Ute Christoph
Unter schweren Schatten
Psychothriller
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Inhaltsverzeichnis
Titel Ute Christoph Unter schweren Schatten Psychothriller Dieses ebook wurde erstellt bei
Widmung Widmung Für meine Mutter Danke für Deine Unterstützung! Deine Geduld, immer wieder meine überarbeiteten Manuskripte zu lesen, ist bewundernswert.
Prolog
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Epilog
Leseprobe aus: Im Land der drei Zypressen
Impressum neobooks
Für meine Mutter
Danke für Deine Unterstützung!
Deine Geduld, immer wieder meine überarbeiteten Manuskripte zu lesen, ist bewundernswert.
Zu Beginn, ganz am Anfang, war er nicht allein gewesen. Das wusste er genau. Aber an diese Zeit erinnerte er sich nicht mehr, so sehr er sich auch bemühte. Er fühlte, dass sie ihm etwas Lebensnotwendiges genommen, etwas aus ihm herausgerissen hatten.
Besonders schlimm fühlte es sich an, wenn er nicht brav gewesen war und Mama ihn bestrafen musste. Dann war dieses Gefühl übermächtig und er bekam üble Bauchschmerzen.
Erst gestern hatte Mama ihn wieder bestrafen müssen. Denn er war sehr böse gewesen.
Er war mit der ersten Morgensonne aufgewacht und hatte sich kräftig die blauen Augen gerieben, bevor ihm bewusst wurde, dass heute ein ganz besonderer Tag war – sein Geburtstag.
Das war aufregend. Es gab ein Geschenk von der Geburtstagsfee, wie zu Weihnachten vom Christkind.
Sein kleines Herz begann schneller zu schlagen. Vielleicht hatte Mama Kuchen und Kerzen für ihn besorgt.
Er schlug die Bettdecke ordentlich zurück, so, wie Mama es ihm gezeigt hatte, und schlüpfte in die vor seinem schmalen Kinderbett im Wohnzimmer stehenden abgewetzten Mickey Mouse-Pantoffeln, die er mit Mama auf dem Flohmarkt gekauft hatte. Während er dem Vogelgezwitscher vor dem Fenster lauschte, tapste er noch ein wenig schlaftrunken durch die Diele mit dem alten, knarrenden Holzboden und anschließend über die kalten, grauen Küchenfliesen in das angrenzende Schlafzimmer seiner Mama.
Neben ihr räkelte sich ein Mann. Mama hatte häufig Besuch, fast jede Nacht. Viele Männer kannte er, doch diesen hatte er noch nie gesehen.
Er hätte sich gern an Mamas warmen, weichen Körper gekuschelt, den Daumen in den Mund gesteckt, obwohl er jetzt schon vier Jahre alt war, und einfach nur friedlich dagelegen, bis Mama wach wurde. Aber Mama hatte ihm verboten, zu ihr ins Bett zu kommen, wenn ein Mann bei ihr lag.
Daher schloss er leise die Schlafzimmertür, schlurfte in die Küche und kletterte auf seinen Stuhl am Tisch. Er stützte seinen Kopf in die kleinen Hände, baumelte mit den Beinchen und musterte neugierig den in Geschenkpapier gewickelten Karton mit der riesigen dunkelblauen Schleife.
Was mochte die Geburtstagsfee ihm wohl gebracht haben? Vielleicht das knallrote Feuerwehrauto, das neben der schwarzglänzenden Eisenbahn im Spielwarengeschäft stand? Oder den orangefarbenen Müllwagen, den er im Schaufenster zwischen den vielen bunten LKW entdeckt hatte, als Mama ihn dort zurückließ, während sie in das Haus mit den roten Lampen und den roten Herzchen ging.
Er hätte das Geschenk so gerne aufgemacht, doch das mochte Mama nicht. Sie wollte dabei sein, wenn er die Geschenke der Geburtstagsfee oder vom Christkind auspackte.
Neben dem Karton lag ein eckiger, in Folie geschweißter Kuchen. Er betrachtete die Verpackung, auf die das Bild eines saftigen Schokoladenkuchens gedruckt war.
Den aß er am liebsten.
Mama würde die Folie aufreißen und den Kuchen vorsichtig herausnehmen, damit er nicht bröselte, vier Kerzen hineinstecken und sie anzünden. Und vielleicht würde sie sogar ein Lied für ihn singen.
Wann sie wohl aufstand?
Manchmal las Mama ihm eine Geschichte vor. Das machte sie allerdings nicht sehr oft. Wenn er ein bisschen Glück hatte und sie gut gelaunt war, vielleicht läse sie ihm heute vor.
In den Geschichten wohnten Kinder mit ihrer Mama und ihrem Papa zusammen, manche mit einem Bruder oder einer Schwester. Und einige Kinder hatten sogar beides.
Er hatte keinen Papa, keinen Bruder und auch keine Schwester. Nur Mama und Onkel Rolf. Onkel Rolf war Mamas Bruder. Warum er mit ihnen zusammenlebte, wusste er nicht.
Er wünschte sich sehr, dass Mama vor seinem Onkel zu ihm in die Küche kam. Ohne Onkel Rolf war alles schöner.
Er mochte Onkel Rolf nicht. Wie hätte er ihn auch mögen können? Onkel Rolf war grausam und gemein.
Und er tat ihm weh.
Plötzlich lehnte Mama verschlafen im Türrahmen, verschränkte müde die Arme vor der Brust und lächelte ihn erschöpft an. Der fremde Mann schlurfte an ihr vorbei, schenkte dem Jungen ein fades Grinsen und durchquerte die Küche. Als er die Wohnungstür öffnete, knarrte diese laut. Das tat ein bisschen weh in seinen Zähnchen. Dann fiel die Tür ins Schloss.
Endlich war er allein mit Mama. Das fühlte sich gut an.
„Guten Morgen, mein kleiner Mann. Alles Gute zum Geburtstag“, sagte Mama mit ihrer rauchigen Stimme, die jetzt ganz weich klang.
Er rutschte rasch von seinem Stuhl, rannte zu ihr und umarmte sie fest.
„Nicht so stürmisch, mein Liebling. Mama hat ganz schäbige Kopfschmerzen.“
Und sie roch komisch – nach diesem roten Saft, den sie Rotwein nannte, und nach etwas, wonach sie immer roch, wenn sie mit einem der Männer in ihrem Schlafzimmer gewesen war.
Aber Mama durfte nicht merken, dass ihm das nicht gefiel. Sonst wurde sie böse. Wenn Mama böse wurde, schimpfte sie laut, raufte sich die langen, blonden Locken und schrie, dass sie ein besseres Leben verdiente und gar nicht wüsste, warum sie mit allem so bestraft würde.
Meinte sie mit allem auch ihn?
Er wollte keine Strafe für Mama sein. Er wollte, dass sie lachte und ihn in ihre warmen, weichen Arme schloss. Er wollte, dass sie liebe Sachen zu ihm sagte und ihn in ihrer Umarmung beschützte.
„Möchtest du dein Geschenk auspacken?“ fragte sie jetzt, fasste ihn an der Hand und ging mit ihm zum Tisch zurück.
Er nickte, setzte sich brav an seinen Platz und ließ wieder die Beine baumeln. Er war sehr aufgeregt.
„Zapple nicht so rum. Das macht mich ganz nervös“, sagte Mama, und ihre Stimme klang ein wenig gereizt.
Er bewegte sich nicht mehr.
„Na, dann pack mal aus. Lass sehen, was die Geburtstagsfee dir gebracht hat.“ Mama nahm den eingeschweißten Kuchen in beide Hände und riss die Folie auf. Sie stürzte den Kuchen aus der Verpackung auf das Holzbrett, das immer am Kühlschrank lehnte und steckte vier kleine Kerzen hinein. Dann nahm sie eine Schachtel Zigaretten und ein Feuerzeug aus der Tasche ihres Morgenmantels. Bevor sie die Kerzen anzündete, pickte sie sich mit ihren langen, roten Fingernägeln eine Zigarette aus der knittrigen Packung und schob sie zwischen ihre Lippen. Die Spitze der Zigarette glomm auf.
Er hasste den muffigen Gestank und den graublauen Qualm, der unangenehm in seinen Augen brannte. Aber im Moment war es ihm fast egal – denn gleich erfuhr er endlich, was in seinem Geburtstagspäckchen auf ihn wartete.
Er knibbelte ungeschickt die Schleife auf und zupfte ungeduldig mit seinen kleinen Fingern das Papier mit den lustigen Trompeten und Trommeln von dem Karton. Und dann sah er das Foto auf der Pappe. Es war das Feuerwehrauto.
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