Gerhard Schumacher
Vermintes Gelände
oder vom Charme des Scheiterns
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Inhaltsverzeichnis
Titel Gerhard Schumacher Vermintes Gelände oder vom Charme des Scheiterns Dieses ebook wurde erstellt bei
Präludium Präludium Nichts ist schwieriger und nichts erfordert mehr Charakter, als sich im offenen Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden und laut zu sagen: Nein! Kurt Tucholsky
1 Monologisierende Zwiesprache 1 Monologisierende Zwiesprache Was denkst du? Ich denke an das, was war. Und an das, was ist, denkst du nicht? Es ist nichts, woran es zu denken lohnt. Denk an die Gegenwart. Es gibt keine Gegenwart, es gibt nur Vergangenheit. Und Zukunft, es gibt doch Zukunft. Zukunft ist unbestimmt, wir kennen sie nicht. Politiker reden ständig von Zukunft. Politiker reden nicht, sie schwätzen. Sie kennen die Zukunft genauso wenig wie wir. Aber die Vergangenheit, die müssen sie doch kennen. Nur die Vergangenheit, die ihnen zu pass kommt. Sie verklären vorgestanzte Schablonen. Politik fälscht die Geschichte nach der jeweiligen Gesinnungslage. Nicht die Politik fälscht. Das ist zu unpersönlich. Es sind Personen, die Geschichte fälschen. Politiker. Jeder Einzelne muss namhaft gemacht werden. Sind sie grundsätzlich böse? Sie sind grundsätzlich eitel. Und arrogant. Und überheblich. Sie spreizen sich und schlagen Räder wie Pfauen es tun. Eitelkeit, Arroganz und Überheblichkeit sind Geschwister der Dummheit. Sie heulen mit den Wölfen und sprechen mit gespaltenen Zungen. Wohl wahr. Warum denkst du an das, was war? Aus der Vergangenheit muss ich lernen. Warum musst du lernen? Um es besser zu machen. In der Zukunft. Zukunft ist unbestimmt, wir kennen sie nicht. Aber wir können uns um sie sorgen. Bemühen wir uns.
2 Auf die Füße gefallen
Erstes Kapitel: Freitag
3 Ansatz eins: Kolb
4 Freitag: Ankunft
5 Ansatz zwei: Lenz
6 Freitag: Vorspeise
7 Schnittstelle A: aus Hornungs Notizen 1969
8 Freitag: Hauptgang und Dessert
9 Schnittstelle B: Tagebuch Monika Bergmann,
10 Freitag: nach dem Essen
11 Ansatz drei: Strecker
12 Freitag: Gasthof "Zur Linde"
13 Schnittstelle C: Andrea Lenz, Versuch eines Essays 1977 (unveröffentlicht)
14 post scriptum: Andrea Lenz, gesonderter Zettel undatiert
Zweites Kapitel: Sonnabend
15 Schnittstelle D: Ralf Böhme, Briefentwurf aus dem Nachlass, 2011
16 Sonnabend: Frühstück
17 Schnittstelle E: Holger Meins Brief an Manfred Grashof, 31. Oktober 1974
18 Ansatz vier: Hornung
19 Sonnabend: vormittags
20 Schnittstelle F: Hanns-Martin Schleyer, Brief an Helmut Kohl vom 12. September 1977
21 Ansatz fünf: Bergmann
22 Sonnabend: nachmittags
23 Schnittstelle G: Ulrike Meinhof, Transkript eines Tonbands für die Journalistin Michèle Ray, 1970 (Michèle Ray, französische Journalistin)
24 Sonnabend: Abendessen
25 Ansatz sechs: Leuchtner
Drittes Kapitel: Sonntag
26 Schnittstelle H: Rudi Dutschke, Fernsehinterview 1967
27 Sonntag: Vormittag
28 Schnittstelle I: Das Projekt Bassa, Notizen von Ulrike Meinhof
29 Ansatz sieben: Als wir träumten, Randspuren, Andreas Hornung
30 Sonntag: Mittagessen
31 Schnittstelle J: Eine kleine radikale Minderheit. Wir sind die, vor denen uns unsere Eltern immer gewarnt haben
32 Samstag: 12. August 1967 Ein Happening auf dem Ku'damm
33 Ansatz acht: Es war einmal in Westberlin. Das ist unser Haus
34 Schnittstelle K: Gründungsaufruf des Republikanischen Clubs, Westberlin 1967
35 Sonntag: Aller Tage Abend
36 Schnittstelle L: Der lange Marsch durch die Institutionen, Rudi Dutschke 1967
37 Sonntag: Gasthof "Zur Linde", Abendessen
38 Schnittstelle M: schwarz/weiß – grau und/oder - gleich
39 Ansatz neun: Stairway to Heaven, Sieben Monate später
Impressum neobooks
Nichts ist schwieriger und nichts
erfordert mehr Charakter, als sich
im offenen Gegensatz zu seiner
Zeit zu befinden und laut zu sagen:
Nein!
Kurt Tucholsky
1 Monologisierende Zwiesprache
Was denkst du?
Ich denke an das, was war.
Und an das, was ist, denkst du nicht?
Es ist nichts, woran es zu denken lohnt.
Denk an die Gegenwart.
Es gibt keine Gegenwart, es gibt nur Vergangenheit.
Und Zukunft, es gibt doch Zukunft.
Zukunft ist unbestimmt, wir kennen sie nicht.
Politiker reden ständig von Zukunft.
Politiker reden nicht, sie schwätzen.
Sie kennen die Zukunft genauso wenig wie wir.
Aber die Vergangenheit, die müssen sie doch kennen.
Nur die Vergangenheit, die ihnen zu pass kommt.
Sie verklären vorgestanzte Schablonen.
Politik fälscht die Geschichte nach der jeweiligen Gesinnungslage.
Nicht die Politik fälscht. Das ist zu unpersönlich.
Es sind Personen, die Geschichte fälschen. Politiker.
Jeder Einzelne muss namhaft gemacht werden.
Sind sie grundsätzlich böse?
Sie sind grundsätzlich eitel.
Und arrogant.
Und überheblich.
Sie spreizen sich und schlagen Räder wie Pfauen es tun.
Eitelkeit, Arroganz und Überheblichkeit sind Geschwister der Dummheit.
Sie heulen mit den Wölfen und sprechen mit gespaltenen Zungen.
Wohl wahr.
Warum denkst du an das, was war?
Aus der Vergangenheit muss ich lernen.
Warum musst du lernen?
Um es besser zu machen.
In der Zukunft.
Zukunft ist unbestimmt, wir kennen sie nicht.
Aber wir können uns um sie sorgen.
Bemühen wir uns.
Es gibt keine absolute Wahrheit.
Die einzige Ausnahme, die diese Regel bestätigt, ist die Regel selbst: denn es ist absolut wahr, dass es keine absolute Wahrheit gibt.
Wer auch immer das Gegenteil behauptet, muss sich Scharlatan schimpfen lassen. Wird als Betrüger gebrandmarkt, der diejenigen, die ihm folgen, hinters Licht führt. Dorthin, wo es dunkel ist und die Anfangslüge unzählige weitere nach sich zieht, um die erste, die grundsätzliche, zu bestätigen.
Gleiches gilt für Heilsversprecher jeglicher Art. Es gibt das Heil ebenso wenig, wie es das Perpetuum Mobile, noch gar das ewige Leben gibt. Selbst in der Flucht sucht man das Heil vergebens, stattdessen finden sich nur Angst und Elend.
Erleuchtung ist eine Illusion.
Die Propheten, die Glück, Zufriedenheit, Reichtum und goldene Früchte vom Baum der Erkenntnis, selten im Diesseits, desto öfter aber im Jenseits predigen und versprechen, sind Bauernfänger und vom gleichen Schlag wie die Scharlatane. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie selbst an ihre Worte glauben, oder aber diese wider besseren Wissens verbreiten. Entscheidend ist nur das Lügengespinst, das sie um die Köpfe der Unwissenden zu weben versuchen.
Traut den Gauklern nicht, sie lassen nicht vom Täuschen, traut nicht ihren Worten, den gesprochenen ebenso wenig wie den gedruckten. Es sind Verderber und Verbrecher allesamt. Kreaturen ohne Gewissen, Politiker eben und deren willfährige Helfer in Uniformen und Richterroben.
Macht sie dingfest, setzt ihnen hohe, spitze Papierhüte auf die Köpfe und kettet sie an die Pranger auf den Marktplätzen, vor den Rathäusern, dort wo immer auch sich viele Menschen versammeln und bewerft sie mit verdorbenem Obst und fauligem Unrat.
Vertraut nicht auf die, die herrschen. Sie wollen uns die Gehirne verkleistern und reichen mit der Linken das Zuckerbrot während sie mit der Rechten die Peitsche schwingen. Schenkt ihren wohlfeilen Worten und vollmundigen Versprechungen keinen Glauben. Sie haben Kreide gefressen und sich den Schafspelz übergeworfen. Sie kennen weder ein Gewissen, noch haben sie Skrupel jedweder Art.
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