Wie gut Palmers Manöver gelungen war, konnte er nicht sagen, denn nach der Kreuzung zwang er den Porsche schonungslos in die nächste Querstraße auf der rechten Seite, um direkten Nordkurs zu erhalten. Auf dem großen Display aber war zu erkennen, dass die Viper deutlich zurückfiel.
Damit hatten die beiden zumindest für ein paar Augenblicke ein wenig Ruhe.
„Alles klar?“ fragte Frank.
Timothy lachte heiser auf. „Klar! Bis auf die Tatsache, dass du mich beinahe umgebracht hättest!“
„Blödsinn! Ich hatte alles im Griff!“
„Natürlich! Du hast ja auch nicht wie ein Affe über der Reling gehangen!“
„Du kannst das ab! Außerdem hat es funktioniert!“
Dixon verzog die Mundwinkel. „Mit viel Glück!“
„Was beschwerst du dich überhaupt? Hättest du vorher besser agiert, wäre es am Ende nicht so eng geworden!“
Timothy brummte missmutig. „Ich hab mir das Knie verdreht!“ Er rieb sich demonstrativ das linke Bein.
„Du wirst alt!“ Frank grinste leicht.
„Nein, nur etwas nachlässig wie es scheint!“ Timothy verzog das Gesicht vor Schmerzen. „Verdammt!“
„Jetzt hast du es ja hinter dir! Entspann dich, lehn dich zurück, mach ein Nickerchen!“
„Während Mr. Hardcore am Steuer sitzt?“ Timothy musste erneut auflachen. „Vergiss es! Außerdem kommt jetzt auch für mich der angenehme Teil. Da werde ich wohl kaum ein Schläfchen halten!“
Frank lachte heiser auf und schüttelte den Kopf. „Ich weiß zwar nicht, was an einer illegalen Hochgeschwindigkeits-Verfolgungsjagd gegen wildgewordene, geisteskranke Hornochsen so angenehm ist, aber dein Wunsch wird sicher gleich in Erfüllung gehen!“
Damit meinte Frank zwei Teams, die ziemlich direkt aus Norden auf sie zuhielten und keinen Kilometer mehr von ihnen entfernt waren.
Rykers Viper holte im Süden wieder auf, doch stellte sie im Moment zumindest keine akute Gefahr dar. Auch Hal in seinem Ferrari war noch nicht wieder im Spiel, da er zunächst Thomas einsammeln musste, was offensichtlich nicht so einfach schien, da er sich nicht nordwärts bewegte. Doch ohne Runner war für ihn das Rennen schon zu Ende, da er ja nicht im Besitz des Pakets war. Denn um es jetzt noch zu bekommen, würde er wohl oder übel das Fahrzeug verlassen müssen, was er aber nicht tun konnte, weil dann der Motor verstummen würde.
Frank hoffte, dass die Wiedervereinigung dieses Teams zu spät erfolgen würde, damit er sich nicht mehr mit ihnen herumärgern musste, doch wusste er, dass Hal ein viel zu guter Fahrer war, als dass man ihn einfach abschreiben konnte.
Palmer beschloss, ihn im Auge zu behalten.
Jetzt aber musste er sich auf die beiden anderen Teams aus dem Norden konzentrieren. Während er sich einen Schlachtplan zu Recht legte, sah er, wie Timothy die ihnen zur Verfügung stehenden Waffen auf seinem Schoss sammelte.
Das war auch gut so, denn letztlich würde sein Runner sie betätigen müssen und es war sehr oft eine sehr spontane, situationsabhängige Entscheidung, welche zum Einsatz kommen konnte.
Dabei war Frank ein unbedingter Befürworter für den Einsatz der Waffen. Schließlich waren sie dafür gedacht, um ihnen zu helfen, also sollte man sie auch nutzen. Es gab andere Fahrer, die versuchten, keine oder nur wenige Waffen zu gebrauchen und sich damit sogar brüsteten, doch das waren in Franks Augen einfach nur Aufschneider. Am Ende zählte nur der Sieg und ob er nun mit allen Hilfsmitteln oder keinem gelungen war, interessierte ihn wirklich nicht die Bohne. Wichtig war einzig der Lohn für ihre Mühen.
Und Frank hatte nicht vor, ihn sich streitig machen zu lassen.
Zunächst warf er einen genaueren Blick auf ihr Ziel und musste feststellen, dass es doch nicht so weit entfernt lag, wie er anfangs gedacht hatte.
Hillside Pines hieß der Stadtteil, in dem es blinkte. Er lag ziemlich genau im Norden und war etwa dreißig Kilometer entfernt.
Um ein Zusammentreffen mit den anderen Teams so lange wie möglich zu vermeiden – einen beständigen Battle über diese Distanz konnte niemand durchhalten – war es wichtig, so schnell als möglich einen Highway zu erreichen. Also bog er an der nächsten Kreuzung auf die SW 8.th Street ab, die direkt nach Westen führte. Sie war groß und breit und aufgrund des relativ geringen Verkehrsaufkommens war das Risiko einer Behinderung gering. Nach ein paar Kilometern konnten sie dann die Auffahrt auf den Barnetta Expressway nehmen. Dort waren die unterschiedlichen Fahrtrichtungen durch eine Mittelleitplanke voneinander getrennt. Ihre Verfolger konnten sich ihnen dort also nur noch von hinten nähern und mit dem Porsche verfügte Palmer über ein Fahrzeug, mit dem er sie durchaus auf Distanz halten konnte.
Einzig die Tatsache, dass er sich jetzt nicht mehr an die Geschwindigkeitsbegrenzung halten konnte, war ein echtes Problem, denn natürlich gab es in den Straßen von Capitol City jede Menge Cops und zumindest einige von ihnen waren wirklich ausgezeichnete Fahrer.
Doch sie sollten Glück haben.
Während sie sich der Auffahrt zum Expressway sehr schnell näherten, war keine Streife in Sicht und auch ihre Verfolger kamen nicht nennenswert näher.
Als sie den Expressway erreicht hatten, beschleunigte Palmer nochmals und ließ den Porsche mit satten zweihundert Stundenkilometern über den Asphalt rauschen. Etwa einen Kilometer hinter ihm konnte er die beiden Verfolger aus dem Norden und auch Ryker ausmachen. Von Osten her näherten sich zwei weitere Fahrzeuge und würden sicherlich bald eine andere Auffahrt finden, um sich hinter ihn zu setzen. Die restlichen vier Verfolger waren bereits so weit im Norden gewesen, dass sie Direktkurs auf Hillside Pines hielten, um ihnen nach dem Verlassen des Expressway entgegenzutreten.
Bis dahin aber musste Frank einfach nur schnell sein.
Und das war er auch. Mittlerweile zeigte die Tachonadel zweihundertfünfzig Stundenkilometer. Die Stadt flog förmlich an ihnen vorbei. Den Flughafen hatten sie längst hinter sich gelassen und gelangten zur Abzweigung auf die Interstate 75 . Doch Palmer musste feststellen, dass es für sie keine Ausfahrt nach Nordwesten gab, lediglich direkt nach Osten. Das war jedoch nicht hilfreich. Also beschloss er, dem Expressway weiter zu folgen, wenngleich auch dieser kurz darauf direkt nach Osten abbog. Hier aber kreuzte er alsbald den Global Turnpike , der nach Norden abzweigte.
Frank hielt diese Route für eine gute Idee.
Doch kaum hatte er die Abfahrt zur Interstate 75 hinter sich gelassen, tauchte urplötzlich ein Streifenwagen vor ihnen auf.
Jetzt hieß es kühlen Kopf bewahren.
Frank drosselte augenblicklich die Geschwindigkeit auf achtzig Stundenkilometer. Er hatte Glück, dass so wenig Verkehr war, dass er den Streifenwagen früh genug gesehen hatte, sodass er trotz Bremsmanöver nicht an ihm vorbeischoss, sondern sich gerade noch dahinter halten konnte. Allerdings würde dies natürlich nicht so bleiben können, denn ihre Verfolger kamen schnell näher. Wenn sie nahe genug heran waren, würde sicherlich mindestens einem von ihnen ein unauffälliger Schuss gelingen, der den Porsche ausschaltete, ohne dass die Bullen darauf aufmerksam werden würden.
Hier zu verharren war also absolut keine Option, allerdings konnte der richtige Moment zum Durchstarten ihnen auch Möglichkeiten eröffnen.
In Gedanken hatte Palmer sich auch schon einen Plan zurechtgelegt. Zu diesem Zweck verkürzte er die Distanz zum Streifenwagen auf ein unauffälliges Maß und hielt sich direkt hinter ihm.
Ob die beiden Cops ihn schon registriert hatten, war nicht zu erkennen – und nur wenige Sekunden später auch vollkommen belanglos. Denn zu diesem Zeitpunkt rauschten die beiden Teams, die Frank anhand ihrer Farbsignale noch nicht zuordnen konnte, mit Vollgas hinter ihnen heran. Einzig Ryker hielt sich etwas zurück – ganz offensichtlich erahnte er, dass Palmer sich in der Nähe einer Polizeistreife aufhielt.
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