„Mehr fällt dir nicht ein? Komm her!“, verlangte er.
„Nein! Du hältst mich bloß fest, weil du Angst hast, ich würde dich schlagen!“
„Ich habe keine Angst vor deinen Schlägen, nun komm schon her.“
„Das ist ein Trick. Du willst ja nur, dass ich in deine Nähe komme.“
„Klar, was denkst du? Du möchtest doch in meine Nähe kommen.“
Misstrauisch beobachtete Mara ihn, die Fäuste noch immer geballt. „Bild dir bloß nichts ein, ich … Bleib stehen!“
Er lachte, kam einfach auf sie zu. „Und wenn nicht?“
Mara schlug zu, einmal, mit der flachen Hand. Dann hielt Davian sie unerbittlich fest, drückte sie an sich. „Musste das sein?“
„Hast du mir doch beigebracht. Schlag dahin, wo es wehtut. Tut es weh?“
„Wie hast du es so treffend formuliert? Wir werden beide mit den Konsequenzen leben müssen.“
„Pah, du verdammter …“
Grob presste Davian den Mund auf ihren Mund und küsste sie hart, unbeherrscht. Ließ irgendwann ihre Arme los, so dass Mara sie um seinen Hals, seinen Oberkörper schlingen konnte. Sie hungerte, gierte nach seinen Küssen, seinem Körper, danach, von ihm angefasst zu werden, und zerrte sich hastig das Hemd über den Kopf, drängte sich an ihn, riss vor lauter Ungeduld an seinem Hemd und hörte ihn heiser lachen. „So wütend, Zauberin?“
Mara drückte ihr Gesicht an seine Brust, sie wollte ihn schmecken, seine Wärme, seinen Herzschlag spüren, noch enger, noch näher. „Oh, mach, bitte ! Fass mich an, Davian, fass mich an!“
„Mara, ich …“
„Mach! Worauf wartest du?“
„Sag nicht, du hättest Gefallen am Küchentisch …“
„Es ist mir gleich, wo, nur jetzt! Davi …“ Etwas klirrte, krachte, weiteres Geschirr auf dem Küchenboden, Mara hörte noch Davians heisere Stimme dicht an ihrem Ohr. „Du putzt nachher die Küche.“
Dann nur noch ein Strudel von Empfindungen, ein einziger Rausch.
(212. Tag, 1. Herbstmonat)
Davian hatte auch die nächsten Tage vom Mittag bis zum späten Abend Dienst und verbrachte die freien Vormittage damit, Mara im Schwertkampf zu unterrichten. Vor dem eigentlichen Unterricht musste sie, unter seinem aufmerksamen, kritischen Blick, immer das gleiche Programm absolvieren: fünf Durchgänge Basisübungen mit einem ungeschliffenen Schwert – nicht mehr mit einem hölzernen Übungsschwert, wegen des Gewichts –, danach zehn Runden um das Übungsfeld laufen und anschließend noch einmal fünf Durchgänge, aber im doppelten Tempo.
Zurück in dem kleinen Übungsraum fand sie Davian am vierten Tag dann nicht mehr allein vor. Der schlaksige blonde Junge, Jons Sohn Janek, lehnte lässig an der Wand, die Arme über der Brust verschränkt, und grinste sie dreist an. Mara erwiderte knapp seinen nachlässigen Gruß und stellte sich, noch ein wenig außer Atem, in Position.
Mit ausdrucksloser Miene hielt Davian ihr ein Schwert hin, nicht das, mit dem sie die Übungen begonnen hatte, und ignorierte ihren fragenden Blick. „Worauf wartest du? Fünf Durchgänge im doppelten Tempo. Ich will sehen, wie du mit der Länge zurechtkommst.“
„Es ist geschliffen.“
„Dann schneid’ dir nicht die Finger ab.“
Mara beschwerte sich nicht länger. Das Schwert lag gut in der Hand und schon nach kurzer Zeit hatte sie sich an die ungewöhnliche Länge – kein Kurzschwert, aber ganz sicher auch kein Langschwert –, gewöhnt. Sie kämpfte ja auch nicht damit, vollführte bloß grundlegende Bewegungen und Schritte.
Davian beobachtete sie skeptisch. „Schneller, Mädchen. Oder ist es dir zu schwer?“
„Nein. Ungewohnt.“
„Verstehe. Noch mal fünf Durchgänge, Janek passt auf, dass du nicht mogelst.“
„Ich mogele nicht, ich …“
Doch Davian hörte ihr nicht weiter zu und verschwand in Richtung der Umkleideräume.
Finster blickte sie Janek an und begann ein weiteres Mal mit den Basisübungen, verdoppelte das Tempo. Gewöhnte sich an das Schwert, an Länge und Gewicht des Schwertes. Sie achtete nicht mehr auf den Jungen, schaute nicht auf, als sie jemanden in den Saal kommen hörte: nicht Davian, dessen Schritte kannte sie, zwei Personen, danach erst er.
Mara hatte den vierten Durchgang noch nicht beendet und fuhr fort. Es machte tatsächlich Spaß, es war gut .
Davian unterbrach sie. „Das reicht, Mädchen.“
„Ihr sagtet, fünf Durchgänge, Hauptmann, doch das waren erst vier. Fragt ihn.“ Sie deutete auf Janek und verneigte sich höflich vor Jon, dem Schwertmeister, nickte Les zu, der vollständige Schutzkleidung trug.
Davian reichte Mara eine dick gepolsterte Lederweste und half ihr, Arm- und Beinschützer anzulegen. Jon, der schweigend zugesehen hatte, räusperte sich, ein sprödes Lächeln auf den Lippen. „Ich würde Euch gern in einem Zweikampf sehen, Mara. Und der Gardist hat sich freundlicherweise dazu bereit erklärt.“
Das konnte Mara sich allerdings gut vorstellen, bisher hatte Les immer gewonnen. Wenn auch manchmal nur knapp und mit Hilfe reichlich unfeiner Tricks. Sie erwiderte Les’ breites Grinsen. „Ja, sehe ich.“
Sorgfältig prüfte Davian die Riemen der Schutzweste, die ledernen Manschetten um ihre Handgelenke, schnallte sie fester. „Lass dich auf keinen Nahkampf ein, Mädchen, da hast du gegen ihn keine Chance.“
Mara nickte sinnend, in Gedanken schon nicht mehr bei ihm, wandte sich um und griff Les an.
Les war nicht wirklich überrascht, nicht sehr, er kannte Mara schließlich aus dem Training und außerdem war dies sein Beruf. Er parierte Maras überhasteten Angriff und hielt sie erst einmal auf Abstand, bevor er seinerseits angriff. Einen langen Kampf würde sie gegen den Mann, der wesentlich schwerer und kräftiger war als sie, nicht durchstehen.
„Euer Schwert ist nicht geschliffen, Les“, bemerkte Mara.
„Stimmt. Ich will Euch nicht umbringen.“
„Nur verprügeln.“
„Ihr sagt es.“
„Ha! Dazu müsstet Ihr mich treffen.“
Les verzog das Gesicht, zeigte ihr seine Zahnlücke. „Das werde ich, Liebchen. Spart besser Euren Atem.“
Mara wehrte seinen plötzlichen Hieb ab, drehte sich in seinen Angriff hinein und rammte ihm das Schwertheft hart in die Seite. Wandte sich dann in die andere Richtung und schlug zu, traf ihn tatsächlich am Oberschenkel, nur mit der flachen Seite, aber immerhin. Sah … nein, keine Überraschung, aber so etwas wie Respekt in seinen Augen aufblitzen. „Weiter, Liebchen, gönn mir keine Pause. Du musst nachsetzen.“
Doch Mara blieb vorsichtig, auf Distanz, sie wusste, wie hart und brutal Les‘ Schläge waren, wusste, wie wenig sie dem auf Dauer entgegenzusetzen hatte und versuchte es erneut mit einer Drehung. Wich Les’ Tritt und dem anschließenden Fausthieb aus und traf wiederum sein Bein, knapp oberhalb des Knies. „Wolltet Ihr mich nicht treffen, Les?“
„Kannst es kaum erwarten, wie?“ Er grinste noch immer, bedachte Mara mit einem regelrechten Hagel von Schwerthieben, die sie gerade so parieren konnte. Ihre Finger kribbelten. Und dann traf sie doch ein Schlag gegen den Oberarm. Kurz erwog sie, die Schwerthand zu wechseln, nicht wegen des Treffers, ließ es aber und schwang das Schwert rasch in einem weiten Bogen in Hüfthöhe – nicht sehr raffiniert, trotzdem wich Les lachend einen Schritt zurück. „Das ist doch keine Streitaxt.“
„Nein, ein Schwert.“ Mara stieß zu, doch er wich seitwärts aus, befand sich mit einem Mal in ihrem Rücken und schlug seinerseits zu, mit der flachen Seite des Schwertes hart auf ihren Hintern. Jedenfalls hatte er das wohl vor. Aber Mara riss ihr Schwert zurück, während sie sich gleichzeitig drehte, und begegnete schwungvoll seinem Schlag. Verbiss sich ein Ächzen, ließ sich einfach gegen Les fallen, der sie intuitiv festhielt, zog das Knie hoch und traf, nicht sehr fest, seine Leiste.
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