Sie fuhren zurück ins Hotel, gaben den Autoschlüssel an der Rezeption ab und erhielten im Gegenzug Julis Führerschein. Im Zimmer zogen sie sich um und packten ihre Sachen zusammen, ehe sie sich in das verlassene Gässlein begaben. Die Pferde ließen nicht lange auf sich warten. Djarfur und Vala erschienen zuerst, dicht hinter ihnen landeten Fifil und Gulltop.
„Es tut mir leid, dass du nicht erfolgreich warst“ , begrüßte Djarfur seine Reiterin.
„Allmählich gewöhne ich mich daran“ , erwiderte Thea verbittert.
Das Walkürenpferd wieherte tröstend. „Eines Tages wirst du Loki finden und ihm das Handwerk legen.“ Als würde ihn die Fylgja verstehen, brummte sie zustimmend.
„Sie bringen Juli und mich zurück nach Hause. Ich werde die letzte Person auf dieser Welt sein, die Loki aufhält. Außerdem wird ‚eines Tages‘ zu spät sein“ , versetzte Thea.
Djarfur wartete, bis seine Reiterin aufgesessen war, dann sprang er Wal-Freya und Vala nach, die sich bereits zwischen den Häusern in den Himmel hoben. „Es ist vernünftig, euch in Midgard zu lassen. Loki ist dieser Welt am nächsten. Ich sollte auch hierbleiben, damit du schneller handeln kannst.“
„Dein Vertrauen in meine Fähigkeiten ehrt mich, aber wir beide wissen, dass du auf die falsche Person setzt. Ich stand Loki Aug in Aug gegenüber. Ich habe nicht die Kräfte, um ihn zu fangen. Ich bin nur ein Mensch.“
„Aber du bist ein Mensch, dessen Nähe er immer wieder aufsucht. Du solltest dir von Wal-Freya noch ein paar Tricks zeigen lassen. Ich bin voller Zuversicht, dass du eine weitere Chance bekommst“ , erwiderte Djarfur gelassen.
„Vielleicht“ , antwortete Thea abwesend. Ihre Gedanken schweiften ab. Wal-Freya machte nicht den Anschein, als wolle sie ihr in den nächsten Tagen ein paar Tricks beibringen. Djarfur mochte an sie glauben, doch sie selbst verlor jede Zuversicht. Ihre Welt stürzte ins Chaos und nichts schien diesen Zustand aufhalten zu können. Städte und Dörfer zogen an ihrem Blick vorüber. Friedlich lagen sie unter ihren Füßen, doch wie lange würde das andauern? Die Worte von Wal-Freyas Mutter hatten Thea einst Mut zugesprochen, als diese sagte, die Zukunft sei nun ein Wirrwarr aus Pfaden und Möglichkeiten und Thea müsse nur den richtigen Weg finden. So, wie Thea die Geschehnisse gesehen hatte, mussten sie nicht mehr stattfinden. Es war ihre Chance, die Dinge zurechtzurücken. Aber sie hatte nicht bedacht, dass es Loki gleichfalls neue Pfade öffnete. Wie es schien, nutzte der Feuergott seine Gelegenheit, um die Zukunft nach seinem Willen zu gestalten oder waren die Ereignisse, die sie erblickt hatte, etwa nur das Ende des Weges, zu dem sie ihr jetziges Handeln führen würde? Schweren Herzens schweiften ihre Gedanken zu Tom ab. Wie gerne hätte sie ihren Freund jetzt um Rat gefragt. Doch er befand sich in unerreichbarer Ferne. Ungewollt schossen ihr Lokis Worte in den Sinn. Ihr Blick wanderte zur Wanin, die ihre Augen starr zum Horizont gerichtet hielt.
„Wal-Freya? Wer ist Helgi Hundingsbana?“ , fragte Thea gerade heraus.
Die Walküre drehte stirnrunzelnd den Kopf. Passend zu Theas dunklem Gefühl antwortete die Göttin mit einer Gegenfrage: „Wie kommst du auf ihn?“
„Ich ... habe einmal von ihm gelesen, glaube ich“, wich Thea aus.
„Gelesen“, wiederholte Wal-Freya. „Wo und wann? Vor ein paar Stunden? Von Lokis Lippen?“
Ertappt stieg Thea die Schamesröte ins Gesicht.
„Ihr hattet wohl doch hinreichend Zeit, Dinge zu besprechen“, sagte Wal-Freya vorwurfsvoll. „Ich dachte, du hast inzwischen genug erlebt, um dich von Lokis falschem Geschwätz nicht mehr beeinflussen zu lassen. Was immer er dir einzureden versucht hat, schlag es dir aus dem Kopf!“
Thor brummte. „Sie spricht von unserem Helgi, oder nicht? Lebt er inzwischen nicht in Sessrumnir?“
„So ist es“, antwortete Wal-Freya kurz angebunden.
„Netter Kerl, aber was er mit Loki zu schaffen haben soll, ist mir ein Rätsel“, versuchte Thor zu helfen.
„Nichts hat er mit ihm zu schaffen“, erwiderte Wal-Freya. „Thea täte besser daran, sich auf ihre Familie und ihre Aufgabe zu konzentrieren, anstatt auf die Feinde der Götter zu hören.“
„Und welche wäre das?“, erwiderte Thea schärfer als gewollt.
„Heimzukehren und die Ereignisse in Midgard zu beobachten“, erwiderte Wal-Freya und richtete den Blick wieder nach vorn. Anscheinend erwartete die Walküre, dass die Unterhaltung damit beendet war. Thea biss sich auf die Unterlippe und schluckte ihre Antwort herunter. Wal-Freyas Rüge verletzte sie. Der Feuergott war für Toms Tod verantwortlich! Wie konnte die Göttin nach alldem, was sie durchgemacht hatte, an ihr zweifeln und denken, dass sie sich von Loki beeinflussen lassen würde. Oder wusste die Walküre mehr, als sie zugeben wollte? Wenn es keinen Grund gab, Lokis Worten Glauben zu schenken, warum erzählte ihr Wal-Freya dann nicht von Helgi? Verbarg sie doch etwas, so wie Loki angedeutet hatte? Gab es eine Möglichkeit Tom aus Sessrumnir zu holen? Und falls ja, was hinderte Wal-Freya daran, ihm diesen Gefallen zu erweisen? Etwa Odin? Hatte er Thea deshalb zurück nach Midgard geschickt, damit sie nicht die Wahrheit herausfand? Verzweifelt hieb sich Thea gegen die Stirn. Ungehindert tanzten ihr die Fragen durch den Kopf. Theas Wut auf Loki stieg ins Unermessliche. Nicht wegen seines Entkommens, sondern weil er es erneut geschafft hatte, seine dunkle Saat in ihr Herz zu pflanzen.
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