1. H könnte gegen F einen Schadensersatzanspruch aus § 678 (Übernahmeverschulden)haben, wenn F als unberechtigterGeschäftsführer ohne Auftrag für H gehandelt hat. Mit dem Fahren des Pkw führte F objektiv und subjektiv ein fremdes Geschäft. Der Fremdgeschäftsführungswille wird nach h.M. vermutet. Die Geschäftsführung erfolgte auch ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung. Es liegt kein Gefälligkeitsverhältnis zwischen F und H vor, da es an der erforderlichen Einigung zwischen beiden fehlt.
Die Geschäftsführung müsste dem Interesseund dem Willendes H widersprochen haben. Auf den wirklichen Willen des H kann es aufgrund seiner völligen Trunkenheit nicht ankommen (§ 105 Abs. 2 analog). Es ist daher auf seinen mutmaßlichen Willen abzustellen. Hierbei kommt es auf das objektive Interesse des H an. Da F bei der Fahrt einen Blutalkoholgehalt von 1,5 Promille hatte und damit absolut fahruntüchtig war, entsprach es nicht dem mutmaßlichen Willen des H, von ihm gefahren zu werden[16]. Es liegt eine unberechtigte GoA vor.
Des Weiteren setzt der Schadensersatzanspruch aus § 678 voraus, dass F schuldhaftnicht erkannt hat, dass die Übernahme der Geschäftsführung dem (mutmaßlichen) Willen des H widersprach. Grundsätzlich schadet schon die leicht fahrlässige Übernahme einer unberechtigten GoA (§ 276). Allerdings wollte F hier vom Geschäftsherrn H eine drohende dringende Gefahr abwenden, da dieser in völlig betrunkenem Zustand fahren wollte. Es kommt deshalb die Haftungsmilderung des § 680in Betracht[17]. Fraglich ist also, ob F mit dem Fahren die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in grobem Maß missachtet hat. Wer im Straßenverkehr ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses von Alkohol nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, handelt idR. grob fahrlässig.
Hier könnten jedoch besondere Umstände vorliegen, die zumindest den Vorwurf der grobenFahrlässigkeit entkräften. F war in der konkreten Situation gezwungen, schnell zu handeln, er wurde von den Umstehenden gedrängt und zudem war die abzuwendende Gefahr ungewöhnlich groß (Gefährdung von Leib und Leben des H und anderer Verkehrsteilnehmer). Andere Maßnahmen hätten zur Anwendung von Gewalt geführt (Schlüsselwegnahme) oder zu gefährlichen Verzögerungen (Anruf bei der Polizei). In dieser Situation hat es F zwar an einer sorgfältigen Prüfung seiner eigenen Fahruntüchtigkeit fehlen lassen, wegen der eben genannten besonderen Umstände der Geschäftsübernahme liegt hierin aber keine grobe Missachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. H kann daher mangels (Übernahme-)Verschuldens des F keinen Schadensersatz nach § 678 verlangen[18].
2. H könnte gegen F einen Anspruch aus §§ 677, 280 Abs. 1haben (Ausführungsverschulden). Voraussetzung ist, dass § 677 anwendbarist. Grundsätzlich findet § 677 bei der unberechtigten GoA keine Anwendung[19]. Ausnahmsweise soll nach einer Ansicht im Schrifttum eine Haftung aus §§ 677, 280 Abs. 1 zu bejahen sein. Aufgrund eines Erst-Recht-Schlusses soll eine Haftung des unberechtigten Geschäftsführers über § 678 hinaus bei fehlender Kenntnis oder bei fahrlässiger Unkenntnis von der fehlenden Übernahmeberechtigung gegeben sein[20]. Der unberechtigte Geschäftsführer soll nicht besser stehen als der berechtigte. Diese Meinung ist jedoch mit der h.M. abzulehnen, da mangels Vorliegens der Voraussetzungen der berechtigten GoA gerade das an das Auftragsrecht angelehnte Schuldverhältnis nicht entsteht. Damit scheidet eine Haftung nach §§ 677, 280 Abs. 1 aus.
Folgt man der Mindermeinung, ist Voraussetzung, dass der Geschäftsführer das Geschäft schuldhaft nicht so geführt hat, wie es das Interesse des Geschäftsherrn mit Rücksicht auf dessen wirklichen oder mutmaßlichen Willen erfordert. Im vorliegenden Fall ist ein Ausführungsverschulden aus den gleichen Gründen zu verneinen, die bereits gegen ein grobes Verschulden bei Übernahme der Geschäftsführung sprachen[21]. Danach scheidet auch nach dieser Ansicht ein Anspruch des H gegen F auf Schadensersatz gemäß §§ 677, 280 Abs. 1 (mangels Verschuldens des F) aus.
3. H könnte gegen F einen Anspruch aus § 823 Abs. 1haben. Das Eigentum des H wurde von F kausal verletzt. Die Rechtswidrigkeit ist indiziert. Allerdings ist in Bezug auf das Verschulden auch hier § 680 zu beachten[22], sodass eine Haftung nach § 823 Abs. 1 ausscheidet.
§ 7 Die unechte GoA
I. Irrtümliche Eigengeschäftsführung, § 687 Abs. 1
113
Bei der irrtümlichen Eigengeschäftsführung liegt zwar zumeist ein objektiv fremdes Geschäft vor, es fehlt jedoch am Fremdgeschäftsführungswillen. Dieser setzt nämlich das Bewusstsein voraus, ein Geschäft für einen anderen zu führen. Ansprüche aus GoA scheiden damit hier aus, das stellt § 687 Abs. 1 klar (keine Anspruchsgrundlage!). Es entsteht kein Schuldverhältnis[1]. Damit ist auch eine Genehmigung durch den „Geschäftsherrn“ nicht möglich, d.h. eine solche kann die Anwendbarkeit der §§ 677 ff. nicht begründen[2]. Der Ausgleich zwischen den Parteien erfolgt nach den allgemeinen Vorschriften, d.h. nach den §§ 987 ff., 812 ff., 823 ff.[3].
II. Angemaßte Eigengeschäftsführung, § 687 Abs. 2
Übungsfall:
Steinbeck/Block , Vermietung eines fremden Pkw und die Folgen, JURA 2011, 943 ff.; Lorz , Playboy und Profifußballer – Prominente im Fokus der Presse, JURA 2014, 426 ff.
114
Prüfungsschema § 687 Abs. 2 S. 1 (Anspruch GH gegen GF)
I. |
Voraussetzungen1. Fremdes Geschäft des GF a) Geschäft des GF (weite Auslegung) b) Geschäftsfähigkeit (§ 682) c) Fremdheit des Geschäfts 2. Bewusster Eigengeschäftsführungswille |
II. |
RechtsfolgeWahlrecht des GH nach § 687 Abs. 2 1. Ausgleich nach allg. Vorschriften (§§ 812 ff., 823 ff., 987 ff.) oder 2. § 678 (Schadensersatz), §§ 681 S. 2, 667 (Herausgabe des Erlangten), §§ 681 S. 2, 666 (Auskunft/Rechenschaft), §§ 681 S. 2, 668 (Verzinsung) |
115
Führt jemand ein fremdes Geschäft trotz Kenntnis der Fremdheit als eigenes, ohne dazu berechtigt zu sein, liegt angemaßte Eigengeschäftsführung i.S. des § 687 Abs. 2 vor (auch unerlaubte Eigengeschäftsführung oder Geschäftsanmaßung genannt[4]). Weil ein Fremdgeschäftsführungswille fehlt, handelt es sich nicht um eine (echte) GoA. § 687 Abs. 2 stellt eine Sonderregelung zu den Vorschriften des Delikts- und Bereicherungsrechts dar. Danach haftet derjenige verschärft, der bewusst und in eigennütziger Absicht fremde Angelegenheiten wahrnimmt.
116
Auch wenn bei angemaßter Eigengeschäftsführung keine GoA vorliegt, können daneben aufgrund von § 687 Abs. 2 die Regeln der GoA, d.h. die §§ 677, 678, 681, 682, anwendbar sein. Der Geschäftsherr hat insofern ein Wahlrecht(§ 687 Abs. 2 S. 1: „kann“), ob er Ansprüche aus den allgemeinen Vorschriften (§§ 812 ff., §§ 823 ff. und §§ 987 ff.) oder aus GoA geltend machen will. Wählt der Geschäftsherr ein Vorgehen nach den allgemeinen Regeln, ist er dem Geschäftsführer nicht zum Aufwendungsersatz gemäß § 687 Abs. 2 S. 2 verpflichtet.
117
Wählt der Geschäftsherr dagegen ein Vorgehen nach den Regeln der GoA, hat er den Vorteil, dass § 678 (Zufallshaftung) Anwendung findet und ein Anspruch auf Herausgabe des Erlöses bzw. Verletzergewinns (§§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2, 667)besteht. Voraussetzung für den Herausgabeanspruch ist, dass objektiv ein fremdes Geschäft geführt wird, obwohl der Geschäftsführer subjektiv ein eigenes Geschäft besorgen will. Ein bloß neutrales Geschäft genügt nicht. Liegt ein neutrales Geschäft vor, das mit Eigengeschäftsführungswillen getätigt wird, handelt es sich schlicht um die Führung eines (erlaubten) eigenen Geschäfts.
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