Als sie vorhin ankamen, war Mikkie auf dem Hof einige Minuten stehen geblieben, um einer großen Gruppe bewaffneter Männer beim Training zuzuschauen, fasziniert, ehrlich beeindruckt von deren Können. Beim Jäger, waren diese Kerle gut ! Es packte ihn jetzt noch, wenn er daran dachte. Derartige Krieger hatten sie auf den Inseln nicht. Gut, einzelne, er wollte Lennart gegenüber ja nicht ungerecht sein.
Er presste die Lippen zusammen und sah sich einmal mehr in dem sehr hohen, kühl anmutenden Vorzimmer um – es gab kaum Sitzgelegenheiten –, starrte die zwei Soldaten, garantiert Gardisten, an der zweiflügeligen Tür nicht an. Er ärgerte sich ein bisschen, er hätte gleich darauf beharren … hatte aber Meister Dibistin, seinem Mentor und väterlichen Freund, nicht widersprechen wollen. Na ja, jetzt waren sie endlich hier und würden vom manduranischen König empfangen werden. Antrittsbesuch , wenn auch nicht so ganz offiziell, schließlich war er lediglich aus privaten, persönlichen Gründen hier, anders als die Zauberer um Dibistin. Mikkie hatte schlicht die Gelegenheit genutzt und war jetzt doch etwas nervös … unruhig, weil sie warten mussten.
Nur Männer um ihn herum, eigentlich schade. Insgeheim hatte er gehofft, das junge Mädchen von neulich wieder zu sehen: schlank, recht groß, langes blondes Haar und ziemlich hübsch. Das Mädchen hatte ihm gefallen und es wäre nett gewesen, es näher kennen zu lernen. Er musste wohl auf eine andere Gelegenheit hoffen, seine Unruhe und Ungeduld bezwingen, er war es so leid. Immer warten, dass das Leben, die Abenteuer, die großen, überwältigenden Gefühle … anderswo passierten. Nicht ihm.
Die Türen in seinem Rücken öffneten sich, wurden recht heftig aufgestoßen, und ein Mann und eine Frau durchquerten eiligen Schrittes das Vorzimmer und verschwanden im Audienzzimmer, was auch immer. Mikkie konnte nicht anders und starrte. Auf die beiden. Der Mann mit grimmiger Miene: deutlich größer als er selbst, sehr männlich und hart, sehr fähig, ganz sicher ein Gardist, jedenfalls trug er diese Uniform, und die Frau: rothaarig, überaus schlank, atemberaubend schön. Und erst vor wenigen Augenblicken hatte er dem blonden Mädchen nachgetrauert. Unwillig bemerkte er Lennarts Blick, war ja klar, dessen Gesichtsausdruck, und erschrak fast, als sich die zweiflügelige Tür hinter den beiden nicht schloss und Mikkie und seine Begleiter nun zum König vorgelassen wurden.
Doch jetzt sollte er sich nicht ganz so beeindruckt zeigen, auch nicht von diesem großen, einschüchternden Arbeitszimmer mit den schweren, dunklen Möbeln, schließlich war er nicht irgendein … vertrat er gewissermaßen sein Land. Volk. War seines Vaters Sohn, sein Erbe und in einigen Jahren auch sein Nachfolger.
Mikkie trat noch zwei Schritte vor und verneigte sich höflich, aber nicht allzu tief vor dem großen, stattlichen Mann vor ihm. „Majestät. Es ist mir eine Ehre und auch eine große Freude …“ Die Worte hatte er tatsächlich auswendig gelernt; er konnte nur wenig Manduranisch. Fuhr etwas zu hastig auf Südländisch – jeder zivilisierte Mensch sprach Südländisch – fort: „ Ich bin Mikkie … Mikkelaus von Erian Jasa, Sohn von Borman, einst König von Erian Jasa, Neffe von Kaerlon, dem jetzigen Regenten der Inseln. “
„Auch ich bin sehr erfreut, Eure Bekanntschaft zu machen, Mikkelaus von Erian Jasa, und heiße Euch … und Eure Begleiter … ganz herzlich in Manduras Hauptstadt Samala Elis willkommen.“ Der Mann, manduranische König, nickte der jungen Frau knapp zu. Sie trug Hosen, was Mikkie ziemlich aufregend fand, er ertappte sich bei dem Gedanken, gern hinter ihr eine Treppe hinaufgehen zu wollen, verdammte sich sofort dafür. Und sie wiederholte des Königs Worte mit klarer, kühler Stimme auf Südländisch, blickte Mikkie dann fragend … auffordernd an. „ Eure Begleiter? “
„ Meine Begleiter … Oh, verzeiht, Majestät, ich … “ Einen kurzen Moment war Mikkie irritiert gewesen und lachte nun verlegen, stellte die Männer der Reihe nach vor: „ Meister Dibistin, Erster des Rates der Magier von Mircabor … Roderick VanTeen, genannt Rod, gleich mir Schüler in Mircabor … und Lennart, mein Lehrer und persönlicher Leibwächter .“ Das letzte klang schlicht vorteilhafter als bloß: mein Aufpasser.
Wieder übersetzte die Frau, dieses Mal seine Worte, wobei Mikkie aber den Eindruck gewann, das sei eigentlich nicht nötig. Eine Frage der Höflichkeit und zudem nicht ungeschickt, wie ihm sein Vater vor vielen Jahren einmal erklärt hatte: die kurze Unterbrechung schuf immer Raum für zwei, drei Überlegungen mehr und es wäre wirklich dumm, auf diese zusätzliche Zeit zu verzichten.
Er räusperte sich und wusste nicht so recht, wie weiter fortfahren. „ Nun, ich … vielleicht sollte ich kurz darlegen, weswegen wir … meine Begleiter und ich nach Mandura gekommen sind. Wobei Meister Dibistin sein Anliegen sicher besser erläutern kann. “ Er wartete, während die Frau seine Worte auf Manduranisch wiederholte, leckte sich nervös die Lippen; es war schwierig. „ Er … Meister Dibistin und zwei seiner geschätzten Kollegen, die sich gleichfalls in der Stadt aufhalten, wünschen dringend mit Euch, Majestät, und noch vielmehr mit Eurem Sohn über die heikle politische Lage in den Nordlanden zu sprechen .“
Etwas am Gesichtsausdruck des Königs schien sich zu verändern, seine freundliche Aufgeschlossenheit wich einer ernsten Miene. „Wie Euren Begleitern sicherlich bekannt ist, Mikkelaus, weilt der Namenlose derzeit nicht in Samala Elis“, erklärte der Mann schroff.
Verdattert schaute Mikkie den König an. Fast erhoffte er sich Hilfe, eine Erklärung von der jungen Frau, ahnte aber, dass er die nicht bekommen würde. „ Dann … dann warten wir natürlich gern. Auf seine Rückkehr .“
Die Frau schüttelte sacht den Kopf, ebenso ernst wie der König. „ Er, der Namenlose, wird nicht zurückkehren. “
„ Das …“ Er schluckte, schwitzte plötzlich und kam sich entsetzlich dumm vor. „ Es tut mir Leid, verzeiht vielmals, ich …“
Erneut schüttelte sie den Kopf und Mikkie wusste nicht zu deuten, was sie ihm sagen wollte. Falls sie ihm etwas sagen wollte.
„ Ich fürchte, manchmal sollte ich das Reden lieber den Wissenden und Weisen überlassen. Kein guter Zeitpunkt? “
Sie nickte, übersetzte, und irgendwie beruhigte ihn das. Etwas. Er hatte zig Fragen, hunderte, an erster Stelle tatsächlich die nach ihrem Namen … und nach dem hübschen, blonden Mädchen, beließ es aber dabei. „ Wir kommen wieder .“
Und das übersetzte sie nicht. Mikkie grinste und verbeugte sich tief vor dem König, bevor er und seine Begleiter sich verabschiedeten.
* * *
Bereits am nächsten Tag traf Mara sich erneut mit dem dunkelhaarigen Zauberer, Sakar, im Gasthaus ‚Am Osttor‘, nicht im ‚Schlauen Fuchs‘ oder dem ‚Stier‘. Einerseits war sie neugierig, was der Mann ihr über Magie zu erzählen hatte, zugleich aber wollte sie ihm nicht begegnen. Sie wollte in ihm nicht ihren Vater sehen, denn das … ließ ihr gesamtes Leben falsch erscheinen, stellte alles in Frage.
Wenigstens würde Jula sie, was ihre Stimmung ein wenig hob, später noch zu Esme begleiten; sie brauchte ein Kleid. Brautkleid. „Jula?“
„Ja?“
„Bist du mir böse?“
„Warum sollte ich dir denn böse sein? Gut, du heiratest einen anderen, ausgerechnet meinen Hauptmann, der mir ständig droht, er würde mir jeden Knochen einzeln im Leibe brechen, wenn ich dir zu nahe komme. Du hast so gut wie gar keine Zeit mehr für mich und meine Chancen, in nächster Zukunft mit dir zu schlafen, sind erbärmlich gering: so gesehen hätte ich jeden Grund, dir böse zu sein. Andererseits hast du mich gebeten, dich zu begleiten, wenn du dir ein Brautkleid anfertigen lässt, und das wiederum betrachte ich als große Ehre. Wenn du mir jetzt noch versprichst, auf deiner Hochzeit mehr als nur ein Mal mit mir zu tanzen, könnte ich mich dazu durchringen, dir nicht allzu böse zu sein.“
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