Ein seltsames Gefühl, ein Schwert zu tragen; das Gewicht an der Hüfte ungewohnt. Davian hatte Mara den Schwertgürtel umgebunden, ihr formlos das Schwert überreicht – nach dem Unterricht, lange nachdem sie Les das erste Mal besiegt hatte und Jon längst gegangen war.
Mara hatte noch eine Weile allein weiter trainiert, Davian hatte ja Dienst, und Janek hatte ihr weiterhin Gesellschaft geleistet, jedoch kaum ein Wort gesagt. Sie hatte den Jungen anschließend zum Essen in den Speisesaal der Garde mitgenommen.
Ein beunruhigender Gedanke, das Schwert zu ziehen in dem Wissen, sie konnte damit umgehen, besser als viele andere.
Vorsichtig nippte Mara an ihrem Bier, es war bitter und ziemlich stark, musterte Les. „Seid Ihr noch immer ärgerlich?“
„Weil Ihr mich besiegt habt, vor dem Jungen?“ Er zuckte die Achseln, verzog das Gesicht zu einem Grinsen und zeigte ihr seine Zahnlücke. „Das nächste Mal gewinne ich.“
„Das glaubt Ihr. Hier gibt es vermutlich keinen Tee?“, ahnte sie.
„Nee, nur Bier oder Branntwein, aber der ist … Und der Hauptmann macht mich fertig, wenn ich Euch so starkes Zeug trinken lassen.“
„Ihr trinkt das aber? So starkes Zeug?“
„Manchmal. Warum?“
Mara zuckte die Achseln. „Nur so. Seid Ihr öfter hier?“
„Kommt vor.“ Offenbar hatte Les keine Lust, sich mit ihr zu unterhalten.
Mara trank einen weiteren Schluck, schob den Krug zurück und schaute sich im Schankraum um, der sich inzwischen gefüllt hatte. Sie hielt Ausschau nach den Kapuzenträgern … Priestern. An den Tischen waren kaum mehr Plätze frei.
„Les?“
Er brummte nur mürrisch, hob gerade mal den Kopf.
„Fünf Männer in grauen Kapuzenmänteln, Kutten, und einer ist ganz eindeutig ein Priester des Jägers.“ Sie erkannte Jo’quin, der sich die Kapuze vom Kopf geschoben hatte.
„Wo?“
„Haben einen guten Platz gefunden. An der Balustrade.“
Les grinste, hob seinen Krug und sah unauffällig zu Davians Tisch hinüber. „Ach nee. Mit so einem Gesicht sollte der sich hier besser nicht herumtreiben.“
Mara ahnte, dass Les von Jo’quin sprach. „Was stimmt nicht mit seinem Gesicht?“
„Zu hübsch. Gibt nur Ärger, und er sieht nicht danach aus, als könnte er sich wehren.“
„Ach? Aber …“
„Jula ist ein großer, starker Mann, Liebchen, gefährlich, die Leute kennen ihn.“ Seine Augen glitzerten. „Und an Euch lasse ich niemanden ran, keine Sorge.“
„Wie fürsorglich von Euch. Ihr würdet Euch meinetwegen schlagen?“
Sein Grinsen wurde breiter, das Glitzern in seinen Augen schien sich zu verstärken. „Hatte schon schlechtere Gründe. Noch ein Bier?“
„Danke, ich bin versorgt.“
Er nickte, erhob sich. „Ich hol mir noch eins, lauft nicht weg. Und lasst Euch nicht von fremden Kerlen ansprechen.“
Mara grinste nur, legte die Beine auf den Tisch und lehnte sich zurück, die Arme über der Brust verschränkt, betrachtete müßig das Gedränge an der Tür. Noch mehr Gäste. Offenbar regnete es wieder und hier drinnen war zwar die Luft schlecht, aber wenigstens war es trocken und warm. Ein junger Mann, sicher kaum älter als zwanzig, mager und nicht besonders groß, fast zart gebaut, der hier völlig fehl am Platz schien, schob sich seltsam unentschieden auf Maras Tisch zu.
Vor dem unvermutet Sakar aufragte. Der dunkelhaarige Mann im offenen, langen schwarzen Mantel setzte sich unaufgefordert. „ Ihr gestattet doch? Euer … Aufpasser scheint sich ja anderweitig zu amüsieren. “
Mara runzelte die Stirn, der junge Bursche hatte sich eilig abgewandt und war in der Menge verschwunden, musterte den Mann kühl. „ Er holt sich noch ein Bier. “
„ Sieht ganz so aus. “ Überheblich lächelnd schaute der Mann zum Tresen, wo Les in ein sehr enges Gespräch mit einer üppigen, aufreizend gekleideten und nicht mehr ganz jungen Frau verwickelt schien.
Mara zuckte die Achseln und trank einen Schluck. Bemerkte durch den Raum Davians aufmerksamen Blick.
„ Gibt es hier wirklich bloß dieses scheußliche Bier? “, fragte Sakar, auf ihren Krug deutend.
„ Branntwein, wenn Euch der lieber ist .“
„ Vermutlich ebenso mies wie das Bier und diese grauenhafte Musik. “
Die war in der Tat schlecht, über dem Lärm allerdings kaum zu vernehmen. „ Für gute Musik müsst Ihr in andere Tavernen. “
„ Wo auch Essen und Getränke besser wären? “ Sakar winkte herrisch der Bedienung, einer knochigen, müde wirkenden Frau, bestellte zwei Gläser Branntwein. „ Ich darf Euch doch einladen? “
„ Solange Ihr nicht erwartet, dass ich das Zeug auch trinke. Ich vertrage nicht viel. “
Sakar lachte spöttisch. „ Was macht Ihr dann hier, in einer solch schäbigen Umgebung? “
„ Vielleicht das gleiche wie Ihr? Ich schaue mich um. “
Er nickte, musterte sie eingehend. Beinah schon zu eindringlich. „ Ihr … seid keine Manduranerin. Aus dem Süden? “
„ Von jenseits der Tameran-Kette, aus dem Grenzgebiet zu Kalimatan. Ihr sagtet, Ihr stammt von Erian Jasa, Sakar? “
„ Das ist richtig, von der westlichsten der Inseln. Falls Euch das etwas sagt. “
Mara verneinte. „ Und was führt Euch den weiten Weg nach Mandura, nach Samala Elis? Etwa Geschäfte? “
„ Im weitesten Sinne, obwohl wir, Meister Liz-Rasul und ich, eher mit Wissen handeln denn mit weltlichen Gütern. “
Sie nahm die Beine vom Tisch und beugte sich interessiert vor. „Meister?“
„ Ja, Meister . Die Ehrenbezeichnung für einen Könner seines Faches “, erläuterte Sakar unnötigerweise.
„ Und das seid Ihr auch, ein Meister? “, mutmaßte Mara.
Sakar lächelte arrogant. „ Das bin ich allerdings, Kind, ein Meister. Magier der neunten Stufe. “
„Aye …“ Zufrieden lehnte sich Mara zurück, sie hatte es geahnt: die beiden Männer, Liz-Rasul und Sakar, waren Zauberer. Magier der neunten Stufe. „ Und das bedeutet? “
Er lachte verdutzt. „ Das bedeutet? Das zu erklären ist hier wohl kaum der richtige Ort und die richtige Zeit, Kind. “
„ Na ja, dann morgen. Wir könnten uns ja am Nachmittag treffen, im ‚Stier ‘ oder meinetwegen auch im ‚Schlauen Fuchs‘ , obwohl der ziemlich teuer ist. Aber günstig gelegen … wo Ihr wollt, und dann könnt Ihr mir auch … “
„ Wie bitte? “, unterbrach Sakar sie schroff. „ Warum, beim Schwanz der sechszehigen Echse, sollte ich dir irgendetwas erklären? “
„ Weil ich …“ Mara biss sich auf die Lippen, wollte zum Krug greifen, schob ihn aber, ernüchtert ob des Geruchs, schnell zur Seite und blickte Sakar offen an. „ Ich könnte Euch helfen .“
„ Wovon redest …“ Sakar wirkte mehr als nur irritiert und schien kurz davor, ärgerlich zu werden. „ Wobei willst du mir denn bitte schön helfen? “
Die knochige, ältliche Bedienung stellte wortlos zwei kleine Gläser auf den Tisch. Mara tunkte, nach einem Blick auf Sakar, den Finger in ihr Glas, leckte ihn ab und verzog das Gesicht; das Zeug schmeckte widerlich bitter, am liebsten hätte sie ausgespuckt. Grinste, als sie Sakars Blick bemerkte, grinste sehr breit, als sie die Gestalt hinter Sakar erblickte. Sakar zog nicht die Schultern hoch, er sah sich auch nicht um, wirkte aber plötzlich überaus angespannt. „ Er steht direkt hinter mir? “
„Aye.“ Mara konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.
Davian griff sehr dicht an Sakars Kopf vorbei zu dem kleinen Glas vor Mara, trank jedoch nicht, sondern roch lediglich am Inhalt. „Wolltest du das trinken?“
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