kinder unter einem solchen Stand halten. Im Rahmen dieser Verhältnisse bestimmt § 1360a Abs. 1 die wesentlichen Faktoren des Familienunterhalts: Kosten des Haushalts (Wohnung, Wohnungseinrichtung, Heizung, Lebensmittel, Familienurlaub); persönliche Bedürfnisse der Ehegatten (Kleidung, Arzt- und Krankenhauskosten, berufliche Fortbildung, kulturelle Bedürfnisse, Alterssicherung, Taschengeld); Lebensbedarf der gemeinsamen Kinder (§ 1610; insbesondere Kleidung, Nahrung, Ausbildung, Freizeit). – Die von M in Fall 15 geltend gemachten Defizite (Urlaub, Taschengeld, weitere persönliche Bedürfnisse) zählen umfangmäßig zum angemessenen Familienunterhalt.
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Die Regeln des allgemeinen Verwandtenunterhaltssind auf die Unterhaltspflicht von Ehegatten nicht anwendbar(Ausnahme: § 1360a Abs. 3). Die eheliche Unterhaltsverpflichtung wird deshalb auch nicht durch die Gefährdung des eigenen angemessenen Unterhalts begrenzt(vgl. § 1603 Abs. 1), vielmehr haben Ehegatten alle verfügbaren Mittel (Arbeit und Vermögen) bis an die Grenze des Existenzminimums für die Sicherung ihres Unterhalts (und den ihrer minderjährigen Kinder, vgl. § 1603 Abs. 2) aufzuteilen. Dazu gehört grundsätzlich auch die Verwertung des Vermögensstammes. Eine Entlastung bei Unterschreiten des eigenen angemessenen Unterhalts erfolgt nur dann, wenn leistungsfähige Verwandte des berechtigten Ehegatten vorhanden sind, die in dieser Situation den unterhaltsrechtlichen Vorrang des Ehegatten ablösen (§ 1608 Abs. 1 S. 2).
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Die Familie muss von den Ehegatten „durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen“ unterhalten werden, § 1360 S. 1. Sowohl F wie M tragen in Fall 15 durch Arbeit zum Familienunterhalt bei. Während dem M zusätzliches Vermögen nicht zur Verfügung steht, fragt sich, ob F neben ihrer Haushaltstätigkeit auch aus ihren Mieteinnahmen zum Familienunterhalt beitragen muss. Nach § 1360 S. 2erfüllt der im Haushalt tätige Ehegatte seine Verpflichtung, durch Arbeitzum Unterhalt der Familie beizutragen, in der Regeldurch die Führung des Haushalts; das bedeutet, dass er normalerweise nicht noch zusätzlich außerhalb des Haushalts einer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen muss, um den Unterhalt der Familie zu sichern, sondern nur sofern erforderlich und zumutbar. Die gleichrangige Pflicht, mit dem Vermögenzum Unterhalt beizutragen, lässt diese Vorschrift unberührt. Sofern der angemessene Unterhalt einen höheren Bedarf der Familie ergibt, ist F neben der Haushaltsführung verpflichtet, auch mit ihrem Vermögen zum Unterhalt der Familie beizutragen, so dass sie auch aus ihren Mieteinkünften dazu beisteuern muss.
c) Art der Unterhaltsgewährung
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Der Unterhalt ist in der durch die eheliche Lebensgemeinschaft gebotenenArt zu leisten (§ 1360a Abs. 2 S. 1). Die Ehegatten schulden sich grundsätzlich Unterhaltsbeiträge in Form von Naturalunterhalt, d.h. Wohnbedarf ist in concreto (etwa durch Anmieten einer angemessenen Wohnung) zu decken; Lebensmittel, Heizmaterial, Einrichtungsgegenstände sind zur Verfügung zu stellen; der Haushalt ist tatsächlich zu führen, Kinder sind zu pflegen (vgl. § 1606 Abs. 3 S. 2). Abweichungen im Einzelnen können sich durch die eheliche Lebensführung ergeben, insbesondere wenn eine gemeinsame Wirtschaftsführung nicht besteht. Wird ein Ehegatte stationär pflegebedürftig, richtet sich der Anspruch auf Familienunterhalt auf eine Geldleistung.[14]
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