Loki betrachtete den Alb mit dunkler Miene. „Wer ist das Kleine, das ich krabbeln sehe und das schnappgierig nach der Speise schnappt? In Freyrs Ohren liegst du und plagst dich mit Mägdearbeit!“
Der Alb reckte das Kinn. „Ich heiße Byggvir und ich bin schnell bei Asen und Irdischen. Darum ehrt man mich hier in Ägirs Halle, wo Odins Söhne Äl trinken.“
Loki rümpfte die Nase. „Schweig, Byggvir! Du verteilst das Mahl schlecht zwischen den Männern! Unter der Bank versteckst du dich, wenn mutige Krieger zum Kampf ziehen.“
Knurrend stellte Heimdall seinen Becher ab. „Betrunken bist du, Loki. Du hast den Verstand verloren! Warum lässt du nicht einfach die Finger vom Äl. In rauen Mengen bringt er jeden dazu, seine eigenen Worte zu vergessen.“
Anstatt den Äl zu meiden, nahm Loki einen weiteren Schluck. „Schweig, Heimdall! Als könntest du stolz darauf sein, dass dir vor Urzeit dieses hässliche Geschick auferlegt wurde. Mit nassem Buckel stehst du jede Nacht da und bewachst Walhall.“
Skadi schnaubte: „Lustig bist du, Loki; doch das wird dir vergehen! Bald fesseln dich die Asen mit den frostkalten Därmen deines Sohnes auf den Grad!“
„Och, Skadi! Wenn die Götter mich auf den Felsen schnüren, mit den frostkalten Därmen meines Sohnes, dann wisse, dass ich der Erste und Letzte war beim Lebensraub, als wir deinen Vater Thjazi töteten.“
Wütend streckte Skadi den Finger in Lokis Richtung. „Wisse, wenn du der Erste und der Letzte beim Lebensraub meines Vaters warst, wird dich mein ganzes Haus fortan verfolgen!“
Loki schnalzte mit der Zunge. „Du hast deine Worte lieblicher gewählt, als du Laufeys Sohn, mich, in dein Bett einludst. Das möchte ich nicht verschweigen, wenn wir nun all unsere Schandtaten nennen.“
Nun trat Sif heran, reichte ihm Met in einem Kristallkelch und sprach: „Heil dir nun, Loki! Nimm den Eiskelch, mit Firnmet gefüllt! Lass eine unter den Asen mit Schmähreden verschont!“
Hersausfordernd hob Loki die Augenbrauen. „Ach Sif, ich würde dich gerne verschonen, wärst du anderen unzugänglich geblieben. Einen kenne ich, den ich zu kennen glaube, mit dem hast du Thor betrogen.“
Beyla hieb ihren Becher auf den Tisch. „Ruchlos schmähst du Asen und Irdische! Hörst du die Berge zittern? Ich denke, er zog gerade aus vom Hofe Hlorridi. Er , der dich gleich zur Ruhe bringen wird!“
Loki trat nahe an die Albin heran. „Schweig doch, Beyla! Du bist Byggwirs Weib und von Falschheit erfüllt. Kein eklerer Auswurf kam zu den Asensöhnen, ganz voll Mist bist du, Magd!“
Da kam Thor herein und sprach: „Schweig, arger Wicht! Dir soll mein Wuchthammer, Mjölnir, den Mund schließen. Den Kopf hau ich dir vom Halse ab, verloren ist dein Leben dann.“
Preisend hob Loki die Hände. „Seht an! Der Sohn der Jörd ist in den Saal gekommen. Wer hat dich gerufen? War es Freya? Was tobst du so, Thor? Wenn der Wolf kommt, wagst du nichts und er verschlingt den Schlachtengott!“
Thors Halsschlagader schwoll daumendick an. „Schweig, arger Wicht! Mjölnir soll dir für immer den Mund schließen! Ich werfe dich nach oben in die Ostlande! Niemand wird mehr einen Gedanken an dich verschwenden!“
Loki grinste. „Die Geschichten deiner Ostfahrten lässt du anderen lieber verborgen, seit du Held im Däumling des Handschuhs hocktest und dich nicht getraut hast Thor zu sein!“
Thors Faust umschloss den Hammer fester. „Sei endlich still, oder Mjölnir wird dafür sorgen. Meine Hand trifft dich mit Hrungnirs Töter, dass dein Gebein zerbricht.“
Loki lachte. „Ich denke, ich werde noch sehr lange Zeit leben, selbst wenn du den Hammer hebst. Die Riemen Skrymirs bekamst du nicht auf. Nichts zu essen hast du bekommen in jener Nacht.“
Thor knurrte. „Dein Gespött wird gleich verklingen! Hrungnirs Töter wird dich zur Hel senden hinter das Tor des Totenreichs! Richte Balder einen schönen Gruß aus!“
Ein elektrisches Knistern zuckte um den Hammer. Loki hob in einer enttäuschten Geste die Hände. „Ich habe vor den Asen und den Asensöhnen nur ausgesprochen, was meinem Herzen behagte. Einzig vor dir will ich abziehen, denn mich dünkt, du schlägst wirklich zu.“ Sein Blick wanderte auf den Meeresriesen. „Für diese Feier, Ägir, hast du viel Äl gebraut. Aber fortan sollst du kein Gastgelage mehr geben! All dein Eigentum, das die Halle erfüllt, soll die Feuersbrunst erfassen! Ich verbrenne dir den Buckel!“ Loki verzog das Gesicht zu einer aggressiven Fratze und hob die Hand.
Von mehreren Feinden umringt, die alle gleichzeitig auf sie einschlugen, wirkte Thea ihren letzten Zauber. Als ihr Avatar auf den Boden niederging, knurrte sie ungehalten. Wütend schubste sie die Maus über den Schreibtisch.
„Warum spielen wir eigentlich immer noch mit Malefiz?“, schimpfte sie und verschränkte die Arme.
Hektisches Klicken verriet Thea, dass ihre Freundin mit der Flucht beschäftigt war. Als würde es ihrem Zwerg helfen, feuerte sie die Spielfigur mit jedem Klick an schneller zu laufen. Thea lehnte sich im Stuhl zurück und verfolgte die Szene auf dem Bildschirm. Mit kurzen Schritten eilte Julis Avatar durch ein Waldgebiet. Drei Elfenkrieger schossen unentwegt Pfeile auf ihn. Je öfter sie ihre Bögen aber benutzten, umso mehr Abstand gewann Juli zwischen den Angreifern und dem Zwerg. Als sie Tiray endlich unbeschadet zum Teleport gebracht hatte, blies sie die Luft aus den Wangen. Der Lebensbalken zeigte nur noch einen kleinen Strich. Buchstäblich in letzter Sekunde hatte Juli ihren Zwerg in die Stadt gerettet.
„Das war knapp!“, stieß sie erleichtert aus und zog in einer bedauernden Geste den Mund schief. „Es tut mir leid für dich. Wie viel Erfahrung hast du verloren?“
„Mehr als genug“, murrte Thea.
„Sollen wir leveln gehen? Bestimmt machen wir deine eingebüßten Punkte rasch wieder gut.“
Thea fasste ihre Haare am Hinterkopf zusammen und band sie zu einem Zopf. „Dafür brauchen wir Tage. Nein, mir ist die Lust für heute vergangen!“
Seufzend schob Juli ihre Brille ein Stück nach oben. „Warum schmeißt du Malefiz nicht einfach aus der Gilde? Sie gehört dir!“
Thea schüttelte den Kopf. „Es ist unsere Gilde und Tom mochte ihn.“
„Ach was! Wir waren über zwei Jahre nicht im Spiel und kaum sind wir online, fleht Malefiz uns an, dass wir ihn wieder aufnehmen sollen. Frag dich mal warum.“ Sie lachte. „Seine Verzweiflung muss groß gewesen sein! Wenn Tom noch hier wäre, würden wir alle gemeinsam darüber abstimmen und dann könnte Malefiz seine heilenden Qualitäten an anderen Spielern auslassen.“ Sie klatschte in die Hände. „Lass ihn uns zu den Professionals schicken. Bestimmt hätten wir gegen die dann auch mal eine Chance.“
Schmunzelnd meldete sich Thea aus dem Spiel ab. „Das brächte uns keinen Nutzen. Dein_Tod ist im Endlevel, außerdem haben sie schon 12 Mitglieder, mehr geht nicht.“
Juli kicherte. „Wir könnten ihn gegen Medusa23011 austauschen. Sie ist neu, doch sie versteht es, zu heilen!“
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