„Worum geht es denn?“, fragte sie nach.
„Du verlierst keine Zeit, kommst immer direkt zur Sache.“
„Weißt du doch“, sie zwang sich zu einem Lächeln. „Übers Wetter wüsste ich auch nichts Bemerkenswertes mehr zu sagen, ich bin keiner deiner Pächter.“
„Mein Glück, hm? Zwei Dinge“, begann Sandar und reichte ihr hastig einige Papiere, mit goldenem und blauem Band umwickelt, die er in der Hand gehalten hatte. „Zum einen: eine Abschrift, eine bloße Kopie meines Berichts über die Ereignisse in… bei Birkenhain, ohne irgendwelche Ergänzungen speziell für dich.“
Mara nickte, die Lippen zusammengepresst, nahm die Papiere an sich.
„Ich meine, die… das solltest du haben. Wissen. Und wenn du unbedingt fragen…“ Er leckte sich die Lippen, sah sie nicht an.
„Ich frage nicht.“
„Gut.“ Er klang nicht erleichtert. „Die andere … Sache … wäre eher privater Natur, also … Wenn du darauf… ich könnt ’s verstehen.“
„Vielleicht sollten wir uns kurz auf die Bank setzen?“, schlug sie vor, um sein Gedruckse zu unterbrechen.
„Du bist schrecklich, Liebes, warum sagst du nicht einfach…“
„Wir sind Freunde, Sandar“, Mara nahm ihm ihren Sohn ab und auf der Bank, hart und kalt, Platz. „Und diese zweite Sache bedrückt… beschäftigt dich offenbar sehr.“
„Ja“, gab er zu und setzte sich dicht neben sie. Legte ihr locker den Arm um die Schultern, es war angenehm, da ein wenig wärmer, und griff nach ihrer freien Hand. „Du... Da du ja die Klarheit liebst: Sie ... Lu hat mich rausgeschmissen.“
Aufmerksam wandte sie ihm das Gesicht zu. „Ja?“
Er zuckte die Achseln. „Mich gebeten, sie in allernächster Zeit nicht mehr aufzusuchen, weil...“ Schüttelte den Kopf. „Ich… muss dir das, unsere Aussprache, wohl nicht in allen Einzelheiten schildern, jedenfalls hat sie mir einige unschöne Dinge sehr deutlich gesagt, ich wäre... ich täte ihr weh. Und sie hätte Angst vor mir.“ Sandar schwieg, sah sie nicht an.
„Und? Tust du ihr weh?“
„Ich... ich fürchte, ja. Scheiße, ich... Ich bin vermutlich nicht mehr sehr zartfühlend und rücksichtsvoll, wenn ich betrunken bin und... Das soll keine Entschuldigung sein“, erklärte er hastig.
„Das ist keine Entschuldigung, Sandar. Und auch deine Trauer ist keine Entschuldigung, dein Schmerz, nichts davon.“ Das gleiche könnte sie zu sich selbst sagen. „Sie hat dich wirklich sehr gern, hm?“
„Lu hat mir bestimmt dreimal gesagt, sie liebe mich, von Familie, von Kindern gesprochen, und trotzdem ... Ist vielleicht besser so.“ Seufzend stützte er den Kopf in die Hände. „Dreck, Mara, wir ... ich hatte alles! Und dann mache ich es kaputt, aus Schwäche, aus Selbstmitleid, weil ich ...“
„Hör auf“, unterbrach Mara ihn und strich über seinen gesenkten Kopf, fuhr mit den Fingern in sein dichtes Haar, als sie ihn aufschluchzen hörte, ihr bald selbst die Tränen kamen. „Hör auf damit, Sandar.“
* * *
Sichtlich aufgebracht lief Mikkie in Tessas Schlafzimmer auf und ab und schien sich dabei immer mehr in Rage zu reden. „Dein Bruder macht doch nicht ohne Grund einen solchen Druck, er hält es tatsächlich für sicherer, wenn ihr, du und deine Mutter, wie alle anderen Frauen und Kinder die Stadt verlasst.“
„Und du?“ Tessa sah ihn nicht an, hatte sehr offensichtlich das Gesicht abgewandt. „ Wie denkst du darüber?“
Er schüttelte den Kopf, erst langsam, dann immer heftiger. „Ich weiß es nicht. Dein Bruder hat mehr Erfahrung, sehr viel mehr Erfahrung im Kampf als ich, und…“
„Wir haben den richtigen Zeitpunkt verpasst.“ Sie sah ihn noch immer nicht an, sprach sehr leise, verhalten. „Wir hätten längst auf dem Weg nach Westen, in deine Heimat sein sollen, doch wir… Und jetzt sieht es so aus, als würden wir… als würde ich alle im Stich lassen. Weglaufen, wenn es zu schlimm wird.“
„Birkenhain war schlimm, richtig schlimm. Sagt Roderick, und er war dort.“
„Aber Samala Elis ist eine Stadt, eine große, befestigte Stadt, kein kleines Dorf. Wir haben eine Stadtmauer, zigtausende Soldaten, die Garde…“
„Tessa“, er hockte sich vor sie, umfasste sanft ihre Handgelenke. „Tessa, da kommt eine Armee! Dein Bruder und jeder, den du fragst, erwartet, dass sie die Stadt belagern werden, bis es… bevor es zum Kampf kommt. Und spätestens… allerspätestens dann ist jeder, der nicht kämpfen kann, in höchster Gefahr, dann steckst du hier in der Falle!“
„Was soll ich denn tun?! Was sollen wir denn dann tun, Mikkie? Ich will nicht… ich will dich nicht allein lassen und ich will nicht zusehen müssen, wie du kämpfst, wie irgendjemand kämpft und stirbt und verletzt wird und… Mikkie!“
Hastig schlang er die Arme um sie, und sei es nur, um sie am Schreien zu hindern. Aber Tessa schrie nicht, hatte sich überraschend schnell wieder in der Gewalt. „Ich laufe nicht weg, Mikkie. Und solange meine Mutter, solange die Königin bleibt, bleibe auch ich.“
Er schüttelte nur den Kopf, küsste sie leidenschaftlich. Sprach nicht aus, was er dachte.
(~705./707. Tag)
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