Prolog
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
Epilog
Personen und Wesen – Midgard-Saga 2 – JÖTUNHEIM
Impressum neobooks
Alexandra Bauer
Die Midgard-Saga - Jötunheim
Die Midgard-Saga
~ Jötunheim ~
Alexandra Bauer
Copyright © 2015 Alexandra Bauer
5. überarbeitete Auflage
D-65817 Niederjosbach
mail@alexandra-bauer.de www.alexandra-bauer.de
Illustration Petra Rudolf
All rights reserved.
Angrboda heißt eine Riesin in Jötunheim, mit ihr zeugte Loki einst drei Kinder. Eines dieser Kinder war ein Wolf, das andere eine Schlange, das dritte ein Mädchen mit einem Gesicht halb schwarz, halb weiß.
Schlechtes ahnten die Asen von diesem Nachwuchs, deshalb sendete Odin die Götter aus und ließ die Kinder zu sich holen.
Odin warf Jörmungand, die Schlange, ins tiefe Meer, das alle Länder umgibt. Darin wuchs das Reptil heran und wurde so gewaltig, dass es ganz Midgard umschlang. Hel, das Mädchen, schleuderte er in die tiefste Höhle Niflheims und gab ihm Macht über die neunte Welt. Den Wolf Fenrir aber ließ er in Asgard, wo er ihn beobachten konnte. Die Asen zogen ihn auf und er lernte sprechen. Doch der Wolf wuchs rasch heran und wurde bald so groß, dass der Ase Tyr der einzige war, der sich in seine Nähe wagte.
Die Weissagungen prophezeiten Übel von dem Wolf kommen. So schmiedeten die Asen mächtige Ketten und überredeten Fenrir, seine Stärke an diesen zu messen. Die erste Kette, Leding genannt, zerriss Fenrir mühelos, ebenso Dromi, die zweite. In ganz Asgard gab es niemanden, der eine noch mächtigere Kette schmieden konnte. So ließen die Asen in Schwarzalbenheim eine weitere Fessel fertigen. Gleipnir ward sie genannt. Sie sah harmlos aus wie ein Faden. Doch der Faden war von den Zwergen gemacht. Er bestand aus den Sehnen der Bären, dem Atem der Fische, den Bärten der Frauen, dem Speichel der Vögel, dem Geräusch des Katzentritts und den Wurzeln der Berge. Der Fenriswolf ahnte Verrat und forderte ein Vertrauenspfand, sollte er sich abermals auf einen Wettstreit einlassen. Ein Ase sollte die Hand in sein Maul legen, bevor er sich mit diesem Band fesseln ließ. Niemand wollte sich zunächst dafür hergeben. Schließlich bot sich Tyr an und Fenrir stimmte dem Wettstreit zu. Erneut fesselten die Asen ihn und lachten. In böser Vorahnung versuchte der Wolf Gleipnir zu zerreißen – erfolglos! Je stärker er sich in der Fessel wandte, desto enger zog sich der Faden. Fenrir war gefangen und Tyr verlor seine rechte Hand, denn Fenrir biss sie ihm ohne zu zögern ab. Die Asen nahmen das Ende Gleipnirs, zogen es durch einen Felsen und versenkten diesen tief in der Erde.
Der gefesselte Wolf riss sein Maul auf und schnappte wütend nach den Göttern. Diese steckten ihm ein Schwert in den Rachen, mit der Spitze gegen den Gaumen. Seither heult der Fenriswolf entsetzlich und es fließt so viel Geifer aus seinem Maul, dass daraus der Fluss Ván geworden ist.
Hier auf der Insel Lyngwe liegt Fenrir, bis die Götter vergehen und nur das Nordlicht spendet ihm Trost, wenn es in klaren Nächten sanft über den Himmel weht.
Auch in dieser Nacht hing das Nordlicht still über einem einsamen Wald. Es umspielte Sterne und Mond und wechselte die Farben von sanftem Grün zu feurigem Purpur. Doch etwas war anders. Nur wenige Tiere hatten sich aus ihrem Unterschlupf gewagt und flüchteten rasch, als ein Schnaufen die Stille durchbrach. Taubedeckte Farne sprühten silberne Funken, als die mächtigen Pranken eines Wolfs auf den Waldboden trafen. Schattenhaft bewegte sich das Tier an den Bäumen vorbei. Immer wieder hielt es inne und spähte den Weg aus, ehe es mit schnellen Bewegungen in die nächste Deckung flüchtete. Dort sah sich der Wolf gehetzt um, hob die Nase und witterte nach seinen Feinden. Er hatte sich im Schmutz gewälzt, damit ihn sein silbergraues Fell im Mondlicht nicht verriet. Dennoch war es ihm nicht gelungen, seine Verfolger abzuschütteln.
Er war kein gewöhnlicher Wolf, das wusste Fenrir. Von der Größe eines Pferdes jagte er nicht nur den Menschen in Midgard Angst ein, selbst die Götter fürchteten ihn. Gebunden an eine magische Kette hatte er über Jahrhunderte in Gefangenschaft verbracht, doch nun war er frei! All die Jahre hinweg hatte er sich immer und immer wieder gegen seine Fessel gestemmt, dem magischen Faden versucht zu trotzen, doch niemals ließ dieser sich sprengen. In der heutigen Nacht jedoch hatte sich Gleipnir wie von Geisterhand gelöst und Fenrir die Flucht ermöglicht.
Ein tiefer Schnitt zog sich von seiner Stirn aus über das linke Auge bis zu den Lefzen. Er hatte sie ihm während seiner Flucht zugefügt: Heimdall, der Wächter der Regenbogenbrücke Bifröst, die Asgard und Midgard miteinander verband. Nachdem Fenrir durch den Fluss geschwommen und von der Insel Lyngwe geflohen war, war er über das Idafeld gerannt. Sein Weg hatte ihn geradewegs zu Bifröst geführt. In einem letzten verzweifelten Versuch ihn aufzuhalten, hatte Heimdall das Schwert gezogen und Fenrir hart im Gesicht getroffen. Fenrir war über den Wächter hinweggesprungen, aber Heimdall hatte die Asen zusammengerufen und nun verfolgten sie ihn erbarmungslos.
Mit einem Mal blieb Fenrir stehen. Drohend hob er die Lefzen und bleckte seine Reißzähne. Ein langer, hagerer Mann stand vor ihm und streckte die Hand nach ihm aus. Er trug einen roten Klappenrock und eine weite Hose gleicher Farbe, die in schwarzen Stiefeln steckte. Lange dunkle Haare umrahmten sein Gesicht. Links und rechts der Oberlippe wuchs ein Bart in zwei langen Strähnen, ebenso am Kinn. Seine dunklen Augen blickten liebevoll unter dünnen, geschwungenen Brauen.
„Was? Erkennst du mich etwa nicht?“, sprach er Fenrir an.
Fenrir schüttelte den Kopf, doch nicht, weil er die Frage verneinen wollte. Vielmehr war es ein Reflex, um das Schwert aus seinem Maul zu bringen, das schon ebenso lang in seinem Schlund steckte, wie er gefesselt war.
„Lass mich dir helfen“, bot sich der Mann an und mit einer raschen Bewegung riss er das Schwert aus dem Wolfsrachen. Ein Aufheulen begleitete die Handlung und Fenrirs Augen füllten sich mit Tränen. Die Waffe war entfernt, doch Fenrir vermochte das Maul nicht zu schließen. Rasch trat der Mann näher und fasste den Unterkiefer des Wolfs. Mit beiden Händen zog er den Kiefer nach vorne. Abermals heulte Fenrir auf, doch diesmal schloss er das Maul und nickte dankbar. Schon wandte er wieder den Kopf. Von fern trug ein Windhauch den Geruch der Verfolger heran.
Der Mann hob den Blick. „Flieh! Ich werde nicht zulassen, dass sie dich abermals mit diesem Band fesseln.“ Er ließ seine Hand über die Verletzung des Wolfs streichen, ohne sie zu berühren. „Sie werden dir nichts mehr tun“, flüsterte er mitfühlend. Dann krümmte er sich auf einmal und stürzte. Kaum dass seine Hände den Boden berührten, glaubte Fenrir in einen Spiegel zu sehen.
„Lauf, du Dummkopf!“, knurrte der andere Wolf und Fenrir, der nun die kräftigen Tritte seiner Feinde auf dem Boden spürte, rannte los. Der zweite Wolf nahm das Schwert zwischen die Zähne und wartete, bis er Heimdall und sein Gefolge am Horizont ausmachte. Als ihre Rufe erkennen ließen, dass sie ihn entdeckt hatten, rannte er in entgegengesetzter Richtung zu Fenrir davon. Mit geschickten Sprüngen verschwand er im Schatten und zog die Verfolger mit sich.
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