Ute Kiefer
China verstehen
Weil jede Reise mit dem ersten Schritt beginnt
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Inhaltsverzeichnis
Titel Ute Kiefer China verstehen Weil jede Reise mit dem ersten Schritt beginnt Dieses ebook wurde erstellt bei
Einstimmung und Ausblick
Spannung und Glitzer
Harmonie und Struktur
Zeichen und Zahlen
Mauern und Öffnungen
Kaiser und Kulturen
Wasser und Feuer
Denken, Wissen und Macht
Anhang: Register
Impressum neobooks
„ Eine Reise von 1000 Meilen beginnt mit dem ersten Schritt.“ (Laozi)- nur wohin und wie? Ein Plädoyer für China als Pauschalreise
Chinesen waren immer schon sehr kreativ und erfinderisch: Das Papier (100 n. Chr.), die Kunst des Druckens (800 n. Chr.), das Schießpulver und der Kompass (beides ca. 1000 n. Chr.) kommen von dorther; auch das Porzellan, der Geldschein und ja, sogar das Klopapier sind chinesische Entwicklungen. Die Schubkarre und viele andere Utensilien, die uns in unserem Alltag begleiten, aber auch technisches Wissen wie der Seismograf (130 n. Chr.) und gastronomische Spezialitäten wie die Nudel, die 4000 Jahre alt sein und erst Marco Polo nach Italien mitgebracht haben soll, wurden wohl erstmals in China kreiert.
Die Pauschalreise dagegen ist, man möchte fast sagen erstaunlicherweise, offenbar keine chinesische Erfindung. Sie wird vielmehr dem Briten Thomas Cook zugeschrieben, der 1841 für 500 Teilnehmer die erste organisierte Zugreise bei Tee, Schinkenbrot und mit musikalischer Untermalung durch eine Blaskapelle anbot und dabei, gewissermaßen als Antithese zu den Ballermann-Reisen späterer Tage, ein Treffen für Abstinenzler in der Nachbarstadt zum Ziel gehabt haben soll. Bald schon ging es mit Cooks legendären Nilkreuzfahrten und Weltreisen dann aber auch in die weite Ferne und bemerkenswerterweise gab es offenbar auch bei diesen frühen Touren bereits eine Spielart des modernen Handtuchkrieges à la Malle. Jedenfalls waren es damals an Bord der Kreuzfahrtschiffe auch schon meist Deutsche, die sich die besten Liegestühle sicherten und die englischen Damen, so eine häufige Beschwerde aus jenen Tagen, wurden von den ‚lärmenden Teutonen‘ unter Deck verdrängt.
Bei Kreuzfahrten auf dem Yangtze dagegen und überhaupt bei Reisen durch China, so viel sei zur Beruhigung vorab gesagt, stellt sich das Problem, ein Platz in der Sonne in Form eines guten Liegestuhls auf dem Oberdeck zu ergattern eher nicht und das trotz der enormen Anzahl an Touristen an Bord. Schließlich kommt die ganz überwiegende Mehrheit der Reisenden dort aus China selbst und die scheuen die Sonne wie der Teufel das Weihwasser. Das hat vor allem ästhetische, weniger gesundheitliche Gründe, denn schön ist in chinesischen Augen, wer eine möglichst helle Haut hat. Die lässt schließlich auch vermuten, dass man im Wohlstand lebt, was in der Geldgesellschaft China gleich noch einmal ungleich attraktiver macht, denn die vornehme Blässe zeigt, dass man nicht draußen in der Sonne schuften muss. So versucht sich quasi jeder penibel vor der Sonne zu schützen, zumindest mit Hut und Sonnenschirm, oft auch noch mit Gesichtsmaske, Handschuhen und Armschützern, die nicht nur aussehen, sondern sich auch anfühlen wie über die Arme gestülpte Kompressionsstrümpfe, und gefährlicherweise wird für die angesagte Blässe bisweilen sogar mit Quecksilbercremes nachgeholfen. Laut WHO sollen in China jedenfalls etwa 40 Prozent der Frauen regelmäßig Skin-Bleaching-Proudkte verwenden.
Mit Cook pauschal zu reisen war seinerzeit außerordentlich schick und so verwundert es nicht, dass selbst Kaiser Wilhelm II damals einen ganzen Staatsbesuch bei dem britischen Pauschalreiserfinder buchte. Für mich war der Gedanke an eine Pauschalreise dagegen bisher eher wenig attraktiv und ich konnte es mir zuerst nicht vorstellen, die ganze Zeit hinter einem Fähnchen winkenden Reiseleiter herzurennen und wie ein Schulmädchen auf Klassenfahrt auf dessen Ansagen und Zeitvorgaben parieren zu müssen. Aber ich wollte es ausprobieren, denn bei der Vorbereitung der Reise wurde mir schnell klar, China ist auf eigene Faust nicht ganz einfach zu handhaben, erfordert jedenfalls viel Planung und auch viel Festlegung vorab; schließlich muss man bei der Beantragung des Visums schon die Flugtickets samt einem detaillierten Plan des Reiseverlaufs, möglichst mit allen schon getätigten Hotelbuchungen vorlegen können. Da bliebe dann, so schien es mir, auch als Individualreisender wenig Raum für Spontanes und so wollte ich es einmal ausprobieren, mich bequem durch das Reich der Mitte führen lassen. Vorsichtshalber hatte ich mich für einen Veranstalter entschieden, der kleine Gruppen mit maximal lediglich bis zu zwölf Teilnehmern versprach und bei dem man individuell weitere Ziele, wie Tibet oder Hongkong, hinzubuchen konnte. Mir persönlich sollte die Reise nicht zuletzt auch als Orientierung und Entscheidungshilfe dienen, ob ich noch einmal eine längere in China leben und arbeiten wollte. Der Reiseleiter, der mir das Land auf meiner ersten Chinareise näherbrachte, war übrigens Herr Chen, und damit schon was den Namen angeht ein typischer Chinese also, das passte. Damit teilte er sich nämlich mit vierzig Prozent aller Chinesen einen der zehn häufigsten Nachnamen. Wenn Ihr Reiseleiter also nicht auch Chen heißt, dann vielleicht Li, Wang, Zhang, Zhao, Yang, Wu, Liu, Huang, Zhou. Der Nachname wird dabei übrigens, etwa auf Visitenkarten, normalerweise zuerst genannt. Bei Vornamen dagegen sind Chinesen oft umso kreativer und blumiger. Namen sollen verheißungsvoll sein und das gilt oft auch für die Bezeichnung von Sehenswürdigkeiten und markanten Orten in der Natur, die nicht nur hier am Yangtze so beschwörend wohl klingende Namen wie Jadesiegelberg, Drachentorschlucht, Feengipfel und Zauberberg tragen.
Dass die Erfindung der Pauschalreise als solche jedoch nicht aus China kommt, liegt alles in allem doch wohl nur an einem Versehen der Geschichte, denn bei genauerem Hinsehen wäre China eigentlich für die Entwicklung der Idee des pauschalen Reisens in großer Gruppe prädestiniert gewesen. Gruppenbezogenheit, Konformität und die Liebe zum Programm sind, wie man auf einer Reise durch das Land spürt, unter den Menschen in China offensichtlich sehr ausgeprägt. Auch das kann man vielleicht besonders gut bei einer Schifffahrt auf dem Yangtze erfahren, wo einen schon am Morgen ein Appell weckt und zum Frühstück ruft und am Ende des Tages zur Abendunterhaltung bittet, die übrigens mit einem sehr chinesischem Programm samt Moderator, Talentshow, Karaoke und Plastikhänden zum Applaudieren vonstattengeht und offensichtlich vom chinesischen Publikum in vollen Zügen genossen wird. Aber auch hat historisch gesehen wohl kein anderes Land der Welt eine so lange Erfahrung mit zentraler Organisation bzw. einem zentralistischen Verwaltungssystem und der Vereinheitlichung von Systemen wie Maßen, Münzen und Schrift. Begründet hat dies schon Quin Shihuang,der erste Kaiser der Qin-Dynastie (221 - 207 v. Chr.), aus dessen Name sich im Westen auch die Bezeichnung für das Land, China, herleitet. China wurde aber auch als ‚das Reich der Mitte‘ bezeichnet, (worauf ich in Kapitel 6 eingehen möchten) und gilt gemeinhin als das Land, dessen Bewohner vermeintlich ‚gelb‘ sind. Dem ist natürlich nicht so, dennoch sind sich Chinesen, wie Nicht-Chinesen in dieser Betrachtung seltsam einig. Die Farbe Gelb, die bei uns in Europa sprichwörtlich ja eher keinen so guten Ruf hat, was daran liegen mag, dass sie hierzulande im Mittelalter anzeigte, dass in einer Gegend die Pest wütete und entsprechend auch heute noch gern bei Warnschildern gebraucht wird, ist in China, neben Rot, der Farbe des Glücks, die Farbe des Landes als kulturelle Identität. Gelb (huang) war in früheren Zeiten dem Kaiser vorbehalten, nur er durfte gelbe Kleidung anlegen und ausschließlich seinen hohen Beamten war das Tragen von Rot erlaubt. Das mag an
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