Nachdem das gelungen war, sondierte Frank auf dem Display die Positionen ihrer verbliebenen Gegner. Knapp hinter ihnen befand sich noch immer Ryker. Etwa fünf Kilometer voraus konnte er zwei weitere Signale direkt auf dem Turnpike erkennen. Offensichtlich erwartete man ihn dort bereits und wollte sich an ihn dranhängen, bevor er die Straße verlassen musste, um ihn im engen Straßengewirr von Hillside Pines nicht zu verlieren.
Zwei weitere Signale befanden sich in der Nähe des Zielgebiets. Das war riskant, doch auch nicht dumm. In den Battle eliminierten sich die Teams nacheinander, am Ende würde es vielleicht nur noch eines oder zwei, zumindest aber deutlich weniger geben, als jetzt, die das Zielgebiet überhaupt noch erreichten. Und sich mit weniger Gegnern herumschlagen zu müssen, hatte auch etwas Positives, zumal zusätzlich noch die Chance bestand, dass die Fahrzeuge auf dem Weg dorthin auch noch beschädigt und somit vielleicht nicht mehr voll einsatzfähig waren. Dafür aber reichte eine Unaufmerksamkeit in der Regel schon aus und der Gegner hatte das Ziel doch erreicht.
Mit ihnen aber mussten sie sich im Moment noch nicht beschäftigen und auch nicht mit Hal, dessen Signal Palmer im Süden erkennen konnte. Ganz offensichtlich war er auf dem Johnson-Expressway, der schnurgerade nach Norden führte und auf den Global Turnpike mündete, auf dem sie jetzt gerade fuhren. Das Signal bewegte sich irrsinnig schnell, aber Frank war klar, dass Hals einzige Chance, hier noch ein Wörtchen mitzureden, die war, alles auf eine Karte zu setzen. Doch im Moment drohte von ihm noch keine akute Gefahr. Frank beschloss aber, ihn weiterhin nicht aus den Augen zu verlieren.
Wenig später tauchten die beiden anderen Teams auf dem Turnpike vor ihnen auf. Das war ein kritischer Moment. Frank konnte nicht einfach an ihnen vorbeiziehen. Ihre Fahrzeuge – ein weiterer Porsche (rot) und ein anthrazitfarbener Audi R8 – waren allemal schnell genug, um ihn nicht davonkommen zu lassen. Außerdem dauerte es nur noch wenige Kilometer, bis sie die Abfahrt zum Blair Boulevard erreichen würden, wo Frank den Turnpike verlassen wollte.
Doch mit einem Dreierpack an Verfolgern wollte er nicht in die letzte Spielphase eintreten, denn das hätte ihnen schnell den Kopf gekostet.
Also musste eine Idee her und Frank brauchte nicht lang, um zu wissen, was zu tun war.
Er gab noch mehr Gas und konnte sehen, dass auch die beiden Fahrzeuge vor ihm beschleunigten. Der zweite Porsche fuhr auf der Mittelspur und etwa eine Wagenlänge hinter dem Audi, der R8 zwischen linker und mittlerer Spur. Frank steuerte den Porsche zunächst so, als wollte er auf der linken Spur noch links vorbeisetzen. Doch kurz bevor das jedoch geschehen wäre, riss er das Steuer nach rechts, so als wolle er jetzt auf der rechten Spur überholen, woraufhin auch der Driver des R8 diese Bewegung automatisch mitmachte, um ganz dicht dran zu bleiben. Doch in diesem Moment riss Palmer den Porsche wieder nach links und setzte doch links an dem Audi vorbei, der nicht mehr reagieren konnte. Timothy hatte zu diesem Zeitpunkt das Bolzenschussgerät bereits angesetzt und feuerte einen präzisen, weil nicht sonderlich komplizierten Schuss ab, der den hinteren Reifen auf der Fahrerseite zerfetzte. Während der Audi sofort zurückfiel, trat Palmer für einen kurzen Augenblick die Bremse und riss zeitgleich das Steuer nach rechts herum. Das Heck des Porsche driftete jaulend über den Asphalt und wurde herumgeschleudert. In dem Moment, da das Fahrzeug eine volle hundertachtzig Grad Drehung vollführt hatte, befand es sich auf der Mittelspur und Frank konnte direkt auf den entgegenkommenden Porsche blicken, dessen Insassen ihn mit riesengroßen Augen anstarrten. Während Palmer mit der rechten Hand das Steuer fest umklammerte, schob er seinen linken Arm aus dem geöffneten Seitenfenster. In der Hand hielt er die Waffe mit dem EMP-Geschoss und als er sicher war zu treffen, feuerte er.
Ob er gut gezielt hatte, konnte er jedoch nicht mehr sehen, denn der Porsche schlidderte weiter um seine eigene Achse und auf die rechte Fahrspur. Dort gelang es Frank, das Fahrzeug wieder unter Kontrolle zu bringen und mit einem kurzen, aber kräftigen Tritt aufs Gaspedal zu beschleunigen. Im Rückspiegel konnte er zuckende Lichtbögen erkennen, die den anderen Porsche komplett eingehüllt hatten. Sein Schuss hatte sein Ziel also gefunden. Ziemlich zufrieden lenkte Palmer seinen Porsche vom Turnpike auf den Blair Boulevard.
Direkt nach der Abfahrt kreuzte der Boulevard in Ost-West-Richtung. Frank musste jetzt schnell reagieren, denn natürlich wollte er so wenig Geschwindigkeit, als möglich, beim Abbiegen einbüßen. Das aber war alles andere als einfach, denn der Verkehr war hier überraschenderweise doch recht dicht. Nur in einem nahezu perfekten Zusammenspiel von Gas, Bremse und Kupplung gelang es ihm, ohne Kollision messerscharf an den anderen Verkehrsteilnehmern vorbei zu schliddern und dabei nur wenig langsamer zu werden.
Als sie die Kreuzung hinter sich gelassen hatten und wieder beschleunigen konnten, warf Frank einen Blick in den Rückspiegel und konnte sehen, dass Ryker weniger Glück hatte. Nur mit einer Vollbremsung konnte er einem Unfall entgehen und damit hatte er den Anschluss an Palmer erst einmal verloren.
Dem Ziel so nahe und dem Sieg doch noch so fern.
Bis zur Abfahrt auf die North Dexter Road, die sie erneut direkt nach Norden führen würde, hatten Frank und Timothy freie Fahrt.
Sobald sie diese aber erreichten, näherten sich ihnen die beiden Teams, die in Zielnähe gelauert hatten. Da niemand sich dem Ziel weiter als bis auf einen Kilometer nähern durfte, solange das Paket diese Zone nicht unterschritten hatte, damit sich die Teams, die nicht im Besitz des Pakets waren nicht quasi einfach vor das Ziel stellen und abwarten konnten, mussten sie die Entscheidung jetzt suchen.
Doch Palmer und Dixon hatten einen entscheidenden Vorteil: Sie hatten ihren Stealth-Modus bisher noch nicht aktiviert.
Mit der richtigen Taktik würden ihnen diese sechzig Sekunden Unsichtbarkeit den Sieg bringen.
Und Frank wollte genau das auch tun.
Zu diesem Zweck beschleunigte er auf der North Dexter Road. In Gedanken hatte er sich den Weg zum Ziel schon zu recht gelegt. Einzig ihre Gegner mussten ein wenig mitspielen – was sie auch taten.
Die erste Querstraße war die River Street, die zweite hieß Douglas Street. Die beiden anderen Teams waren schlau und hielten sich nördlich der Douglas Street. Frank wusste, sie würden diese nicht eher überqueren, bevor sie ihrerseits nicht die River Street überquerten.
Den Gefallen tat Frank ihnen dann auch, doch kaum hatte er die Kreuzung hinter sich gelassen, betätigte er den Schalter für den Stealth-Modus und riss zeitgleich das Steuer herum, sodass der Porsche quasi auf der Stelle wendete. In den ihnen jetzt verbleibenden sechzig Sekunden Unsichtbarkeit würde er zurück zur Kreuzung rasen, dort nach Osten abbiegen, nach fünfhundert Metern in eine kleine Nebenstraße, die ihn schnurgerade zurück nach Norden führen würde, über die Douglas Street hinaus bis fast zur nächsten Querstraße, der Shannon Street, die direkt an das Zielgebiet grenzte. Mit etwas Glück würde er dort ankommen, bevor die Zeit um war.
Doch sie sollten Pech haben.
Denn kaum hatte der Porsche seine Wendung vollzogen, ertönt ein schriller Piepton aus dem Armaturenbrett, der anzeigte, dass der Stealth-Modus eine Fehlfunktion hatte.
Damit war der wundervolle Plan schon im Ansatz gescheitert.
„Mist!“ stieß Palmer hervor.
„Frank, verdammt…?“ motzte Dixon, doch klang seine Stimme eher entsetzt, denn böse.
„Fehlfunktion!“ erwiderte Palmer. „Fuck!“
„Und jetzt?“ Timothy sah seinen Partner mit großen, entsetzten Augen an.
Frank brummte, schürzte die Lippen, dann atmete er tief durch. „Plan B!“
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