1 ...7 8 9 11 12 13 ...16 Während die Männer jagten, amüsierten sich die Frauen bei Musik, Gesang und sportlicher Betätigung. Nach anfänglichem Zögern hatte Daphne sich von Eutropia überreden lassen, beim Ballspiel, Wettlauf und gymnastischen Übungen ihre gewohnte Kleidung abzulegen. Wie sie es bei den Frauen in den Caracalla-Thermen gesehen hatte, behielt sie nur das Fascia pectoralis (Brustband) an. Um ihre Hüften schlang sie das subligar(wollenes Hüftband), wie Männer es trugen. Philomena, die ihr bisher vom Ablegen der Kleider mit dem Hinweis auf ihre Jugend abgeraten hatte, runzelte die Stirn und zog sich leise grollend zurück.
Nachmittags besuchte Daphne zusammen mit den Frauen die prächtigen Thermen. Dabei ging es laut zu, Theodora stritt sich ständig mit ihrer Mutter über ihren mangelnden Erfolg bei Constantius.
„Theodora, du dummes Huhn, so eine Gelegenheit bekommst du niemals wieder. Der Mann sieht gut aus, ist freundlich und wird bald zum Caesar ernannt. Er ist deine Zukunft. Anstatt auf deinem dicken Hintern zu sitzen, dich mit Essen vollzustopfen und ihn mit deinen Fischaugen dämlich anzustarren, solltest du ihn beim Essen bedienen und dich dabei vorbeugen, damit er deine schönen Brüste sehen kann. Wie erzählt wird, ist seine Stallmagd von herausragender Schönheit. Nimm dir ein Beispiel an der Kleinen hier“, und sie zeigte auf Daphne, „bevor die Woche endet, hat sie sich den attraktivsten Mann von Roma geangelt.“
„Mutter, ich kann das Gezeter nicht mehr hören, was soll ich machen, wenn er mich nicht will.“
„Dein Stiefvater, unser geliebter Imperator, muss noch einmal mit ihm sprechen. Wenn wir nicht bald einen adäquaten Mann für dich finden, kannst du einen Bauern heiraten.“
Nach drei Tagen gesellte sich Konstantin zu den Frauen. Er hatte sich beim Jagen eines Ebers an der Wade verletzt und sah gelangweilt den Vergnügungen der Frauen zu. Still schloss er sich Daphne an, die der einzige Gast in seinem Alter war. Der Junge, der bisher bei seiner Mutter in geordneten Verhältnissen aufgewachsen war, fühlte sich einsam und in der prächtigen kaiserlichen Umgebung unsicher. Hinzu kam, dass er nicht nach Naissus (Nis) zu seiner Mutter zurückkehren würde, sondern am Hofe Kaiser Diocletians in Nikomedia erzogen werden sollte, wie sein Vater eines Abends erzählte. Daphne hatte Mitleid mit dem Jungen, dessen Gesicht viele Pickel verunzierten und der nicht genau wusste, welches seiner langen Gliedmaßen er als Erstes bewegen sollte. Zusammen durchstreiften Daphne und Konstantin den weitläufigen Park des Anwesens und bewunderten die exotischen Fische in den Teichen, die seltenen Tiere in den Gehegen und die kunstvollen Wasserspiele.
Konstantin stellte sich als scharfsichtiger Beobachter heraus, der Daphne zum Lachen brachte, wenn er die Gäste der Jagdgesellschaft imitierte. Beide hatten so viel Spaß miteinander, dass Daphne ihre anstehende Heirat vergaß und der schillernde Vitruv ihre Gedanken nicht mehr beherrschte.
Die folgenden Tage lag Daphne beim Abendessen neben Vitruv, der mit angedeutetem Lächeln und Blicken aus den schwarzen, schweren Augen sie mit Geschichten aus der römischen Gesellschaft unterhielt. Eines Abends rief ihr Vater sie in sein Zimmer und eröffnete ihr, dass Vitruv bei ihm um ihre Hand angehalten hatte.
„Mein liebes Kind, Vitruv hat eine große Zukunft vor sich, der Kaiser plant, ihn zum Statthalter der Provinz Gallia Belgica prima zu berufen. Wer weiß, welche ehrenvollen Aufgaben ihn noch erwarten. Leider entstammt er keiner alten Familie, was deine Mutter gegen eine Verbindung einnehmen wird. Aber er ist ein weitläufiger Verwandter Kaiser Maximians, und Kaiser Diocletian vertraut ihm uneingeschränkt. Ihr werdet Zugang zum Hofe haben, mit allen Ehren und Vorteilen, die das hohe Amt mit sich bringt. Dazu sieht er gut aus, was nicht unwichtig für eine junge Frau ist.“
„Vater, heißt das, dass ich, wenn ich ihn heirate, in Gallia leben muss?“
„Ja, und das ist für mich der einzige Wermutstropfen bei der Verbindung, ich werde dich schrecklich vermissen.“
Daphne ging im Geiste die Reihe ihrer Verehrer durch, da war keiner, den zu heiraten sie reizte. Es gab jemanden, einen jungen Mann aus guter Familie mit schwarzen dichten Haaren und glänzenden braunen Augen, der aber bisher keinen Versuch unternommen hatte, ihr näher zu kommen. Zum Missfallen von Philomena Maior hatte sie ihm mehr als einmal dazu die Gelegenheit gegeben.
„Vater“, sagte Daphne und umarmte den Senator, „ich heirate Vitruv. Ich werde dich und Roma schrecklich vermissen, aber ich freue mich darauf, Gallia und Augusta Treverorum kennenzulernen. Wir besuchen uns mindestens einmal im Jahr, Gallia ist nicht so weit entfernt von Roma wie die Provinzen Africa proconsularis oder Aegyptus.“
Am nächsten Tag lud Vitruv Daphne zu einem Spaziergang in den Park der Villa ein. Beide schwiegen, bis er sie bat, sich mit ihm auf eine Bank zu setzen, die an einem der Teiche stand.
„Daphne, ich habe das Einverständnis Eures Vaters Euch zu fragen, ob Ihr meine Frau werden möchtet.“
Dabei streichelte er ihr leicht über die unbedeckten Arme.
„Ihr seid ein schönes und vor allem kluges Mädchen, dem es gelingen wird, mich zu akzeptieren, wie ich bin. Ich kann Euch, als meine Frau ein ehrenvolles Leben in Luxus bieten. Euer Vater hat Euch berichtet, dass Kaiser Maximian mich zum Provinzstadthalter berufen wird. Gallia hat schwere Jahre mit vielen blutigen und zerstörerischen Germaneneinfällen hinter sich. Es ist mir eine Ehre, dabei zu helfen, es wiederaufzubauen und den Menschen bessere Lebensbedingungen zu schaffen.“
„Vitruv, ich freue mich, Eure Frau zu werden. Sollte es sich herausstellen, dass ich es bei den wilden Galliern nicht aushalte, verlasse ich Euch und kehre nach Roma zurück.“
Vitruv lachte und streifte mit seinem Mund leicht über ihre Wange.
„Meine Liebe, auch ich gehörte wie unsere geliebten Kaiser vor noch nicht langer Zeit zu den Wilden. Das Römische Reich besteht seit Jahrhunderten aus vielen verschiedenen Völkern, und es werden immer mehr, die Germanen stehen erneut an unseren Grenzen. Alle wollen an unserem Wohlstand teilhaben. Daphne, du bist zäh und wirst dich schnell an das raue Leben im Norden gewöhnen.“
Als Daphne am Abend in ihrem Bett lag, gestand sie sich ein, dass sie enttäuscht war. Was Vitruvs glühende Blicke versprachen, war von ihm bisher nicht eingelöst worden: Der zarte Kuss auf die Wange war etwas mager. Daphne nahm sich vor, bei ihrer nächsten Begegnung ihre Reize spielen zu lassen, vielleicht brauchte der Mann Ermutigung.
Vom Senator und Vitruv über die vereinbarte Verbindung am selben Tag informiert, zeigte sich der Kaiser hoch erfreut.
„Mein lieber Vitruv, dein Glück ist größer als dein Verstand. Eine reiche und gebildete Schönheit aus einer der ersten Familien des Reiches. Ich werde dir zur Hochzeit eine prächtige Stadtvilla in Augusta Treverorum schenken, damit du schnell bei Hofe bist, wenn ich dich brauche.“
Glücklich klatschte der Kaiser in die Hände.
„Was jetzt noch fehlt, ist eine geeignete Frau für meinen Freund Constantius. Allerdings kann ich verstehen, dass ihm die Entscheidung schwerer fällt als dir, Vitruv, Theodora ist keine Augenweide. Aber er muss sich entscheiden, oder seine Zukunft wird nicht so glanzvoll sein wie Diocletian und ich uns das vorstellen. Zum Wohle unseres Römischen Reiches planen wir, in nicht allzu ferner Zukunft zwei Cäsaren zu ernennen, einen für den Osten und einen für den Westen. Constantius ist mit seiner Erfahrung als Tribun und Protektor ein guter Kandidat. Bis es so weit ist, wird Diocletian ihn zum Statthalter der Provinz Dalmatiarum (Dalmatien) ernennen, aber nur unter der Voraussetzung, dass er sich mit meiner Familie verbindet.“
Befriedigt gab der Kaiser am nächsten Abend die noch inoffizielle Verlobung seiner Stieftochter Theodora mit Constantius bekannt. Die Braut strahlte den Bräutigam an, der gequält den Boden betrachtete. Mit einem Aufschrei rannte Konstantin bei der Ankündigung aus dem Saal und zog sich bis zur Abreise in sein Zimmer zurück. Am selben Abend informierte der Kaiser die versammelte Gesellschaft, dass er die Jagd abbrechen müsse, um nach Gallia zurückzukehren. Ein Bote war mit der Nachricht eingetroffen, dass Germanen den erneut überschritten hätten und römischen Boden verwüsteten.
Читать дальше