Ute Christoph
Im Land der drei Zypressen
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Inhaltsverzeichnis
Titel Ute Christoph Im Land der drei Zypressen Dieses ebook wurde erstellt bei
Widmung Für meinen verstorbenen Vater Papa, ich vermisse Dich jeden Tag.
Prolog 23. Juli 1870 Die Morgensonne tauchte die südfranzösische Landschaft in ein unwirkliches Licht. Die Luft duftete zart nach Rosmarin, Lavendel und Wildblumen, durch die ein sanfter Wind strich. Die Grillen zirpten eindringlich und die Vögel zwitscherten ihr immer gleiches Lied. Drei Zypressen streckten sich majestätisch in den Himmel. In ihrem Schatten stand ein Haus, dessen schiefes Eingangsportal in rostigen Angeln hing. Dichter Efeu rankte an seinen Bruchsteinmauern empor und griff mit knorrigen Ästen unter das Dach. Nein, dachte der Mann, hier wohnt niemand mehr. Er schob die Tür auf, die sich knarrend öffnete, drehte sich um und blickte auf den von Rotbuchen gesäumten Weg, auf dem er hierhergekommen war. Der einst gepflegte Kies war unter den Wildkräutern kaum noch zu erkennen. Der Mann betrat das Haus. „Hallo?“ rief er laut. Niemand antwortete ihm. Seine Füße hinterließen tiefe Abdrücke auf dem staubigen Boden. Die Flügeltüren zu einem Raum links von ihm waren weit geöffnet, als wolle das Zimmer ihn begrüßen. Er schob einige kräftige Spinnweben beiseite und trat ein. Auch den hölzernen Tisch und sieben Stühle bedeckte eine dicke Staubschicht. Vor dem Kamin mit dunklen Ascheresten und verkohlten Holzstücken fand er ein Bild mit dem Portrait eines Mannes. Er hob es auf und schleuderte es in die Feuerstelle. Er stieß die Tür neben dem Kamin auf und gelangte in die Küche. Zerbrochenes Porzellan bedeckte den Boden. Mit dem Fuß trat er gegen eine henkellose Tasse. Das Geräusch hallte in der Stille laut in seinen Ohren. Der Mann durchschritt die Küche und betrat den Garten. So wild wie ich, dachte er und schlenderte zum Brunnen. Das kalte klare Wasser löschte seinen unerträglich gewordenen Durst. Er stützte sich schwer auf den Brunnenrand und sah sich zufrieden um. Die Häuser am Ende des Gartens waren efeubedeckt wie das Haus hinter ihm. Die dunkelgrünen, dickblättrigen Pflanzen rankten an den Mauern empor und steckten ihr Geäst wie Finger in Winkel, Löcher und unter die Dächer. Der Mann nickte lächelnd. Das Gut war verlassen. Hier konnte er eine Weile bleiben. Er kehrte ins Haus zurück, erreichte über eine breite, geschwungene Holztreppe das Obergeschoss und schob eine Tür auf. Der dunkelblaue Samt eines zerrissenen Baldachins floss wie in gefrorenen Wellen auf eine Matratze. Im Nebenraum stieß er auf Kinderbetten. Er schritt die weiteren Gemächer ab und staunte über das einst noble Mobiliar. Nur der modrige Geruch, die dicken Staubschichten und die rostigen Türangeln zeugten stumm davon, dass hier schon lange niemand mehr wohnte. Der Mann öffnete ein Fenster. Frische Sommerluft strömte ins Zimmer. Ja, hier konnte er eine Zeitlang bleiben.
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII.
VIII.
IX.
X.
XI.
XII.
XIII.
XIV.
XV.
XVI.
XVII.
XVIII.
XIX.
XX.
XXI.
XXII.
XXIII.
XXIV.
XXV.
XXVI.
XXVII.
XXVIII.
XXIX.
XXX.
Epilog
Impressum neobooks
Für meinen verstorbenen Vater
Papa, ich vermisse Dich jeden Tag.
23. Juli 1870
Die Morgensonne tauchte die südfranzösische Landschaft in ein unwirkliches Licht. Die Luft duftete zart nach Rosmarin, Lavendel und Wildblumen, durch die ein sanfter Wind strich. Die Grillen zirpten eindringlich und die Vögel zwitscherten ihr immer gleiches Lied. Drei Zypressen streckten sich majestätisch in den Himmel. In ihrem Schatten stand ein Haus, dessen schiefes Eingangsportal in rostigen Angeln hing. Dichter Efeu rankte an seinen Bruchsteinmauern empor und griff mit knorrigen Ästen unter das Dach. Nein, dachte der Mann, hier wohnt niemand mehr.
Er schob die Tür auf, die sich knarrend öffnete, drehte sich um und blickte auf den von Rotbuchen gesäumten Weg, auf dem er hierhergekommen war. Der einst gepflegte Kies war unter den Wildkräutern kaum noch zu erkennen.
Der Mann betrat das Haus.
„Hallo?“ rief er laut.
Niemand antwortete ihm.
Seine Füße hinterließen tiefe Abdrücke auf dem staubigen Boden.
Die Flügeltüren zu einem Raum links von ihm waren weit geöffnet, als wolle das Zimmer ihn begrüßen. Er schob einige kräftige Spinnweben beiseite und trat ein. Auch den hölzernen Tisch und sieben Stühle bedeckte eine dicke Staubschicht. Vor dem Kamin mit dunklen Ascheresten und verkohlten Holzstücken fand er ein Bild mit dem Portrait eines Mannes. Er hob es auf und schleuderte es in die Feuerstelle.
Er stieß die Tür neben dem Kamin auf und gelangte in die Küche. Zerbrochenes Porzellan bedeckte den Boden. Mit dem Fuß trat er gegen eine henkellose Tasse. Das Geräusch hallte in der Stille laut in seinen Ohren.
Der Mann durchschritt die Küche und betrat den Garten.
So wild wie ich, dachte er und schlenderte zum Brunnen. Das kalte klare Wasser löschte seinen unerträglich gewordenen Durst.
Er stützte sich schwer auf den Brunnenrand und sah sich zufrieden um. Die Häuser am Ende des Gartens waren efeubedeckt wie das Haus hinter ihm. Die dunkelgrünen, dickblättrigen Pflanzen rankten an den Mauern empor und steckten ihr Geäst wie Finger in Winkel, Löcher und unter die Dächer.
Der Mann nickte lächelnd. Das Gut war verlassen. Hier konnte er eine Weile bleiben.
Er kehrte ins Haus zurück, erreichte über eine breite, geschwungene Holztreppe das Obergeschoss und schob eine Tür auf. Der dunkelblaue Samt eines zerrissenen Baldachins floss wie in gefrorenen Wellen auf eine Matratze. Im Nebenraum stieß er auf Kinderbetten. Er schritt die weiteren Gemächer ab und staunte über das einst noble Mobiliar. Nur der modrige Geruch, die dicken Staubschichten und die rostigen Türangeln zeugten stumm davon, dass hier schon lange niemand mehr wohnte.
Der Mann öffnete ein Fenster. Frische Sommerluft strömte ins Zimmer.
Ja, hier konnte er eine Zeitlang bleiben.
Bonn, 28. April 1997
Auf dem kleinen Besucherparkplatz vor dem beeindruckenden Verlagsgebäude parkten unzählige Autos. Helles, dunkles und buntes Blech reihte sich endlos aneinander. Keine einzige Lücke war frei. Entnervt warf ich einen Blick auf meine Armbanduhr. Viertel nach vier – ich war schon fünfzehn Minuten zu spät. Von dem brasilianischen Staatsgast, der mit seinem Konvoi einen grässlichen Stau verursachte, hatte ich erst auf der Fahrt zum Verlag durch die Nachrichten im Autoradio erfahren. Wo wurde ich jetzt bloß auf die Schnelle meinen Wagen los?
Trotz des leichten Kostüms, das ich trug, schwitzte ich. Kleine Schweißtropfen lösten sich unter dem Haar in meinem Nacken.
Ich wendete, fuhr auf den gegenüberliegenden Parkplatz und fand zwischen zwei großen, Respekt einflößenden Limousinen eine Lücke für meinen kleinen Golf. Ich zog den Zündschlüssel ab, wunderte mich kurz, dass er in der Hektik nicht abbrach, raffte die Unterlagen auf dem Beifahrersitz zusammen und hastete zum Haupteingang des Gebäudes.
Vor der Pförtnerloge im Foyer holte ich tief Luft. Mein Herz schlug bis zum Hals und ich hoffte, der Mann in dem Glaskasten würde es nicht bemerken. Er sah langsam auf, sehr langsam.
„Ich habe einen Termin bei Herrn Dr. Wagner“, stammelte ich außer Atem. „Vorher müsste ich allerdings noch kurz mit Herrn Bergmann sprechen. Tim Bergmann.“
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