„Womit wir erneut bei dem Punkt sind, wie es uns gelingt, unsere Leute zu finden“, erinnerte Chukov.
„Wir bilden eine Reihe von mehreren Suchgruppen“, erläuterte Uddington seinen Plan. „Jede aus wenigstens zwei Kreuzern bestehend. Worauf es jedoch wirklich ankommt, dass sind jene beiden Suchgruppen, die mit den Langstrecken-Scannern ausgerüstet sind. Einer davon ist weiterhin auf der D.S. Blackwing montiert, dem Tarn-Landungskreuzer der Sky-Cav, die das Gerät bereits im Rylon-System und bei Tensa erfolgreich eingesetzt hat. Das zweite Gerät habe ich zwischenzeitlich von der Blackwing entfernen und auf der D.S. Ivory anbringen lassen, einem der normalen APS-Kreuzer.“
„Warum nicht auf einem Trägerschlachtschiff?“, hakte Doktor Braunfels nach. „Dann wäre der Scanner doch wenigstens auch mit enormer Feuerkraft gepaart, falls es zum Feindkontakt kommt.“
„Das ist richtig, Doktor, aber für mich sprechen zwei Gründe dagegen. Ein Träger ist leichter zu orten und wesentlich auffälliger als ein APS und zieht daher rasch die Aufmerksamkeit auf sich. Die APS haben zudem eine kürzere Ladezeit für den Nullzeit-Antrieb, weswegen wir mit ihnen ein größeres Suchgebiet in kürzerer Zeit absuchen können.“
„Du erwähntest Paarungen, Carl“, schaltete sich Chukov ein. „Welche Schiffe sollen die wertvollen Kreuzer begleiten, welche die Langstrecken-Scanner benutzen? Unsere derzeit einzigen Langstrecken-Scanner, wie ich anmerken muss.“
„Wir bemühen uns, möglichst bald weitere Geräte herzustellen“, versicherte Professor Tamilak. „Ich hoffe, der hohe Rat des Direktorats wird einer Sonderzuteilung aus der Hiromata-Notfallreserve zustimmen.“
Uddington nickte. „Unter den gegebenen Umständen gehe ich davon aus, dass diese Sonderzuteilung erfolgt. Immerhin sind auch drei der bekanntesten Ratsmitglieder in Gefahr. Aber zu deiner Frage … Die Blackwing wird von der Orion unter Captain Jellenkova begleitet und die Ivory von der Collingwood .“
Der Sub-Admiral nickte lächelnd. „Eine ausgezeichnete Wahl. Bewährte Schiffe mit erfahrenen Kommandanten. Abgesehen von den Suchgruppen … Welche Eingreiftruppe schwebt dir vor?“
„Wir haben hier drei einsatzbereite Trägerschlachtschiffe. Ich bilde drei Gruppen mit je einem Träger und acht Kreuzern. Jede der Gruppen wird im Arcturus-System bis knapp unter Lichtgeschwindigkeit beschleunigen und dabei den Hiromata für einen Nullzeit-Sturz aufladen. Bis an die Sicherheitsreserve. Die Ladung kann man rund vier Stunden halten, bis man definitiv in die Nullzeit gehen oder die Kristalle wieder entladen muss, um sie nicht durch Überlastung zu zerstören. Kurz bevor die erste Eingreiftruppe die kritische Grenze erreicht, beginnt die zweite mit dem gleichen Manöver. Die drei Einheiten werden sich untereinander ablösen, so dass immer eine von ihnen bereit ist, innerhalb spätestens einer Stunde in die Nullzeit zu gehen, an Stelle der acht Stunden, die normalerweise für einen Träger erforderlich sind.“
Die Koordinatorin nickte beifällig. „Wenn Sie gestatten … Ich habe eine Karte entworfen, die das in Frage kommende Suchgebiet betrifft. Zumindest, so weit wir dies für den ersten Nullzeit-Sturz der Juliette Beecher einschätzen können.“
Die Professorin stellte eine Verbindung zwischen ihrem Mini-Comp am Handgelenk und der Steuerung des Tisches her. Über der Tischplatte bildete sich eine holografische Karte des Weltraums, die rasch in jenen Sektor zoomte, in dem Outer-Rim-Station 47 lag.
„Von der Trafalgar kennen wir die Flugdaten, mit denen die Juliette Beecher aus dem System geflohen und in die Nullzeit gegangen ist. Eine Eigenheit des Hiromata-Antriebs und auch der Schwingungsantriebe der Norsun und Negaruyen ist es, dass ein Schiff nur in Flugrichtung in die Nullzeit gehen kann. Die Richtung lässt sich nicht verändern, nur die Distanz, die in der Nullzeit zurückgelegt wird. Die Beecher könnte zwanzig Lichtjahre zurückgelegt haben oder ebenso gut Zweitausend oder mehr. Aber, wie gesagt und das ist das einzige Plus für uns, nur in einer schnurgeraden Linie. Da wir zwei Gruppen mit den Langstrecken-Scannern losschicken können, sollte die erste Gruppe nach dreihundert Lichtjahren aus der Nullzeit gehen und die zweite Gruppe nach sechshundert. Nun, vielleicht sollten wir das aus Sicherheitsgründen auf Zweihundertfünfzig und Fünfhundert reduzieren.“
„Dem stimme ich zu“, sagte Uddington sofort. „Ich will nicht riskieren, dass uns etwas entgeht. Schön, die Schiffe gehen in die Nullzeit, sehen sich um und führen dann die nächste Nullzeit durch. In Siebenhundertfünfzig und Eintausend.“
„Exakt, Admiral.“ Tamilak lächelte.
Pjotr Chukov klatschte in die Hände. „Carl, wir sollten die Captains einweisen und möglichst bald loslegen. Inzwischen ist die Beecher wohl längst in die zweite Nullzeit gegangen und hat wahrscheinlich auch ihren Kurs geändert. Unsere Chancen sind nicht unbedingt groß, sie doch noch zu finden.“
„Wir müssen sie finden, Pjotr“, brummte Carl Uddington. „Diesmal geht es um ein Rettungskommando, mein Freund, und es wird die größte und anstrengendste Such- und Rettungsoperation, welche wir jemals durchgeführt haben. Wir müssen sie sicher nach Hause holen, denn über die Konsequenzen will ich lieber nicht nachdenken.“
Kapitel 4 Bestandsaufnahme
Absturzstelle Freihandelsschiff I.T.S. Juliette Beecher
Desara-dal-Kellon suchte den Frachtraum persönlich auf, in dem die Gefangenen, unter den aufmerksamen Blicken von Gardisten, jeden einzelnen Transportbehälter auf dessen Inhalt untersuchten. Zuvor hatte sie, gemeinsam mit ihren Leibwachen und Kenlor, das Wrack umrundet und sich von zwei Dingen überzeugt: Es war ausgeschlossen, dass es jemals wieder flog und es war ein Wunder, dass es überhaupt Überlebende gab. Desara verzichtete darauf, die nähere Umgebung zu erkunden, denn für sie hatte die Versorgung der Verletzten und die Sichtung der verfügbaren Vorräte und Hilfsmittel die absolute Priorität.
Dass sie den Frachtraum aufsuchte, war nicht nur Beweis für die Dringlichkeit, die sie in der Sichtung der Inhalte sah, sondern vor allem auch ihres Misstrauens, welches sie gegenüber den Gefangenen empfand. Sie wollte unter keinen Umständen, dass diese einen Fund unterschlugen, der den Negaruyen vielleicht gefährlich werden könnte.
Durch die Eroberung und Bedienung des APS-Kreuzers Nanjing hatte Desara die Schrift der Menschen lesen gelernt und ließ jede Kiste, jeden Behälter und jedes Fass erst öffnen, wenn sie persönlich zugegen war. Das verzögerte die Durchsuchung, bot zugleich aber allen Seiten die Sicherheit, das man nichts Nützliches übersah.
Desara wurde von Joana und Pearl begleitet. Der weibliche First-Sergeant bewies immer wieder die vielfältigen praktischen Erfahrungen, die sie sich angeeignet hatte. Endlich war die letzte Kiste geöffnet und Joana tippte die Angaben zu ihrem Inhalt in ihren tragbaren Mini-Comp, der nun eine überraschend lange Liste von hilfreichen und weniger nützlichen Dingen enthielt.
Die robust gebaute Flotten-Boxmeisterin Pearl Stevens sah Desara nachdenklich an und deutete mit einer ausholenden Geste um sich. „Wir haben verdammtes Glück, dass die Beecher praktisch die komplette Grundausstattung für eine neue Siedlung geladen hat. Natürlich fehlen hier etliche Dinge, wie einige Kleinmaschinen, Multitools und die Gießschablonen für den Bauschaum, mit dem man Boden, Wände und Decken der einfachen Häuser anfertigen kann. Das sind die größten und schwersten Brocken einer solchen Fracht und das Zeug war sicher in den unteren Räumen, da der Weg zur Schleuse dort kürzer ist. Trotzdem ist hier oben einiges von Nutzen.“
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