Die Hessische Landesregierung ließ diese Steuervergünstigung im Wege der abstrakten Normenkontrolle vom Bundesverfassungsgericht überprüfen. Das Gericht stellte die Verfassungswidrigkeit der Regelung fest. Der Grundsatz der Chancengleichheit aller Parteien und der Grundsatz der gleichen Beteiligung aller Bürger am Prozess der politischen Willensbildung verbiete Regelungen, die die Bezieher höherer Einkommen bei der Einflussnahme auf die politische Willensbildung begünstigen. 85Zugleich stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass der Staat für die politischen Parteien, die sich an Wahlen beteiligen, finanzielle Mittel zu Verfügung stellen dürfe. 86
3.6.2Wahlkampfunterstützung
152Damit begann die Subventionierung der Parteiendurch staatliche Gelder. Im Bundeshaushalt 1959 wurden hierfür zum ersten Mal 5 Millionen DM zur Verfügung gestellt. 1962 waren es bereits 20 Millionen DM, 1966 38 Millionen DM. 87Die in den Bundeshaushalt eingestellten Mittel wurden zunächst auf die im Bundestag vertretenen Parteien entsprechend ihrer Stärke verteilt. Auf diese Weise sollte die politische Bildungsarbeit der Parteien insgesamt unterstützt werden. Keine Gelder bekamen danach die Parteien, die zwar an Wahlen teilgenommen hatten, aber nicht ins Parlament gelangt waren. Das Bundesverfassungsgericht erklärte diese Form der Parteienfinanzierung für verfassungswidrig. 88Nach Art. 21 GG sollen die Parteien den Willensbildungsprozess im Volk organisieren und ihn dann insbesondere über das Parlament in den staatlichen Willensbildungsprozess einbringen. Diese Vermittlerrolleverlangt, dass die Parteien staatsfrei bleiben. Art. 21 GG garantiere gerade die Staatsfreiheit der Parteien. Parteien sind frei konkurrierende und aus eigener Kraft handelnde Gruppen. Dementsprechend darf die dauernde finanzielle Fürsorge für die gesamte politische Tätigkeit der Parteien nicht Staatsaufgabe sein. Das Gericht hielt es allerdings angesichts der besonderen Bedeutung der Parteien für die Wahlen für zulässig, den Parteien die notwendigen Kosten für einen angemessenen Wahlkampf zu ersetzen. Damit begann die Zeit der Parteienfinanzierung durch Wahlkampfkostenerstattung.
Das Parteiengesetz von 1967 regelte, dass jede Partei, die mindestens 2,5 % der Wählerstimmen erlangt hat, für jede auf sie entfallene Wählerstimme – ungeachtet der tatsächlich entstandenen Wahlkampfkosten – pauschal 2,50 DM erhielt.
Auch diese gesetzliche Regelung gelangte vor das Bundesverfassungsgericht 89, das im Hinblick auf den Grundsatz der Chancengleichheit aller Parteien die Sperrklausel von 2,5 % für einen Anspruch auf Wahlkampfkostenerstattung für zu hoch hielt. Alle Parteien, die sich ernsthaft am Wahlkampf beteiligen, stehe ein Anspruch auf Wahlkampfkostenerstattung zu. Zur Aussonderung nicht ernsthafter Beteiligungen hielt es eine Sperrklausel von 0,5 % für vertretbar.
Angesichts der allgemeinen Inflation erhöhte der Gesetzgeber 1974 die Pauschale von 2,50 DM pro Wählerstimme auf 3,50 DM. Da sich die Finanznot nicht besserte, wurde 1979 die Abzugsfähigkeit von Parteispenden von 600,– DM pro Person auf 1800,– DM erhöht. Gleichzeitig versuchten die Parteien diese Höchstgrenzen zu umgehen, indem Spenden von Unternehmen an Berufsverbände oder gemeinnützige Stiftungen, die unbegrenzt steuerlich abzugsfähig waren, illegalerweise an Parteien weitergeleitet wurden. Anfang der achtziger Jahre wurde das Ausmaß dieser Steuerhinterziehungen zugunsten der Parteien nach und nach aufgedeckt. Deutlich wurde damit auch, dass eine Neuregelung der Parteienfinanzierung nottat. Diese erfolgte 1983.
153Als auch diese Änderungen die Verwerfungen zwischen großen und kleinen Parteien nicht beenden konnten, zwischenzeitlich die staatlichen Zuwendungen aber auf insgesamt über 200 Millionen DM angewachsen waren, führte eine erneute Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Sachen Parteienfinanzierung zu einer grundsätzlichen Neuorientierung. 90
154Das Bundesverfassungsgericht gab seine Auffassung auf, wonach die staatliche Finanzierung ihren Grund allein in den Kosten der Parteien für den Wahlkampf haben dürfe. Es stellte nunmehr fest, dass eine staatliche Finanzierung für die gesamte politische Betätigung der Parteien zulässig ist, vorausgesetzt, es handele sich nicht um eine umfassende Finanzierung, sondern beschränke sich auf eine Teilfinanzierung. 91Es betonte noch einmal die Staatsfreiheit der Parteien, ihren Charakter als frei gebildete, im gesellschaftlich-politischen Bereich wurzelnde Gruppen. Dementsprechend dürfen die Parteien durch staatliche Zuwendungen nicht der Notwendigkeit enthoben sein, sich um die auch finanzielle Unterstützung ihrer Arbeit durch ihre Mitglieder und ihnen nahestehende Bürger zu bemühen. Hieraus ergibt sich, dass das Gesamtvolumen der staatlichen Zuwendungen an eine Partei die Summe ihrer selbst erwirtschafteten Einnahmen nicht überschreiten darf ( relative Obergrenze). 92Rechtlich nur schwer zu begründen ist die Erfindung der absoluten Obergrenze. 93Sie dient der Sicherung der Staatsfreiheit der Parteien und lässt sich im Übrigen nur daraus erklären, dass dem Gericht die Unfähigkeit der Parteien zur Selbstbeschränkung vor Augen stand. Das Gericht erklärte, dass die staatliche Finanzierung insgesamt das bisher erreichte Volumen von 230 Mill. DM nicht überschreiten dürfe, solange sich keine einschneidende Änderung der Verhältnisse ergebe.
155Der Gesetzgeber setzte diese Vorgaben durch das 6. Parteienänderungsgesetz von 1994 um. Die Parteien erhielten nunmehr für jede gewonnene Wählerstimme bei den Bundestags-, Landtags- und Europaparlamentswahlen 1 DM. Für die ersten bis zu 5 Millionen erzielten Stimmen wurde jeder Partei sogar 1,30 DM gewährt. Spenden sollten bis zu 6000,– DM pro Person und Jahr abzugsfähig sein. Für jede Spendenmark, die sich innerhalb dieses Rahmens hielt, bekamen die Parteien 0,50 DM vom Staat. Spenden von juristischen Personen waren steuerlich nicht mehr abzugsfähig. Die vom Bundesverfassungsgericht verfügte absolute Obergrenze wurde in das Gesetz übernommen. Gleichzeitig wurde die Rechtsgrundlage für die Einrichtung einer Kommission unabhängiger Sachverständigerzu Fragen der Parteienfinanzierung geschaffen und auch gleich berufen. Sie sollte die Auswirkungen dieser Neuregelungen überprüfen. In ihrem Bericht machte die Kommission zwar keine konkreten Vorschläge für eine Änderung des § 18 ParteienG, wies jedoch darauf hin, dass ein Ungleichgewicht zwischen dem Wählerstimmenanteil und dem Zuwendungsanteil an der Finanzierung bestehe und dass nach der geltenden Regelung die staatlichen Leistungen bereits weitgehend durch den Zuwendungsanteil ausgeschöpft werden könnten.
156Durch das 7. Parteienänderungsgesetz von 1999 erhöhte der Gesetzgeber die absolute Obergrenze von 230 Millionen DM auf 245 Millionen DM. Der Parteispendenskandal von 1999/2000 führte sodann zu dem Auftrag an die Kommission unabhängiger Sachverständiger, das geltende Recht der Parteienfinanzierung einer umfassenden Prüfung zu unterziehen, sowie zum Erlass des 8. Parteienänderungsgesetzes von 2002, das Änderungen hinsichtlich der Rechenschaftspflichtder Parteien, in Anlehnung an die Kommissionsempfehlungen eine Erhöhung der auf Wählerstimmen bezogenen staatlichen Leistungen und eine Absenkung der zuwendungsbezogenen staatlichen Leistungen enthielt. 94Entgegen der ausdrücklichen Empfehlung der Kommission erschwerte der Gesetzgeber allerdings auch den Zugang zu den staatlichen Leistungen nach Maßgabe der errungenen Wählerstimmen, indem er ein „Drei-Länder-Quorum“ einführte. Danach sollten Parteien bei Landtagswahlen nur dann noch an der vollen staatlichen Teilfinanzierung unter Berücksichtigung ihres Zuwendungsanteils teilnehmen können, wenn sie das Stimmenquorum von 1 % bei mindestens drei Landtagswahlen erfüllten oder bei einer der jeweils letzten Landtagswahlen 5 % der abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhielten. Das von kleineren Parteien angestrengte Organstreitverfahren gegen diese Erschwerung des Zugangs zu staatlichen Leistungen hatte Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht urteilte, dass das Recht der Parteienfinanzierung das Entstehen neuer Parteien nicht über Gebühr erschweren und die Betätigung kleiner Parteien nicht unangemessen beeinträchtigen dürfe. Das „Drei-Länder-Quorum “erschwere das Entstehen kleiner Parteien und ihre Behauptung im Wettbewerb. Die Regelung berge daher die Gefahr eines Verlusts der politischen Vielfalt. (Ls. 2). Zudem setze die Regelung Parteien, deren Programm auf ein einzelnes Land ausgerichtet sei, gegenüber länderübergreifend agierenden Mitbewerbern gleichheitswidrig zurück. (Ls. 3). 95
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