Mara lachte. „Eine nette Rede. Hast du geübt?“
„Ja …“, fiel Jula in ihr Lachen ein. „Len kennt sie inzwischen auswendig.“
„Du hast ihm doch noch mal gesagt, dass er unbedingt kommen soll?“
„Habe ich, und ich soll dir ausrichten, dass er sich die Feier auf gar keinen Fall entgehen lassen wird.“
In dem schlichten, nicht besonders großen Gastraum hielten sich zur Mittagszeit nur eine Handvoll Menschen auf. Mara entdeckte an einem Tisch in der hinteren Ecke Liz-Rasul, der sich mit dem dritten Magier und den beiden doch sehr jungen Burschen unterhielt. Sakar hingegen saß an einem Tisch am Fenster, ein schöner, heller Platz, und schien auf sie zu warten. Mara nickte ihm grüßend zu und setzte sich, nach einem Blick auf Jula, etwas seitlich.
Sakar verzog das Gesicht. „ Verdirbt dir die Aussicht, mich zu treffen, die Laune, oder warum machst du so eine bitterböse Miene? “
„ Der Platz ist mir ein bisschen zu offen und einsehbar. “
„ Angst, jemand könnte dich erkennen? “, fragte Sakar spöttelnd.
„ Ihr sagt es .“ Sie musterte ihn ruhig. „ Es treiben sich nicht nur Seine Priester und eine Handvoll Magier … Besucher von den Inseln in der Stadt herum .“
„ Weshalb es nahezu ausgeschlossen ist, dich ohne bewaffnete Begleiter zu treffen? “ Für einen kurzen Moment trat ein Ausdruck der Besorgnis auf Sakars Züge. „ Ist es denn notwendig? “
Mara zuckte nur die Achseln. „ Ich weiß nicht, der Mann … Ostländer zeigt sich nie. Doch er ist … arbeitet nicht allein .“
Er nickte nachdenklich, bemühte sich um ein Lächeln. „ Möchtest du auch einen Tee, ihr beide? Nicht so gut wie der heute Nacht, schon gar nicht so stark, aber trinkbar .“
„ Vermutlich keine weiße Minze? “ Maras Lächeln war nur ein Heben der Mundwinkel. „Danke, gern.“
Sakar bestellte und blickte dann angestrengt in seine Tasse, seufzte. „ Du machst es mir nicht leicht, Kind .“
„ Inwiefern … nicht? Weil ich Euch nicht jubelnd und überglücklich um den Hals falle? Das wäre … “ Mara kniff die Lider zusammen und sah aus dem Fenster, es schneite schon wieder. „ Ihr wolltet mir erklären, was es bedeutet, ein Magier neunter Stufe zu sein .“
„ Du wolltest, dass ich es dir erkläre “, stellte Sakar richtig und wartete, bis der Wirt den Tee gebracht hatte, bevor er ihr in knappen Worten … nein, nicht das Prinzip der Magie, sondern der Bewusstseinsstufen erläuterte: der grundlegenden Struktur der Magie.
Es klang reichlich abgehoben und theoretisch. Mara hatte sich nie um irgendwelche Stufen gekümmert, die sie im Übrigen auch nicht bemerkt hatte, wenn sie Zauber wirkte; sie tat es einfach. Trank einen Schluck Tee. „ Somit seid Ihr ein Magier der höchsten Stufe? Es gibt keine Magier zehnten Ranges? “
„ Ich bin jedenfalls noch keinem begegnet “, blieb Sakar etwas vage. „ Und ich weiß auch nicht, ob ich diesen Zustand für erstrebenswert halte. “
„Aye“, grinste sie knapp. „ Ist kalt und trostlos zwischen den Sternen .“
Sie trank einen weiteren Schluck Tee, betrachtete Sakar über den Rand der Tasse hinweg genau. „ Auf welcher Stufe seid Ihr jetzt gerade, vierte, gar fünfte? Wegen der etwas heiklen Stimmung in der Stadt? “
„ Wie …“ Irritiert schüttelte Sakar den Kopf, hatte die Stirn gerunzelt und musterte sie eindringlich. „ Nein, die vierte. Reicht .“
„ Keine angemessenen Gegner für Euch? “, vermutete Mara und unterließ ihr Grinsen. „ Und ich? “
„ Du? “ Sein Stirnrunzeln und sein eindringlicher Blick vertieften sich, seine Stimme nur noch ein Murmeln. „ Aber du bist … keine …“
„Nicht?“ Und jetzt erlaubte sie sich ein Lächeln, spürte seine Neugier, sein ganz vorsichtiges Tasten, aber mehr tat er nicht. Sakar versuchte nicht, in ihre Gedanken einzudringen. Er erwiderte ihr Lächeln und griff zaghaft nach ihrer Hand. „ Fünfte Stufe, mindestens .“
Die Stufe, auf der Magie erst begann, hatte er gesagt.
„ Und wenn ich versuchte, in Eure Gedanken … “, bohrte sie weiter.
„ Solltest du nicht “, wehrte er hastig ab. „ Wirklich nicht, du … Kind, dein Geist ist völlig ungeschützt! Siebte, achte Stufe, bei einem Fremden. Bei jemandem, den du richtig gut kennst, reicht bereits die sechste. Es hängt ein bisschen von der Bereitschaft zur Mitarbeit des anderen ab. “
„ Ah, verstehe. Ihr seid bereits sehr nah … “
„ Lass es! “ Sakar fasste jetzt auch mit der anderen Hand nach ihrer Hand, hielt sie fest. „ Weil ich weiß, wie es geht. Mara, Kind, du schadest dir! Dein Begleiter … Freund ginge doch auch nicht ohne Rüstung und Schutz in einen Kampf. “
„Nee …“ Sacht schüttelte sie den Kopf, wollte diesen Kontakt eigentlich nicht … Es war faszinierend, die Bilder: die schroffen Klippen der Küste und das Glitzern des Meeres, das sich endlos bis zum Horizont erstreckte …
„ Die Westinsel, meine Heimat. Jenseits davon ist nur noch Wasser .“ Seine Stimme war ein leises, fast unverständliches Gemurmel. Wie das Rauschen des Meeres, viel zu lange vermisst. „ Das eine Bild schenke ich dir gern .“
Seufzend lehnte Mara sich auf dem Stuhl zurück und schlang die Arme um den Oberkörper. Der Kontakt war unterbrochen, doch sie hatte den Geschmack des Meeres auf den Lippen, diesen einzigartigen Geruch in der Nase. Kämpfte gegen die Tränen und die Sehnsucht.
„ Verstehst du, Mara? Du nimmst immer etwas mit und in den seltensten Fällen ist es gut oder schön. Und dagegen musst du dich wappnen. “
„ Dann bringt es mir bei, Sakar .“
Er schnaufte, nur ein klein bisschen verächtlich. „ Nicht mehr heute. “
* * *
Lucinda fühlte sich elend; schwach und benommen. In ihrem Kopf ein einziger Wust aus Gedanken und Gefühlen, doch einer klar: er hatte sie.
Wie gelähmt vor Entsetzen, sie konnte sich nicht bewegen, ihr Körper, wie in Eiswasser getaucht, lag … Es war eng und dunkel, stickig. Sie konnte nur wimmern, nicht einmal schreien, als Alek sich über sie beugte, viel zu dicht über sie beugte, spürte seinen Atem auf ihrer bloßen Haut. „Bitte, tut mir nicht …“
Und alles verkehrt, als sie die Verwirrung, den Ärger auf seinem Gesicht sah. Es war nicht dunkel, nur dämmrig, irgendwo brannten Kerzen. Das Zimmer, Kämmerchen klein, die Pritsche, auf der sie lag, hart und unbequem. Sie hatte seine Worte überhört, nicht verstanden, und hob die Hand an ihren schmerzenden Kopf. „Was …“
„Meine Frage, Sekassne: Was, verdammt?“ Aleks Stimme klang streng, strafend, und er blickte sie auffordernd an, rücklings an den Tisch gelehnt, der keine zwei Schritte … eine undeutliche Erinnerung …
„Sind … Ist das etwa Euer Zimmer in den Gardeunterkünften?“
Alek … Hauptmann Alek zuckte die Achseln. „Lag näher. Ich wollte Euch in Eurem Zustand nicht durch den gesamten Palast schleppen.“
„Darf ich …“ Lucinda setzte sich auf, spürte die Schwäche in ihren Gliedern, den Beinen, erneuter Schwindel, doch sie wollte nicht, dass er so über ihr aufragte. Auf sie herab blickte. „Ihr hättet nicht vielleicht einen Schluck Wasser?“
„Vielleicht auch eine Tasse Tee und Gebäck?“ Sein Spott, seine Verachtung für sie war ätzend, wie eine körperliche Züchtigung. „Höchstens Branntwein, für Notfälle, doch dann habt Ihr einen Grund, taumelnd durch die Gegend zu torkeln.“
„Mir war furchtbar schwindelig, alles hat sich …“ Sie hatte den ganzen Tag nichts gegessen, schlief zu wenig. War in Panik geraten, als sie ihn, auf dem Rückweg hoch zum Palast, hinter sich bemerkte. Natürlich hatte er sie eingeholt, gepackt und … Nein, das wohl nicht; er hatte sie nicht in dieses dunkle Loch gezerrt, um über sie herzufallen. Aber er hatte stützend ihren Arm gepackt … gegriffen und ihr durch den Schnee den Hang hinauf geholfen. „Ich … Es tut mir leid, Euch solche Umstände …“
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