„Ich hoffe doch nicht allzu lange“, murrte Kaya, die ihm half.
Spät am Nachmittag waren endlich alle Zimmer fertig und alle drei Häuser strahlten allgemein wie in neuem Glanz. Die Alphas hatten sogar eine Firma kommen lassen, die sich um den Garten und das Grundstück gekümmert hatte. Selbst der sonst sehr selten genutzte Pool war grundgereinigt und mit neuen Liegestühlen bestückt worden. Nicht dass es sonst aussah wie bei Hempels unterm Sofa, aber das Grundstück war nun mal groß, da fanden sich immer Ecken, die eben nicht tadellos aussahen. Das war jetzt nicht mehr so. Wo man hinsah, war alles aufgeräumt, sauber und teilweise sogar neu.
„Ich habe euch Sachen rausgelegt“, meinte seine Mum, als sich alle nach getaner Arbeit in der Küche vom Haupthaus einfanden.
„Mum!“, empörte Xander sich. „Wir sind doch keine fünf mehr!“
„Das weiß ich. Trotzdem will ich, dass ihr tadellos ausseht, wenn die Thorburns kommen.“
„Du weißt schon, dass wir das wissen?“, meinte Ryan.
Der Blick seiner Mum richtete sich finster auf ihn. „Ich erinnere euch nicht an heute Morgen“, knurrte sie leise. „Solange Ambers Familie hier ist, benehmt ihr euch!“
„Als würden wir das sonst nicht tun“, kam es leise von Noel, der mehr zu sich selbst gesprochen hatte.
Charlotte funkelte nun ihn böse an. „Offensichtlich nicht!“
Noel hob den Blick und starrte sie verwundert an. „Ich hab doch gar nichts getan!“
„Nein. Und bevor du was tust, überleg zweimal!“
Sein verwunderter Blick ging zu Ryan, der meinte: „Später.“
„Geht euch für das Abendessen fertig machen!“, wies Charlotte offensichtlich gefrustet alle an und sie trollten sich.
Vor dem Restaurant standen Leute, die um Einlass baten, doch heute war die Gesellschaft geschlossen. Die Thalans hatten die Räume gemietet und diese waren mit ihrem Rudel und dem der Thorburns komplett ausgelastet.
„So ein Blödsinn“, murrte Ryan und fummelte an seiner Krawatte herum. „Da putzen wir das ganze verfluchte Haus und dann essen wir nicht mal zu Hause.“
„Wo sollen die denn alle hinpassen?“, Kaya kam zu ihm und half, den Knoten seiner Krawatte neu zu binden. „Wenn jeder jeden kennenlernen soll, geht das nur so.“
„Der Garten wäre groß genug gewesen“, murrte er weiter und vergrub die Hände in den Taschen, während sie an ihm werkelte.
„Als würde ich eine Gartenparty geben für so einen Anlass“, fauchte seine Mum von der Seite. Sie war nach wie vor angespannt und jeder achtete darauf, in ihrer Gegenwart nichts Falsches zu sagen. Ryan verkniff sich eine Antwort, verdrehte aber in Kayas Richtung die Augen.
Sie grinste nur und verpasste ihm dann einen freundschaftlichen Klaps auf die Wange. „Du siehst heiß aus. Anzüge stehen dir.“
„Danke. Du solltest auch öfter solche Kleider tragen“, gab er ihr das Kompliment zurück. Sie sah wirklich gut aus in dem langen dunkelroten Abendkleid. Und wieder musste er feststellen, was für schönen Kurven die Werwolffrau an seiner Seite hatte.
Sie bemerkte seine Musterung und grinste. „Gewöhn dich da nicht dran. Kleider sind unpraktisch.“
„Aber sexy.“
Wieder grinste sie und hakte sich dann bei ihm ein. Kaya war für diesen Abend seine offizielle Begleitung und damit war er der Einzige, neben seinem Dad und Evan, der eine hatte. Miles, Otis, Hakoon, Gero, Noel und Xander mussten sich vorerst allein begnügen. Otis hätte Rahel gehabt und Koon Zoe, doch beide Frauen waren nicht anwesend und damit waren ihre Männer Strohwitwer.
Ihre Einsamkeit sollte sich allerdings bald ändern, denn die Thorburns hatten sicher Frauen dabei, die eine Begleitung brauchten. Charlotte hatte erklärt, dass es - wenn möglich - immer so gehandhabt wurde, dass jeder einen Partner für den Abend hatte.
Als sie das erwähnt hatte und alle erkannten, sie würden fremde Frauen vorgesetzt bekommen, hatte Ryan sofort einen hilfesuchenden Blick zu Kaya geworfen. Alle anderen hatten das auch getan, doch sie hatte ihn gewählt und Ryan hatte den anderen Jungs eine lange Nase gemacht. Auch das würde sich noch rächen, aber für den Moment war er fein raus.
Eine Autokarawane näherte sich und alle wurden aufmerksamer. Vornweg fuhr der Wagen von Tavis. Miles hatte ihn begleitet, um die Azuriten abzuholen. Wie Ryan wusste, hatten sie einen Zwischenstopp am Haus eingelegt und das Gepäck abgeladen. Sicher hatten die Azur sich auch noch für das Abendessen vorbereitet. Jedenfalls waren die Thalans aufgebrochen, bevor die anderen am Anwesen eingetroffen waren.
Sie warteten seit zwei Stunden am Restaurant und endlich kam der Adel aus dem Norden. Evan und Amber traten vor, gefolgt von Adrian, der wie immer Ambers Schatten spielte, und alle anderen bis auf Charlotte gingen ein Stück zurück. Sie lief sofort zu Tavis, als sein Wagen hielt und er ausstieg. Auch das Auto hinter ihnen hielt, doch die Insassen warteten, bis ihnen die Türen von anderen geöffnet wurden.
Ein Mann erschien und kam um das Auto herum. Er hielt einer Frau seinen Arm hin, in den sie sich einhakte, dann schritten die beiden, als wären sie auf einem roten Teppich unterwegs, zu Ryans Eltern, um auch Charlotte zu begrüßen. Ryan seufzte innerlich. So ein Getue schon zu Anfang?
Das konnte was werden.
Die Azuriten
Das angereiste Azur-Rudel umfasste 25 Wölfe, wobei nicht alle den Thorburns direkt angehörten. Ryan fasste sie nur so zusammen. Unter ihnen waren auch einige Wölfe, die als Diener oder Leibwächter fungierten und aus anderen Rudeln stammten. Allerdings war das gesamte Stammrudel da.
Zu ihnen zählten die alten Alphas Grace und David mit allen vier leiblichen Kindern und deren Partnern. Zu denen wiederum die aktuellen Alphas, Ambers Eltern, Isabell und Aiden zählten. Und alle Enkel von Grace und David, also unter anderem auch Bain, Ambers Bruder. Erstaunt hatte Ryan zwei richtig hübsche Mädchen registriert, die ohne Begleitung kamen und Xander und Adrian zugewiesen wurden.
Hakoon hielt sich mit Otis die ganze Zeit zurück und so schafften es beide ohne Partnerin ins Restaurant. Miles, Gero und Noel bekamen aber ebenfalls jeder eine Frau der Azuriten. Während Miles ganz zufrieden aussah, warfen sich die Perkun-Brüder immer wieder augenrollende Blicke zu. Ihre Mädchen waren zwar nicht unbedingt unansehnlich, aber die eine war ziemlich korpulent, was nun mal gar nicht Geros Geschmack war und Noels Begleitung war noch ein halbes Kind.
Die Vorstellungsrunde fiel knapp aus und so erfuhr Ryan nur die Namen der Azur und wer zu wem gehörte. Das gesamte Essen verlief in ruhiger Atmosphäre und wurde nur durch kurze Frage-Antwort-Runden unterbrochen.
Nach dem Essen begaben sich dann alle in einen angrenzenden Saal, in dem mehr Platz war und Grüppchen bildeten sich. Gero schaffte es, seine Begleitung einem anderen zum Tanzen abzutreten und pustete erleichtert, als er bei Ryan und Kaya ankam. Sie hielten sich am Rand des Raumes auf und beobachteten das Geschehen.
„Boah, ich hoffe, es geht bald nach Hause“, stieß Ryans Rudelbruder aus und vergrub die Hände in den Taschen. Er ließ sich gegen die Wand hinter sich fallen und lehnte recht lässig daran. Auch wenn er genervt aussah.
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