Gerhard Loibelsberger
Alles Geld der Welt
Ein Roman aus dem alten Wien
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Alle Rechte vorbehalten
3. Auflage 2020
Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt
Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht
Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart
unter Verwendung eines Bildes von https://commons.wikimedia.org/wiki/File:The_Kiss_-_Gustav_Klimt_-_Google_Cultural_Institute.jpg
ISBN 978-3-8392-6578-9
Für meine Frau Lisa, die mich gedrängt hat,
dieses Buch zu schreiben.
Verzeichnis der historischen Personen
Eduard von Bauernfeld (1802 – 1890): Schriftsteller, Hausdichter des Burgtheaters
Gustav Ritter von Boschan (1841 – 1873): Entrepreneur und Spekulant
Samuel Deutsch (1818 – 1873): Börsenagent und Spekulant
Elisabeth (Sisi) (1837 – 1898): Kaiserin von Österreich, Königin von Ungarn
Gustav Ritter von Epstein (1828 – 1879): Bankier und Industrieller
Cajetan Felder (1814 – 1894): Jurist, Wiener Bürgermeister
Georg Graf Festetics de Tolna (1815 – 1883): ungarischer Politiker
Ferdinand I. (1793 – 1875): Kaiser von Österreich, König von Ungarn
Franz Josef I. (1830 – 1916): Kaiser von Österreich, König von Ungarn.
Eduard Lasker (1829 – 1884): Jurist, deutscher Politiker
Erzherzog Karl Ludwig (1833 – 1896): Bruder des Kaisers, Protektor der Weltausstellung
Ferdinand Kürnberger (1821 – 1879): Schriftsteller und Feuilletonist
Karl Loibelsberger (1845 – 1927): Schriftsetzer, Metteur en page, Urgroßvater des Autors
Max Modern (1833 – 1873): Börsenagent und Spekulant
Johann Baptist Placht (1838 – ?): Bankier und Betrüger
Salomon Freiherr von Rothschild (1774 – 1855): Bankier und Industrieller
Ferdinand von Saar (1833 – 1906): Schriftsteller, Dramatiker, Lyriker
Eduard Sacher (1843 – 1892): Feinkosthändler, Restaurantbesitzer
Wilhelm Freiherr von Schwarz-Senborn (1816 – 1903): Generaldirektor der Weltausstellung
Adele Spitzeder (1832 – 1895): Betrügerin
Eduard Strauß (1835 – 1916): Komponist, Kapellmeister
Johann Strauß (1825 – 1899): Komponist, Kapellmeister, Walzerkönig
Moritz Szeps (1835 – 1902): Journalist, Herausgeber, Zeitungszar
Philipp Graf Stadion (1763 – 1824): österreichischer Außenminister und Finanzminister
Adolf Taußig (1840 – 1873): Bankkassier und Spekulant
Leopold Ritter von Wertheimstein (1801 – 1883): Bankier, Vizepräsident der Creditanstalt
Josephine von Wertheimstein (1820 – 1894): Salonière, Gattin von Leopold von Wertheimstein
Prolog
Da lag er nun. Der alte Rosenstrauch. Kein Wimpernschlag, kein Schnaufer, kein Garnichts. Bleich und wächsern die Züge, der Körper in Totenstarre. Jetzt steht er vor Gott dem Herrn und wird Rechenschaft ablegen über sein Leben, dachte Heinrich von Strauch und musste lächeln. Reich, ja überreich, so konnte man die fünfundachtzig Lebensjahre seines Vaters mit Fug und Recht bezeichnen. Geboren als Sohn eines jüdischen Pfandleihers in Wien, hatte sich der junge Aaron Rosenstrauch emporgearbeitet zum allseits geachteten und mit allen irdischen Gütern gesegneten Bankier Antonius von Strauch. Dazu gehörte das Konvertieren zum katholischen Glauben ebenso wie die absolute Treue zum Kaiserhaus. Begonnen hatte alles im Jahr 1814. Wien war damals der Mittelpunkt Europas, wenn nicht gar der gesamten zivilisierten Welt. Auf Einladung des österreichischen Kaisers trafen sich hier die regierenden Fürsten Europas. Nachdem sie Napoleon niedergerungen hatten, galt es nun, das napoleonische Reich auszuweiden. In der blutig aufgebrochenen Karkasse des französischen Kaiserreiches wühlten nun mit gierigen Händen diejenigen, die den französischen Kaiser und seine einst so glorreiche Armee besiegt hatten. Es ging um die Neuordnung Europas. Und da nicht nur verhandelt, intrigiert, gefeilscht und debattiert, sondern auch gefeiert, getafelt und getanzt wurde, verschlang der Wiener Kongress ungeheuer viel Geld. Geld, das der österreichische Kaiser nicht hatte und das ausgeborgt werden musste. So kam es, dass der junge Geldverleiher Aaron Rosenstrauch zu einer Audienz bei Graf Stadion, dem seit Kurzem amtierenden kaiserlichen Finanzminister, gebeten wurde. Letzten Oktober hatten sie sich bei einem Volksfest im Park des Palais Augarten kennengelernt. Als sie einander neuerlich von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden, hielt sich Graf Stadion nicht lange mit Begrüßungs- oder Höflichkeitsfloskeln auf, sondern kam sofort zur Sache:
»Rosenstrauch! Soweit ich mich entsinne, ist Er Geldverleiher, net wahr?«
»Jawohl, Exzellenz.«
»Ausgezeichnet. Ist Er liquid?«
»Die Geschäfte könnten schlechter gehen …«
»Formidable! Dann kann Er ja dem österreichischen Ärar 1 1 Staat 2 Zylinder 3 circa 31 Meter 4 Brüste 5 fesche 6 Pfannkuchen 7 Spätzle
hunderttausend Gulden leihen.«
Wann immer Antonius von Strauch in späteren Jahren diese Episode seinem Sohn, seiner Familie oder Freunden erzählte, machte er ein bekümmertes Gesicht und seufzte tief. Denn die gewaltige Summe von hunderttausend Gulden hatte er natürlich nicht verfügbar. Dennoch trieb er sie binnen einer Woche auf und ließ sie Graf Stadion zukommen. Ein Batzen Geld, den er zu einer Verzinsung von sieben Prozent an den Staat verlieh. Das war der erste entscheidende Schritt zur Gründung der späteren Privatbank A. Strauch. Ab diesem Zeitpunkt zählte er zum exklusiven Kreis der Finanziers des österreichischen Kaiserhauses sowie des österreichischen und ungarischen Hochadels. Der wirtschaftliche und gesellschaftliche Aufstieg des Aaron Rosenstrauch hatte begonnen. Und während Salomon Rothschild die politischen und privaten Aktivitäten des Fürsten Metternich finanzierte, lieh Aaron Rosenstrauch dem Grafen Stadion, dessen Sohn und dessen adligen Freunden Geld. Als die Rothschilds 1817 das Adelspatent zugestanden bekamen und ein »von« in ihrem Namen führen durften, erblasste Aaron Rosenstrauch vor Neid. Als sie 1822 vom Kaiser schließlich sogar in den Freiherrenstand erhoben wurden, bekam er infolge von inbrünstig empfundenem Ärger und unermesslicher Missgunst einen leichten Schlaganfall. Sein Puls raste, sein Schädel war tagelang blutrot, Schwindel- und Ohnmachtsanfälle plagten seinen Körper, und als Folge zog er seit damals den linken Fuß etwas nach. Als er sich schließlich gesundheitlich erfangen hatte, begann er, Himmel und Hölle in Bewegung zu setzen, um ebenfalls in den Adelsstand erhoben zu werden. Himmel und Hölle im sprichwörtlichen Sinn, denn im Zuge seiner Bemühungen riskierte er sogar sein Seelenheil, indem er der Religion seiner Väter abschwor und vom jüdischen zum christlichen Glauben konvertierte. Eine Tat, die er wie folgt kommentierte:
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