Verzweifelt lachte Suzie auf.
„Ich schlafe auf dem Sofa.“ Er zwinkerte ihr zu. „Es sei denn, du hast Angst, dass dich jemand nachts aus dem Bett entführen könnte. Dann werde ich neben dir schlafen müssen.“
„Sehr witzig“, brachte sie matt hervor.
„Du solltest dein Gesicht sehen“, feixte Rob. „So schlimm bin ich auch nicht.“
„Ich dachte, du hättest Leute, die solche Jobs erledigen?“
„Habe ich auch. Aber Pierre ist mein bester Freund. Also kriegt er auch den Besten. Das bin nun mal ich.“
„Aber ich will das nicht.“
Jetzt schaltete Pierre sich ein. „Suzanna Henriette Malcom! Kannst du mir mal verraten, warum du dich so anstellst? Du hast doch im Moment keinen Freund, den Robs Anwesenheit stören könnte.“
Danke, Bruderherz. Das ist gar nicht peinlich. „Aber Rob hat ein Privatleben“, versuchte sie sich herauszureden. „Ich bin sicher, dass Mira nicht begeistert sein wird, wenn er bei einer anderen Frau einzieht.“ Ich an ihrer Stelle wäre es jedenfalls nicht.
„Er zieht ja nur bei dir ein, nicht bei irgendeiner Frau. Das wird sie schon verstehen.“
Nur? „Bin ich etwa keine Frau?“ Empört verschränkte sie die Arme vor der Brust und funkelte ihren Bruder böse an.
„Doch, durchaus“, ruderte Pierre zurück, der merkte, dass er zu weit gegangen war. „Aber ihr kennt euch schon ewig. Rob macht das als Freundschaftsdienst.“
„Trotzdem möchte ich das nicht.“ Das überstehe ich nicht. Auf unbestimmte Zeit mit Rob zusammenwohnen. Danach kann ich nur noch ins Kloster gehen.
„Trotzdem zieht er ein.“ Pierre konnte genauso stur sein wie seine Schwester. „Jemand hat versucht, dein Auto von der Straße zu drängen. Du bist in ernster Gefahr. Damit ist die Diskussion beendet. Ich fühle mich sicherer, wenn ich im Ausland bin und Rob bei dir ist.“
„Ich bin fünfundzwanzig Jahre alt“, widersprach sie ihm dennoch. „Brauche ich echt noch einen Babysitter?“
„Ich verspreche auch, dir die Windeln zu wechseln, wenn nötig“, mischte Rob sich grinsend ein.
Suzie zeigte ihm den Mittelfinger und stürzte wütend aus dem Wohnzimmer.
Kopfschüttelnd blickte Pierre ihr hinterher. „Es tut mir leid. Ich weiß nicht, was in sie gefahren ist. Sie ist normaler Weise wesentlich vernünftiger.“
Rob winkte ab. „Ich erlebe so etwas dauernd. Ein Bodyguard ist nun mal ein Störfaktor. Man hat ein Leben, und plötzlich muss man sich einschränken, weil da jemand ist, der ständig bei einem ist, aber nicht zur Familie gehört.“
„Du gehörst zur Familie“, protestierte Pierre.
„Nein, Pierre. Ich bin dein Freund. Suzie habe ich eine Ewigkeit nicht mehr gesehen. Lass ihr einen Augenblick. Wir kommen schon klar.“
„Ich hoffe.“ Pierre klang traurig. „Ich darf sie auf keinen Fall verlieren. Sie ist alles, was ich habe.“
„Du wirst sie nicht verlieren. Ich passe auf sie auf, und meine Leute finden den Briefeschreiber.“
„Versprich mir, dass ihr nichts passiert.“
„Ich verspreche es dir!“
„Ich kann die Reise auch absagen. Nichts ist soviel Geld wert wie Suzies Leben.“
„Genau deswegen hast du mich angerufen. Erledige du deine Geschäfte. Ich habe alles im Griff.“
Draußen vom Flur drang plötzlich Lärm zu ihnen. Pierre öffnete die Tür. Suzie stand vor der Wohnungstür, während Sinclair ihr den Weg verstellte und ihr deutlich machte, dass sie ohne den Chef nirgendwo hin gehen würde.
Empört wirbelte sie herum und blickte in das amüsierte Gesicht von Rob. „Was soll das?“, verlangte sie zu wissen. „Ich bin kein Kleinkind und durchaus in der Lage, alleine den Weg nach Hause zu finden.“
„Das bezweifelt niemand. Aber schaffst du es auch nach Hause, ohne dich umbringen oder entführen zu lassen?“
Suzie öffnete den Mund, um Rob eine passende Antwort zu geben, schloss ihn aber wieder. Er hatte Recht. „Ich wusste nicht, dass du direkt bei mir einziehen wirst“, versuchte sie, ihre Würde wenigstens ein wenig zu retten.
„Auch ich hatte gedacht, ich könne noch ein wenig mit Pierre plaudern, aber anscheinend hast du es eilig. Also mein Lieber“, wandte er sich an seinen Freund, „mach dir keine Gedanken. Höchstens um mich. Deine Schwester ist ein wenig kratzbürstig.“
Empört schnappte Suzie nach Luft.
Rob zwinkerte Pierre zu. „Ich krieg sie schon in den Griff. Kümmere du dich um deine Geschäfte.“
„Mach ich. Suzie, ruf mich bitte regelmäßig an.“
„Wenn ich dir das hier verziehen habe, werde ich mich melden“, raunte sie wütend.
Pierre zog sie in seine Arme. „Ich habe dich lieb, Kleines. Pass auf dich auf!“
Wiederstrebend gab sie Pierre einen Kuss auf die Wange. „Ich rufe dich heute Abend an“, gab sie nach.
Dann verließ sie mit Rob an ihrer Seite die Wohnung.
Rob parkte das Auto in der Tiefgarage. Er stieg aus und öffnete dann Suzie die Tür. Galant reichte er ihr die Hand, die sie ignorierte, wie sie ihn schon die ganze Fahrt über ignoriert hatte. Er schmunzelte. Das würde anstrengend, aber auch interessant werden. Seine Augen suchten systematisch die Parkgarage ab, während sie zum Fahrstuhl gingen. Dort angekommen, drückte Suzie auf den obersten Knopf. Penthouse.
Rob legte ihr die Hand auf den Arm, als sie oben angekommen waren und Suzie Anstalten machte, die Schlüssel in die Wohnungstür zu stecken. „Lass mich bitte aufschließen. Ich gehe zuerst rein. Wenn alles okay ist, rufe ich dich.“
Suzie reichte ihm schweigend ihre Schlüssel. Langsam wurde ihr bewusst, dass sie wirklich in Gefahr schwebte. Insofern war es vielleicht tatsächlich keine schlechte Idee, dass Rob bei ihr wohnte. Aber für ihren Seelenfrieden war es definitiv keine gute Idee.
„Du kannst kommen“, hörte sie ihn wenig später rufen.
Suzie betrat ihre Wohnung. Rob stand mitten in der Wohnküche und sah sich um.
„Du hast wirklich ein schickes Appartement.“
„Danke. Ich gehe lernen.“ Mit diesen Worten ließ sie Rob stehen und verschwand in ihrem Büro.
Rob blickte ihr verdutzt hinterher.
Suzie lehnte sich erschöpft gegen die geschlossene Tür. Das würde eine verdammt harte Zeit werden.
Rob beschloss, Suzie eine Weile allein zu lassen und schlenderte durch die Wohnung. Jetzt nahm er sich die Zeit, alles genau zu betrachten. Sobald man das Penthouse betreten hatte, stand man direkt in der offenen Wohnküche mit anschließendem Wohnzimmer. Die Küche war modern eingerichtet und penible sauber. Es gab sogar einen Kaffeevollautomaten. Das Wohnzimmer wurde beherrscht von einer riesigen Fensterfront, die sich über die komplette Seite zog. Er hatte einen Wahnsinnsausblick auf Wiesbaden. Leider musste er die Vorhänge zuziehen, da die große Glasfront für jeden eventuell vorhandenen Scharfschützen einen perfekten Einblick auf die Zielperson gab. Die Einrichtung des Appartement war ganz in creme gehalten. Es gab eine Ledercouch, zwei Sessel und eine passende Polsterbank. Der Boden bestand aus hellen, massiven Holzbohlen. Unter der Couch lag ein cremefarbener Teppich, Ton in Ton mit der Ledercouch. Rechts von der Küche führte ein Flur in den hinteren Teil der Wohnung, von dem vier Türen abgingen. Die eine Tür führte in das Badezimmer. Dieses wurde von einer altmodischen Badewanne, die mitten im Raum auf vier Klumpfüßen stand, beherrscht. Auch das Bad war wie das Wohnzimmer komplett in Creme gehalten. Es gab zusätzlich zur Badewanne noch eine Dusche. Rob trat an das Waschbecken und öffnete neugierig den Spiegelschrank. Wie erwartet fand er diverse Cremes, Tuben und Make-up. Allerdings nicht soviel, wie er angenommen hatte.
Die andere Tür, hinter der Suzie verschwunden war, ging in ein kleines Büro, das Rob beim ersten Betreten der Wohnung bereits gesehen hatte. Der hintere Raum war Suzies Schlafzimmer, das Rob aus Respekt vor ihr von seinen genaueren Erkundungen ausließ. Hinter der vierten Tür befand sich ein Gästezimmer. Vorherrschend war ein großes Doppelbett, das sehr gemütlich aussah. Rob seufzte und schloss die Tür. Obwohl er nichts lieber täte, als sich einen Moment auszuruhen, widerstand er der Versuchung und ging stattdessen wieder in die Küche zurück. „Suzie!“, rief er der geschlossenen Tür zu.
Читать дальше