1 ...6 7 8 10 11 12 ...36 „Weil … ich weiß es nicht“, stotterte Mara. „Ich dachte, ich müsste mit rechts …“
„Führe das Schwert erst mal mit der Hand, mit der du auch alles andere tust, Mädchen. Später kannst du es immer noch mit rechts probieren, meinst du nicht auch?“
„Ja?“
„Ja, und jetzt schau nicht so unzufrieden drein. Es ist noch niemand nach der ersten Unterrichtsstunde zum Schwertmeister geworden. Hoch mit dir!“ Malin half Mara auf die Beine, nahm ihr das Übungsschwert ab und schickte sie ins Badehaus, wo Mara sich genüsslich in das heiße Wasser sinken ließ.
Sina bestand darauf, ihr den verspannten Rücken zu massieren, ebenso Arme und Beine. Sie meinte, andernfalls könne sie sich morgen überhaupt nicht mehr bewegen. Es klang wie ein Vorwand, aber Mara stimmte dennoch zu. Fast augenblicklich schlief ein, womit Sina sie noch tagelang aufzog und neckte.
Sina gab Mara mehr als deutlich zu verstehen, was sie von ihr wollte, dass sie sie begehrte, drängte sie aber nicht. Sie berührte Mara auch nicht übermäßig oft, legte vielleicht von Zeit zu Zeit einmal den Arm um ihre Schultern oder ihre Hüften, zerzauste ihr das Haar. Doch das war unter den Frauen im Tempelbezirk kein ungewöhnliches Verhalten.
Milla war Mara gegenüber mit Zärtlichkeiten wesentlich freigiebiger – und umgekehrt. Fast ständig gingen sie Arm in Arm, umarmten und küssten sich bei jeder erstbesten Gelegenheit.
Allerdings frage Mara Milla nie, ob sie die Nacht bei ihr verbringen wollte. Sie wollte Milla nicht in die Verlegenheit bringen, abzulehnen. Ein seltener Anflug von Feingefühl, denn meist ging sie nicht so schonend mit anderen um.
* * *
„Hauptmann Kev …“ Verwundert begrüßte Reik den Mann, Remasseys Stellvertreter bei den Grenztruppen, in seinem Arbeitszimmer. „Was führt Euch nach Samala Elis?“
„Immer der gleiche Ärger, würde ich sagen …“ Hauptmann Kev verneigte sich respektvoll. „Danke, dass Ihr mich so schnell empfangt.“
„Nichts zu danken. Nehmt Platz“, gebot er dem erfahrenen Soldaten, der während Reiks Zeit bei den Grenztruppen für einige Monate auch sein Hauptmann gewesen war. „Ist es das, was ich befürchte: schon wieder ein Überfall?“
„Bereits der vierte dieses Frühjahr.“ Kev ließ sich grummelnd in einen Sessel fallen. „Diese feigen Hunde … terrorisieren die Leute, setzen Ställe und Scheunen in Brand, während die Menschen auf dem Feld arbeiten. Vor sechs Tagen kamen sie allerdings nachts.“
Auf einer Karte zeigte der Hauptmann ihm die Lage des Ortes, dessen Name Reik vertraut vorkam.
„Zwei Dorfbewohner, ein Familienvater und ein junges Mädchen, kamen ums Leben. Etliche andere wurden verletzt, entweder bei den Löschversuchen oder im Kampf gegen die Angreifer. Keine Uniformen und ganz sicher keine Soldaten, meinten die Dorfleute.“
„Ihr wart selbst da?“, erkundigte sich Reik.
„Ja, doch ich kam zu spät“, bestätigte Kev verbittert.
„Ihr könnt nicht überall sein“, gab Reik zu bedenken, auch wenn das ein schwacher Trost war.
„Ich weiß. Und Remassey weiß das ebenfalls. Er erwägt, Euer Einverständnis und das seiner Majestät vorausgesetzt, die Grenztruppen zu verstärken.“
Reik nickte nachdenklich, fuhr sich über das Kinn. „Soll er nur, ich würde die Grenztruppen selbst gern so schnell wie möglich vergrößern, und zwar deutlich.“
„Ist das Euer Ernst, Hoheit?“, fragte Kev überrascht.
„Ja. Erst neulich sprach ich mit Berit darüber. Aber die Ausbildung fähiger Soldaten dauert nun einmal seine Zeit … und der Thronrat möchte gewiss ein Wörtchen mitreden, Einwände vorbringen …“ Er zuckte die Achseln. „Drei Einheiten kann ich jederzeit ohne Rücksprache bewilligen. Aber sagt Berit, dass mir das nicht genügt! Zum Herbst will ich die Stärke der Grenztruppen verdoppelt haben.“
„Aber…“, wollte Kev einwenden.
„Aber da Euch das hier und jetzt nicht weiter hilft, werde ich zwei Garde-Einheiten zur Unterstützung nach Kirjat entsenden. Erst einmal für zwei, drei Monate.“ Ihn war nicht nach scherzen zu Mute. „Das hilft Euch und bringt den Gardisten ein paar praktische Erfahrungen mehr. Vielleicht komme ich selbst vorbei.“
Noch waren die hohen Lehnstühle um den großen Tisch herum unbesetzt, brannte kein Feuer im Kamin. Die Luft im Sitzungsraum würde sich rasch erwärmen, wenn erst alle Hauptleute der Garde versammelt waren. Der lange Raum hatte etwas Düsteres, Höhlenartiges, trotz der beiden Fenster, von denen aus man auf den frühlingsgrünen Hang hinaus blickte. Schon bald würden hier nicht nur die Gardehauptleute zusammentreffen, sondern der Kriegsrat. Reik schüttelte sich, um das ungute Gefühl los zu werden. In einem halben Jahr, wie Hauptmann Davian meinte. Gleichzeitig wettete der aber auf einen Kriegsbeginn am Anfang des nächsten Jahres. Reik hoffte, es käme erst später dazu, damit sie Zeit gewannen, um noch mehr Männer zu bewaffnen und auszubilden. Mandura besaß im Gegensatz zu Kalimatan kein großes, stehendes Heer. Zerstreut fragte er sich, was Gènaija zu den Zahlen sagen würde, die sie hier gleich diskutieren würden. Sie hatte ihm angesichts der Anzahl Bewaffneter in Samala Elis vorgehalten, Mandura wäre kein friedliches Land. Ein berechtigter Vorwurf, aber Mandura hatte Feinde, Gegner, die ganz offensichtlich zum Krieg rüsteten. Davians Bericht ließ sich kaum anders deuten. Und er sollte …
Reik atmete tief durch, nickte den zuletzt angekommenen Männern beiläufig zu und begab sich zu seinem Platz an der Stirnseite des Tisches. „Guten Morgen“, begann er und räusperte sich. „Heutiges Thema ist der Bericht Hauptmann Davians, der zurückkam, während ich noch außer Landes war.“
„Verzeiht, Hoheit, aber was ist mit Eurer Reise in den Süden?“ meldete sich Hauptmann Hiron zu Wort, der ihm gegenüber saß. „Werden wir darüber gar nichts erfahren?“
„Bros Aufzeichnungen enthalten alle wissenswerten Informationen“, erwiderte Reik. „Wenn Ihr darüber hinaus noch Fragen habt, wendet Euch an ihn.“
„Kein Wort über … die Frau, diese angebliche Zauberin?“
Reik unterdrückte ein Grinsen. „Die ‚angebliche‘ Zauberin ist ein siebzehnjähriges Mädchen, verwaist, unverheiratet und lebt fürs erste im Tempelbezirk. Genügen Euch diese Informationen oder wollt Ihr noch mehr wissen?“
„Einzelheiten vielleicht“, murmelte Hauptmann Alek zu seiner Linken, aber so leise, dass Reik die Bemerkung übergehen konnte.
Hiron schüttelte nachdenklich den Kopf. „Wenn ich nicht mehr wissen muss …“
„Dann …“ Hauptmann Davian, neben Hiron sitzend, erhob sich. „werde ich die wichtigsten Ergebnisse meines Besuchs in Kalimatan kurz zusammenfassen. Den genauen Bericht kann jeder, den es angeht, nachlesen.
Für mich steht außer Frage, dass sich Kalimatan auf einen Krieg vorbereitet. In einem befestigten Lager nahe Kuramai, vormals fünftausend Mann stark, stehen inzwischen fünfzehntausend Soldaten. Ähnliche, bestätigte Berichte kommen aus anderen Landesteilen, dort sind die Truppenstärken allerdings geringer, und aus Dessum.“
„Mit fünfzehntausend Mann wird Marok doch wohl keinen Krieg beginnen“, gab Hauptmann Cord zweifelnd zu bedenken.
„Mit den fünfzehntausend allein sicher nicht“, antwortete Davian. „Aber wie gesagt: er hat deutlich mehr Männer unter Waffen. Noch hat Marok keinen Anlass, einen Krieg vom Zaun zu brechen. Doch er heizt die Stimmung im Land mächtig an. Für Manduraner ist es dort momentan reichlich ungemütlich.“
Die Frage kam zu früh, doch Reik wusste, worauf das hinauslief. „Also was … ist Euer Rat?“
Kalt sah Davian ihn an, zuckte die Achseln. „Den kennt Ihr, Hoheit. Wartet nicht ab, bis Marok einen Grund findet. Ergreift selbst die Initiative, und zwar jetzt! Stellt ein Heer auf, bildet Soldaten aus, viele Soldaten, denn Marok hat mehr.“
Читать дальше