Gemeinsam schlugen die beiden Männer zu Boden und rangen miteinander um das Paket.
Gut gemacht! Frank war froh, dass Timothy noch nicht außer Gefecht war. Doch ein Blick auf die Stoppuhr zeigte ihm, dass er keine Zeit zur Freude hatte. Dabei stieß ihm die Hilflosigkeit, die ihm jetzt auferlegt war, bitter auf. Er konnte das Fahrzeug nicht verlassen, so sehr es ihm auch in den Beinen juckte. Und er durfte Ed auch nicht mit einer der Waffen im Wagen attackieren. Aber er durfte auch nicht untätig sein, denn dann würde die Zeit ablaufen und der Motor verstummen. Also tat Frank das Einzige, was ihm möglich war.
Er beschleunigte den Porsche, bis er an den Männern vorbei war, dann bremste er scharf ab, riss das Steuer herum und wendete das Auto mit quietschenden Reifen und driftendem Heck. Aus einer Eingebung heraus betätigte er dabei das Dach des Cabrios. Timothy würde vielleicht nicht die Gelegenheit haben, sauber einzusteigen. Dann beschleunigte er wieder und fuhr zurück zu den beiden Kämpfern. Da zeigte die Uhr noch sechsundzwanzig Sekunden.
Ed wollte sich auf Dixons linkes Knie stürzen, weil er dort den Schwachpunkt seines Gegners wusste. Doch Timothy gelang es, ihn davon fernzuhalten. Stattdessen donnerte er ihm den Koffer vor die Brust, sodass Ed rücklings gegen die Hauswand taumelte und hart gegen den Beton schlug.
Fast war Timothy überrascht, dass ihm diese simple Aktion so gut gelungen war und sich jetzt urplötzlich drei Meter zwischen ihm und Ed befanden. Blitzschnell blickte er sich um und war sofort heilfroh, Franks Porsche auf der Fahrbahn direkt hinter dem parkenden Auto zu erkennen, vor dem er sich jetzt befand. Auch erkannte er, dass das Dach des Fahrzeugs geöffnet war und Palmer ihm zuwinkte. Timothy überlegte nicht lange. Noch während er sehen konnte, wie sich Ed wieder fing und wütend von der Hauswand abdrückte, drehte er sich um, sprang trotz der Schmerzen in seinem Knie auf die Motorhaube des parkenden Fahrzeugs, machte dort zwei Schritte in Richtung Straße, sprang dann ab und hatte den Innenraum des Porsche im Visier.
Doch gerade, als er vollständig in der Luft war, gab Frank Vollgas.
Im allerletzten Moment erst hatte Palmer sie im Rückspiegel gesehen – Rykers Viper! Und schon blitzte es am seitlichen Fahrerfenster auf.
Palmer konnte nicht genau sagen, was dieser miese Dreckskerl auf ihn abgefeuert hatte, doch er hatte nicht vor, es zu spüren zu bekommen.
Glücklicherweise war die Viper noch rund zweihundert Meter entfernt gewesen, als das Projektil freigegeben wurde. Als Frank das Gaspedal des Porsche einmal kurz und kräftig trat und dabei das Steuer herumriss, sorgte er dafür, dass das Heck eine hundertachtzig Grad-Drehung vollführte. Kaum war das geschehen, zischte das Projektil in Augenhöhe an der Beifahrerseite vorbei. Jetzt konnte Frank es auch erkennen. Es war das EMP-Geschoss. Ryker war sich offensichtlich so sicher, dass er Frank überlisten konnte, dass er das schwerste Geschütz von allen aufgefahren hatte. Doch da hatte er Pech gehabt, Palmer war besser, als er es befürchten konnte und der Porsche nahm keinerlei Schaden.
Allerdings konnte Frank bei seiner Aktion natürlich nicht vollkommen verhindern, dass Timothy Probleme bekam. Zwar hatte er versucht, den Porsche quasi auf der Stelle zu wenden, doch war ihm das nur bedingt gelungen.
Als Timothy wild schreiend und mit vollkommen entsetztem Gesichtsausdruck nur wenige Zentimeter über dem EMP-Geschoss auf den Porsche zu rauschte, war Palmer klar, dass es wehtun würde. Denn anstatt sauber im Innenraum zu landen, knallte Timothy mit den Unterschenkeln gegen die Beifahrerseite. Während sein Unterkörper dadurch abrupt abgebremst wurde, klappte sein Oberkörper nach vorn und landete unsanft auf dem hinteren Notsitz. Zu allem Überfluss wurde ihm das Paket dabei aus den Fingern gerissen und es segelte im hohen Bogen über das Auto hinweg auf die gegenüberliegende Straßenseite, wo es über den Asphalt schlidderte, bevor es zum Erliegen kam.
Zu diesem Zeitpunkt zeigte der Countdown noch neunzehn Sekunden.
Instinktiv gab Frank erneut Gas und ließ den Porsche zum dritten Mal innerhalb weniger Momente um die eigene Achse driften. Dabei lenkte er ihn auf die Gegenfahrbahn.
Timothy schräg hinter ihm musste seinen rechten Arm fest gegen die Außenhülle pressen, um zu verhindern, dass er herausgeschleudert wurde. Da sich sein Kopf in Richtung Heck befand, konnte er auch nicht sehen, was Frank vorhatte. „Verdammt, willst du mich umbringen?“ brüllte er mit hochrotem Kopf.
„Bleib so!“ gab Frank jedoch nur zurück und beschleunigte den Porsche.
Noch siebzehn Sekunden
„Was?“ kreischte Timothy. „Bist du irre?“
Palmer antwortete nicht, sondern lenkte den Porsche links neben das Paket und bremste scharf ab. „Nimm es!“
Timothy schaute ungläubig über das Chassis auf den Koffer auf dem Asphalt, doch griff er natürlich sofort zu. „Hab ihn!“
Frank grinste freudlos, beugte sich zu Dixon herüber, ergriff seinen Gürtel und zog ihn mit einem kurzen Ruck ins Wageninnere. Im selben Moment gab er schon wieder Vollgas.
Noch vierzehn Sekunden.
Timothy rutschte mit einem tiefen Stöhnen auf den Beifahrersitz. „Verdammt Mann, nicht so grob!“
Plötzlich ertönte aus dem Navigationsgerät in der Mittelkonsole ein Piepton und im Norden der Stadt blinkte ein blauer Punkt auf: Das Ziel!
„Schnauze!“ erwiderte Frank tonlos, während er die Existenz und die ungefähre Lage des blauen Punktes kurz registrierte. „Weichei!“
Noch neun Sekunden.
„Na, Danke auch!“ Timothy verzog säuerlich die Mundwinkel. „Nächstes Mal holst du das Paket!“
Frank grinste erneut freudlos. Dabei schaute er in den Rückspiegel und konnte sehen, wie die Viper schnell näher kam, weil Ryker schon früher beschleunigt hatte.
Noch sieben Sekunden.
Ed hatte sich offensichtlich wieder gefangen und während Ryker etwas abbremste, sprang der Runner durch die geöffnete Scheibe der Beifahrertür in den Innenraum. Sofort danach beschleunigte Ryker wieder und kam noch näher. Schon wollte er sich neben sie setzen. Frank sah, wie Ed sich aus dem Fenster schob und eine Waffe in der Hand hatte. Er zielte auf den hinteren linken Reifen.
Instinktiv lenkte Frank den Porsche nach links. Ryker musste abbremsen, Ed konnte nicht schießen.
Noch vier Sekunden.
Schon attackierten sie ihre Widersacher von der anderen Seite und Frank musste erneut gegenlenken.
Noch zwei Sekunden.
Palmer drückte den Fuß noch fester auf das Gaspedal, obwohl er den Boden damit längst erreicht hatte. Für den Bruchteil einer Sekunde war er komplett angespannt, weil er nicht sicher war, ob die Zeit reichen würde, dann aber spürte er wieder diese Ruhe in sich, die ihm sagte, dass er alles richtig gemacht hatte.
Sie würden es schaffen. Schon beschäftigte er sich daher damit, ihre Widersacher erst einmal los zu werden.
Als der Countdown auf eine Sekunde umsprang hatten sie die Kreuzung fast erreicht und quasi in dem Moment, da er abgelaufen war, erlosch das Display in der flammend roten Farbe und zeigte wieder das normale Bild.
Dixon auf dem Beifahrersitz hatte sich total verkrampft und absolut gebannt auf die herablaufenden Ziffern gestarrt, jetzt fiel ihm der Mount Everest mit einem tiefen Stöhnen vom Herzen. „Oh Mann!“ Er prustete die Luft aus den Lungen.
Zu diesem Zeitpunkt aber donnerte der Porsche, dicht gefolgt von der Viper über die große Kreuzung, die, im Gegensatz zu der Seitenstraße, zumindest einigermaßen Verkehr zeigte.
Franks rechter Zeigefinger zuckte kurz vom Lenkrad und betätigte den Auslöser für eine der beiden Rauchbomben in der Mittelkonsole. Während er mit eiskalter Ruhe den Porsche in Höchstgeschwindigkeit und mit den kleinstmöglichen Lenkbewegungen, sicher über die Kreuzung zwang, detonierte das Projektil und hüllte ihre Verfolger augenblicklich in dichten Nebel.
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