Die Verpflichtung, Amtshilfe zu leisten, besteht allgemein aufgrund Art. 35 GG, Art. 35 Abs. 3 VerfBW und für die gefahrenabwehrende Tätigkeit der Polizei (also nicht bei der Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, vgl. §§ 1, 2 Abs. 2 Nr. 2 LVwVfG) aufgrund der §§ 4–8 LVwVfG oder aufgrund spezieller Rechtsvorschriften. Werden anlässlich der Amtshilfe personenbezogene Daten übermittelt (Informationshilfe)sind vor allem die Vorschriften über die Datenübermittlung (§§ 59 ff.) zu beachten. Amtshilfe für die Nachrichtendienste(Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst, Militärischer Abschirmdienst) ist insofern eingeschränkt, als die Polizei nicht um solche Maßnahmen ersucht werden darf, zu denen diese selbst nicht befugt ist (§ 5 Abs. 3 LVSG, § 8 Abs. 3 BVerfSchG; § 2 Abs. 3 BNDG, § 4 Abs. 2 MADG).
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Die Verantwortungfür die Rechtmäßigkeit der Maßnahme, für die die Polizei Amtshilfe leistet, trägt die ersuchende Behörde. Dagegen ist die Polizei für die Rechtmäßigkeit der Durchführung der Amtshilfe verantwortlich (§ 7 Abs. 2 LVwVfG), wobei jede Stelle das für sie geltende Recht anwendet (§ 7 Abs. 1 LVwVfG). Dementsprechend gilt für den Rechtsschutz: Begehrt der Bürger die Aufhebung von Maßnahmen der ersuchenden Behörde, muss er seine Rechtsbehelfe gegen diese richten. Rügt er Art und Weise der Durchführung der Amtshilfe, ist der jeweilige Träger der Polizei Klagegegner.
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KeineAmtshilfe liegt vor, wenn Behörden innerhalbeines bestehenden WeisungsverhältnissesHilfe leisten (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 LVwVfG). Dazu zählen z. B. Amtshandlungen einer nachgeordneten für eine übergeordnete Polizeidienststelle bzw. Polizeibehörde wie auch solche von Polizeidienststellen für allgemeine Polizeibehörden (vgl. § 119).
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Amtshilfe liegt auch dann nichtvor, wenn die Hilfeleistung in Handlungen besteht, die der ersuchten Behörde als eigene Aufgabeobliegen (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 LVwVfG). Hierzu gehört vor allem die Vollzugshilfedes Polizeivollzugsdienstes aufgrund allgemeiner (§ 105 Abs. 5) oder besonderer Vorschriften (z. B. § 7 LVwVG, § 44 Abs. 2–4 WPflG, § 23 a ZDG, §§ 287 Abs. 3, 288 AO, §§ 758 Abs. 3, 759 ZPO, §§ 892 a i. V. m. 758 Abs. 3 und 759 ZPO, § 26 Abs. 2 LKJHG), aber auch das Handeln bei Gefahr im Verzug(z. B. §§ 2 Abs. 1, 112, 113 Abs. 2), zumal in diesen letztgenannten Fällen auch nicht auf Ersuchen gehandelt wird.
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Über die Verpflichtung zur Amtshilfe hinaus geht die gegenseitige Unterstützungspflicht aller Polizeidienststellen(§ 8 Abs. 1 DVO PolG), weil sie kein Ersuchen voraussetzt. Vielmehr haben sich die Polizeidienststellen von sich aus von allen Wahrnehmungen zu unterrichten.
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Zur großen Zahl anderer sonstiger Aufgaben vgl. die Erläuterungen zur Zuständigkeit der Kreis-und Ortspolizeibehörden(§ 111, RN 8) und zur Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes(§ 105, RN 4 ff.).
§ 2 Tätigwerden für andere Stellen
(1) 1Ist zur Wahrnehmung einer polizeilichen Aufgabe im Sinne des § 1 Abs. 1 nach gesetzlicher Vorschrift eine andere Stelle zuständig und erscheint deren rechtzeitiges Tätigwerden bei Gefahr im Verzug nicht erreichbar, so hat die Polizei die notwendigen vorläufigen Maßnahmen zu treffen. 2Die zuständige Stelle ist unverzüglich zu unterrichten.
(2) Der Schutz privater Rechte obliegt der Polizei nach diesem Gesetz nur auf Antrag des Berechtigten und nur dann, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und wenn ohne polizeiliche Hilfe die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert wird.
Literatur: Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten im allgemeinen Polizeirecht, 1987; Krüger, Privatrechtsschutz als Polizeiaufgabe, 1976; Martens, Der Schutz des einzelnen im Polizei- und Ordnungsrecht, DÖV 1976, 457; Schoch, Der Schutz privater Rechte im Polizei- und Ordnungsrecht, Jura 2013, 468; Stephan, Die Zuständigkeitsverteilung im Bereich der Polizei in Baden-Württemberg, BWVPr. 1986, 145.
Inhaltsübersicht
1. Subsidiäre Zuständigkeiten
2. Tätigwerden für andere Verwaltungsstellen (Abs. 1)
3. Tätigwerden zum Schutz privater Rechte (Abs. 2)
1. Subsidiäre Zuständigkeiten
1
Der Polizei ist ein Handeln verwehrt, wenn andere Stellen mit der Aufgabe der Gefahrenabwehr betraut sind. Können diese jedoch nicht oder nicht rechtzeitig tätig werden, ist die Polizei unter den Voraussetzungen des § 2 subsidiärzur vorläufigen Gefahrenabwehrbefugt. Darin zeigt sich ein weiteres Merkmal des Rechts der Gefahrenabwehr, das auch an anderen Stellen (§§ 112 Abs. 1, 2; 122 Abs. 2, 3) sichtbar wird: Gefahrenabwehr soll nicht unterbleiben müssen, weil die zuständige Stelle verhindert ist.
2
§ 2 begründet eine subsidiäre Not- oder Eilzuständigkeit der Polizeischlechthin. Ob im Einzelfall eine Zuständigkeit der Polizeibehörden oder des Polizeivollzugsdienstes gegeben ist und welche Behörde bzw. Dienststelle handeln darf, bestimmt sich nach den allgemeinen Zuständigkeitsregeln(§§ 105, 111 ff., 120 ff.). Häufig wird der Polizeivollzugsdienst zuständig sein, weil ein sofortiges Tätigwerden geboten ist.
2. Tätigwerden für andere Verwaltungsstellen (Abs. 1)
3
Abs. 1 begründet eine Eilzuständigkeit der Polizei für andere Stellen bei Gefahr in Verzug.
4
Voraussetzung ist, dass eine andere Stellenach gesetzlicher Vorschrift mit der Aufgabe der Gefahrenabwehr (§ 1 Abs. 1) betraut ist. Andere Stellen sind nichtpolizeiliche öffentlicheStellen, d. h. solche, die nur in geringem Umfang polizeiliche Aufgaben wahrnehmen oder die zwar auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr tätig, jedoch institutionell von der Polizei getrennt sind. Dazu zählen z. B. die Feuerwehr(vgl. §§ 1 Abs. 1 Satz 2; 2 Abs. 1 FwG), die Jugendämter(vgl. JuSchG, SGB VIII, § 26 LKJHG) und Beliehene auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr(vgl. z. B. § 29 Abs. 3 LuftVG, § 106 SeemannsG, § 50 FischG, §§ 29, 30 LJagdG). Auch das Landesamt für Verfassungsschutzist eine andere Stelle (vgl. § 2 Abs. 2 LVSG). Zu beachten ist aber, dass diesem Amt keine polizeilichen Befugnisse zustehen (§ 5 Abs. 3 LVSG). Deshalb darf die Polizei im Eilfall auch keine Maßnahmen aufgrund des Polizeigesetzes treffen, zu denen das Amt selbst nicht befugt ist.
5
Polizeibehördenund -dienststellendes Bundessind auch andere Stellen i. S. des Abs. 1. Dennoch ist eine Eilzuständigkeit nach Abs. 1 für den Polizeivollzugsdienstdes Landes ausgeschlossen, weil die insoweit abschließende Regelung des § 124 für sein Tätigwerden im Zuständigkeitsbereich des Bundes eine ausdrückliche bundesrechtliche Grundlage (z. B. § 64 BPolG) voraussetzt. Gleiches gilt für die Nachrichtendienstedes Bundes (Bundesamt für Verfassungsschutz, MAD und Bundesnachrichtendienst). Die in § 124 nicht genannten Polizeibehördendürfen nur aufgrund einer Vorschrift des Bundesrechts im Zuständigkeitsbereich des Bundes handeln.
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