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Sodom und Gomorrha, wohin das Auge blickte. Was bildete sich dieser junge Tutter eigentlich ein? Nimmt sich einfach, was immer sich ihm anbietet. Unverschämtheit so was! Diese Gier, diese unvorstellbare Gier, die diesen Menschen antrieb, war abstoßend. Aber offensichtlich nicht für die Weiber. Die witterten diese Gier und wurden ganz weich. Bozwach 10, wie man so sagte. Als ob die Gier ein Aphrodisiakum wäre. Na ja, wahrscheinlich war sie tatsächlich eines. Als er selbst jünger war, war er auch gierig hinter den Weiberröcken her gewesen. Kaum eine hatte ihm auf die Dauer widerstehen können. Waren das Zeiten! Damals, als der alte Herr Baron hier in sein Palais eingezogen war und er seinem Dienstgeber zu verstehen gegeben hatte, dass man für so ein großes Haus eine große Schar Dienstboten benötigte. Das hatte dem alten Freiherrn von Strauch gar nicht geschmeckt. Denn Dienstboten kosteten Geld. Und Geld wurde gespart, nicht ausgegeben. Allerdings hatte er seinem Dienstherrn klargemacht, dass man in einem Palais nicht wie ein Kleinhäusler residieren konnte. Wer ein Palais hatte, hatte auch Dienstboten. Dieses Argument leuchtete Antonius von Strauch ein, und so hatte er ihm den Auftrag gegeben, Dienstboten anzuwerben. Wie hatte er diesen Auftrag genossen! Von einer Dienstbotenvermittlerin hatte er sich ein junges Mädel nach dem anderen schicken lassen. Die schiachn 11Mädeln wurden immer gleich weggeschickt, nur die feschen durften zur Probe bleiben. Die Probe bestand darin, dass sie das Stiegenhaus aufwaschen, die Räume fegen, die Wäsche waschen und bügeln sowie in der Küche mit anpacken mussten. Wenn sie all das zu seiner Zufriedenheit verrichtet hatten, mussten sie dann auch noch herhalten. Joi, war das schön gewesen. In die jungen Hintern kneifen, die strammen Tutteln drücken und die Mädeln in einem stillen Winkel des riesigen Hauses pempern 12. Nur die, die ihm mit dem nötigen Spaß an der Freud’ zu Willen waren, wurden eingestellt. Am Ende hatte er dem Herrn Baron dann nicht nur fleißig arbeitendes Personal, sondern sich selbst auch einen kleinen Harem verschafft. Diese Erinnerungen machten ihn ganz kribbelig, obwohl sein Verlangen nach Weibern im Laufe der Jahre abgeklungen war. Nur manchmal packte es ihn noch. Nicht mehr bei einer jeden, aber bei manchen. Sein letztes heftiges Begehren hatte ihn vor zwei – oder waren es schon drei? – Jahren übermannt, als er die Resi eingestellt hatte. Mein Gott, dieses Mädel hatte noch einmal die Säfte in seinen fast schon ausgetrockneten Leib schießen lassen. Ja, die Resi hatte im Laufe der letzten Jahre bei ihm Wunder vollbracht. Aber das war nun vorbei. Seit der junge Herr Baron die Resi zu seiner persönlichen Leib- und Magenbediensteten gemacht hatte, hatte die ihn nicht mehr an ihren wunderbaren Hintern gelassen. Das freche Mensch hatte ihm sogar gedroht, dass sie dem jungen Herrn Baron erzählen würde, wie er sie über Jahre hinweg missbraucht hatte. So ein freches Luder! Am meisten giftete ihn der Umstand, dass der junge Herr Baron die Resi für die Pflege seiner Garderobe einsetzte. Damit konnte er sie jederzeit zu sich rufen, wenn er sich ankleidete. Dieser raffinierte Saukerl. Heute früh hatte er beobachtet, wie die Resi dem Herrn Baron beim Anlegen der Kleidung half. Dabei hatte sie sich vor ihm niedergekniet. Aber nicht, um zu beten! So eine Sauerei! Nein, er durfte gar nicht daran denken. Sonst würde er noch kribbeliger werden. Mein Gott! Er ballte die Fäuste und bebte am ganzen Körper. So konnte er nicht weiter seinen Dienst versehen. Er musste sich abreagieren. Wie ein junger Hund lief er die enge Dienstbotentreppe hinunter, riss die Küchentür auf und stürzte sich auf die Köchin. Die kreischte zuerst vor Schreck und gleich darauf vor Vergnügen. Sie hob ihren Rock und präsentierte ihm ihr gewaltiges Hinterteil. Voll Gier packte er zu. Sodom und Gomorrha! Wunderbar …
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Splitternackt stand er hinter dem großen Paravent, während Resis zärtliche Patschhand ihn wusch. Bei so einer Bedienung brauchte Heinrich von Strauch wahrlich kein Badezimmer. Als er aus der teuren Mietwohnung im Heinrichshof ausgezogen und in das Barockhaus, das ihm sein Vater vererbt hatte, eingezogen war, hatte er kurz überlegt, hier im zweiten Stock ein komfortables Bad und ein modernes Water Closet einzurichten. Schlussendlich hatte er diese Modernisierungen nur in der Beletage, in der jetzt seine Frau und seine beiden Söhne wohnten, durchführen lassen. Er selbst war in das Stockwerk darüber gezogen. So hielt er die ungeliebte Familie auf Distanz und musste das Schlafzimmer nicht mehr mit seiner Frau teilen. Ja, das war gut! Er grinste verzückt, als Resi ihn hinten zwischen den Arschbacken und nach vorne greifend gründlich einseifte. Das tat wirklich gut. Es erinnerte ihn an seine Kindheit, die alles in allem nicht sehr glücklich verlaufen war. Einzig die regelmäßige Handwäsche, die ihm sein Kindermädchen angedeihen hatte lassen, war eine der wenigen schönen Erinnerungen. Allerdings hatte sie diese Körperpflegemaßnahme eingestellt, als der Bub beim Waschen regelmäßig eine Erektion bekam. Ab diesem Zeitpunkt musste er sich selbst waschen. Einen Umstand, den er sehr bedauerte. Von einer weiblichen Hand, die in einem Waschlappen steckte, gereinigt zu werden, liebte er. Jahrzehntelang hatte er auf diesen Genuss verzichten müssen. Nun aber, seit er das riesige Barockpalais seines Vaters samt dessen Dienstmädel geerbt hatte, hatte sich alles zu seinem Vorteil entwickelt. Er bewohnte ein ganzes Stockwerk mit Schlafzimmer, Ankleideraum, Speisezimmer, Rauchsalon, Arbeitszimmer und Dienstbotenkammerl. Hier hatte er Resi einquartiert, die seit dem Umzug als seine Kammerdienerin fungierte. Kammerdienerin? Heinrich von Strauch lachte auf, nicht zuletzt deshalb, weil Resi gerade seinen Brustkorb mit dem Waschlappen abrieb und er auf den Rippen kitzlig war. Er als Freiherr von Strauch leistete es sich, exzentrisch zu sein. Und da konnte sein Eheweib noch so sehr die Stirn runzeln und schnippische Bemerkungen machen. Auch dem ehemaligen Kammerdiener Jean und nunmehrigen Majordomus war die Missbilligung ins Gesicht geschrieben, wenn er sich in seinen Wohnbereich begab, um für Verpflegung, Getränke und Rauchwaren zu sorgen. Mehr durfte er für Heinrich von Strauch nicht machen. Reinigung und Pflege der Kleidung, das Zusammenräumen 13der Zimmer, das Bettenmachen und das Ausleeren des Leibstuhls oblagen der Kammerdienerin. Resi hatte das Pouvoir, sich in seinen Wohnräumen frei zu bewegen und allen anderen den Zutritt zu verwehren. Sie war sein guter Geist. Von ihr ließ er sich, wenn er zu Hause war, nach Strich und Faden verwöhnen. Wie zum Beispiel in diesem Moment, in dem Resi mit großer Liebe und Sorgfalt ihn untenrum abtrocknete. Genussvoll schloss er die Augen und murmelte:
»Net aufhören … weitermachen … ja … so is brav.«
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»Die Herren wünschen zu trinken?«
Heinrich von Strauch blickte über den Tisch zu seinem Freund Gustav von Boschan und dem Zeitungsherausgeber Moritz Szeps und stellte folgende Frage:
»Wie wäre es mit einem trockenen Sherry? Bei der Kälte wärmt das den Magen.«
Boschan und Szeps nickten zustimmend, der Ober eilte davon. Strauch beugte sich über die Speisekarte, überflog sie und sagte jovial:
»Mein lieber Szeps, mein lieber Gustav, ihr seid heute meine Gäste. Also bestellt euch was Ordentliches. Einen Tafelspitz oder ein Beefsteak.«
Szeps erwiderte mit ironischem Lächeln auf den Lippen:
»Zu gütigst, Herr Baron. Aber wenn ich auf ein Beefsteak Gusto hab’, kann ich mir das auch selbst leisten.«
»Ich wollt’ Ihnen nicht nahetreten, mein Lieber. Selbstverständlich können Sie sich als Herausgeber des Neuen Wiener Tagblatts ein gutes Papperl 14leisten. Ich hab’ das vorher ja nur g’sagt, weil ich möcht’, dass es Ihnen gut geht.«
»Sehr liebenswürdig, Herr Baron.«
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