Nicole Heuer-Warmbold
Ein Ende des Krieges
Mandura - Die Anfänge V
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Inhaltsverzeichnis
Titel Nicole Heuer-Warmbold Ein Ende des Krieges Mandura - Die Anfänge V Dieses ebook wurde erstellt bei
Ein Ende des Krieges Ein Ende des Krieges Mandura – Die Anfänge V
Prolog
Kapitel 1 – Verdrängung
Kapitel 2 – Wut
Kapitel 3 – Akzeptanz
Kapitel 4 – alte und neue Klagen
Kapitel 5 – Begehren
Kapitel 6 – Altlasten
Kapitel 7 – In Erwartung
Kapitel 8 – Zank, Streit & Liebe
Kapitel 9 – Dinge, die noch zu erledigen …
Kapitel 10 – Der letzte Zug
Kapitel 11 – Im Tal
Kapitel 12 – Vor den Toren
Kapitel 13 – Blick in den Abgrund
Kapitel 14 – Lasst die Spiele beginnen
Kapitel 15 – Belagerung
Kapitel 16 – Opfergang
Kapitel 17 – Im Kessel
Kapitel 18 – Der nächste König
Kapitel 19 – Bringt die Katapulte in Stellung!
Kapitel 20 – Feuer am Himmel
Kapitel 21 – Des getöteten Königs Hunde
Kapitel 22 – Seines Bruders Schwert
Kapitel 23 – Brief an Iba
Impressum neobooks
Mandura – Die Anfänge V
Verträumt sah Roderick den Schneeflocken zu, wie sie sich trudelnd und taumelnd ihren unzähligen Brüdern und Schwestern in der weißen Weite hinter dem Fenster zugesellten – vielleicht eine Pferdeweide, vielleicht ein großer Garten –, gänzlich unberührt von den Sorgen und Nöten der Menschen, ihrem Wirken, ihrem Scheitern, und alles unter sich begruben. Zuweilen erhaschte er eine andere Bewegung in der zunehmenden Dunkelheit, schneller, zielgerichteter, und redete sich ein, es wären keine Wölfe oder anderes Raubgetier.
Doch in dieses formidable Gebäude, das Anwesen des Statthalters von Kirjat, mit seinen festen Mauern und starken Türen, mit seinen prasselnden Kaminfeuern, den farbenfrohen Wandbehängen und Bildern und Gemälden, üppigen Teppichen, den so bequemen Polstermöbeln, gelangten sie sicher nicht hinein.
Der Statthalter, zugleich Kommandant der Grenztruppen, Hauptmann Berit Remassey, war ein kluger, höflicher, mitunter etwas streng wirkender ruhiger Mann, nicht so übermäßig groß wie viele Manduraner. Sein Humpeln fiel kaum mehr auf, sein verletztes Knie und selbst seine gebrochene Schulter würden folgenlos heilen, den Arm bewegte er schon wieder recht geschmeidig. Roderick hatte ihn vorhin noch in seinen privaten Räumen aufgesucht, er mochte den Mann, und dieser hatte sich einmal mehr gewissenhaft nach dem Befinden der Frau erkundigt. Mara, der Magierin, die nach den Geschehnissen in Birkenhain: dem Tod ihres Mannes, der völligen Zerstörung des Ortes und dem anschließenden, mörderischen Kampf gegen die Ostländer, verletzt und immer mal wieder bewusstlos nebenan in dem abgeschiedenen Schlafgemach lag. Wohlbehütet, denn Meister Sakar ließ außer Gretta und deren Tochter – und diesem Gardehauptmann Ivorek, der Sakar schlicht ignorierte und sich selbst wohl als Maras Wächter ansah – niemanden zu der jungen Frau.
Für Gretta und ihre Zwillinge war es, anders als für die Mehrzahl der noch verbliebenen Einwohner Birkenhains, nie eine Frage gewesen, den Ort und die Ruinen ihres einstigen Zuhauses zu verlassen. Die Pflege und Obhut der jungen Frau, bei der Gretta und Toni ihm und Sakar aber lediglich zur Hand gingen, gab ihnen einen willkommenen zusätzlichen Grund.
Hauptmann Remassey hatte ebenfalls davon gesprochen, seine Kinder in die Hauptstadt zu schicken, obgleich die Gefahr durch ostländische Truppen für Kirjat jetzt recht gering schien. Außerdem war Domallen ja noch mit drei, vier Gardeeinheiten vor Ort, genau wusste Rod es nicht.
„Ich will auch heilen können, so wie du.“
Blinzelnd sah Rod auf das schlaksige Kind … das junge Mädchen in der Tür des Salons und richtete sich in dem bequemen Sessel auf; manchmal verwechselte er Toni tatsächlich mit ihrem Bruder Tom, der sprach allerdings noch weniger als seine Zwillingsschwester. Hatte der Duft der Speisen sie hergelockt?
„Ach ja?“ Irritiert, einen Moment verwirrt von ihren Worten deutete er zum Tisch, dem kleinen abendlichen Imbiss vor sich. „Bedien dich.“
Sichtlich widerstrebend kam das Mädchen – es war nicht wirklich hübsch, zu groß, zu knochig – ins Zimmer, kein Schlafzimmer, sondern ein reiner Wohnraum, behaglich und angenehm warm dank des Feuers im Kamin.
„Die Frau schläft“, das Mädchen setzte sich schließlich auf die Kante eines üppig gepolsterten Sessels. „Was muss ich tun?“
Rod schob dem Mädchen eine Tasse zu, schenkte Tee ein. „Lernen, lernen und noch mehr lernen, dein ganzes Leben lang, denn du weißt niemals genug.“
Das Mädchen, Toni, schnupperte misstrauisch an dem Tee, bevor sie vorsichtig nippte. „Bin nicht dumm.“
Vielleicht ein wenig … beschränkt, langsam, doch das konnte Rod nicht ernsthaft beurteilen, das Mädchen verhielt sich seltsam.
„Das habe ich auch nicht behauptet.“ Er trank seinerseits einen Schluck, bemüht, Toni nicht auffällig zu mustern. „Woher weißt du, dass sie schläft?“
„Hörst du … wie sie atmet, ganz ruhig, tief. Willst auch schlafen.“
„Ja“, er lachte ungewollt. „Es ist gut, wenn sie schläft. Ich weiß nicht genau, wie das hier geregelt ist, mit dem Studium der Heilkunde.“
„Im Tempel. In große Stadt, Samala Elis.“
„Das wäre wohl ein Weg“, musste er zugeben. Nur konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass der Tempel… Rod verzog das Gesicht, zuckte die Achseln.
„Was?“ Toni sah ihn erbost an. „Ich gehe nach Samala Elis!“
„Wir alle, du, deine Mutter, dein Bruder, die Frau...“ Warum nannte er Mara nicht beim Namen, hatte er so große Angst vor ihr? Sie war doch nicht schuld an seinen Alpträumen, sie hatte ihn verschont! Und doch hörte er jede Nacht wieder und wieder ihre Frage: Willst du sterben? Fragte sich, ob er … Was hätte es denn geändert, wenn er geblieben und ausgeharrt hätte, der Hauptmann, ihr Mann, war zu dem Zeitpunkt bereits tot. Es hätte nichts geändert. „… noch einige andere. In den nächsten Tagen.“
(637. Tag, Winteranfang)
Reik hätte zu ihr gehen sollen. Wenn nicht sofort, so doch am zweiten, dritten Tag, auf Berits Anwesen in Kirjat. Während dicht der Schnee fiel, der eisige Wind um die Ecken, über die Dächer pfiff. Hätte sich in diese ruhige, abgedunkelte Kammer begeben sollen, die Luft schon etwas abgestanden, ein wenig säuerlich, alle anderen Anwesenden wegschicken und sich zu ihr, Gènaija, legen. Sie fest in seine Arme schließen, das Gesicht in ihren zerwühlten, verschwitzten Locken vergraben, derweil sie sich schluchzend an ihn klammerte, und endlos weinen, untröstlich, heiser schreiend, denn Davian war tot.
Er tat es nicht. Der zweite große Fehler seines Lebens.
Reik hätte zu ihr gehen sollen, gemeinsam mit ihr trauern, Trost spenden, wo es doch keinen Trost gab. Aber er hatte es nicht getan.
Und jetzt? Lungerte, lauern wäre die passendere Beschreibung, er ihr hier auf dem dunklen Gang auf und hoffte, sie würde kommen. Dabei wusste sie ja, wo er sich aufhielt, was er tat, er konnte sie gar nicht überraschen. Falls sie es tatsächlich wusste, er hatte das nie hinterfragt. Und er wünschte sich ... Nein, er sehnte sich nach ihr, ihrer bloßen Gegenwart, selbst wenn sie mies gelaunt und mürrisch und wortkarg... Nur ihre Nähe, ihr Geruch und das Gefühl, sie in seinen Armen zu halten, sie fest an sich zu pressen, und alles andere würde dann... Er träumte.
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