Eine geistlich-theologische Sprachwerkstatt
Eine Werkstatt. Da wird gebastelt und experimentiert. Man benutzt verschiedene Materialien und fügt sie zusammen, bis entsteht, was gewollt wird und den Vorstellungen des Bestellers entspricht. Man verwirft, was nicht funktioniert oder gefällt. Meistens arbeitet man mit anderen zusammen – allemal in einer Lehrwerkstatt. Viele Gewerke sind auf andere angewiesen. Es werden verschiedene Gaben eingebracht, Fähigkeiten ergänzen sich, »Knowhow« wird geteilt. So auch in einer Sprachwerkstatt.
Wir tauschen Erfahrungen aus. Wir reflektieren unseren Umgang mit Sprache, die Weise unserer Verkündigung, unseres Auftretens und des Umgangs mit dem Wort Gottes. Wir versuchen, es beim nächsten Mal besser oder zumindest angemessener zu machen. Wir ergänzen, korrigieren und ermutigen uns gegenseitig. Wir erlauben uns Fehler, Irrwege und sogar Schuld – um sie dann zu korrigieren oder zu vergeben.
Vor allem erwarten wir, dass Gott selbst unser Lehrmeister ist. Wir werden Schüler des Rabbi Jesu von Nazareth. Jünger eben. Wir schauen hin, wie er von Gott redet und mit den Menschen spricht, denen er begegnet und mit denen er unterwegs ist. Wenn stimmt, dass Jesus selbst das Wort Gottes ist, kann nur er das Bild sein, das uns im »mitReden« leitet und inspiriert.
Als Mitgestalter oder Mitgestalterin bin ich wichtig. Klar! Deshalb will und muss ich meine individuelle Sprache des Glaubens finden und will dann auch mitreden. Dies wird sich vor allem in meinem alltäglichen Leben abspielen. Doch während ich dort oft allein mit den Leuten rede – in der Sprachwerkstatt ich bin nicht allein! Ich bin Teil der Jüngergemeinschaft, einer Gruppe. Deshalb wurde bisher so viel von »Wir« gesprochen. Der Ort, so ein Buch wie dieses zu lesen kann natürlich auch das Sofa sein oder der Schreibtisch. Besser wird es als Lektüre in einer Werkstatt-Gruppe verstanden.
Christen treffen sich nicht nur zur »Erbauung«, sondern arbeiten an sich und stecken sich Ziele. Etwa: Wir wollen in der Lage sein, über unseren Glauben zu sprechen. Wir wollen die alten, biblischen Geschichten und Begriffe in unserer eigenen Sprache erzählen und weitergeben können. Wir wollen Menschen mit dem Evangelium erreichen, sie begeistern und ihnen erklären können, was christlichen Glauben ausmacht. Wir wollen ihr Herz und ihren Verstand ansprechen und hoffen, sie am Ende für Christus zu gewinnen ...
Weil dieses Lesebuch sich auch als Werkbuch versteht, gibt es in jedem Kapitel diese ✪Sternchen. Sie sind eingeladen, in Ihrem Haus-, Gesprächs- oder Mitarbeiterkreis und in Ihrer »Werkstattgruppe« die so gekennzeichneten Anregungen aufzunehmen.
Sie haben schon gemerkt: Die Werkstatt hat bereits geöffnet. Wir sind mittendrin und gleich geht es weiter ...
✪ Zu Beginn können Sie ja einmal für sich selbst, aber auch für Ihre Gruppe überlegen, was Sie eigentlich erreichen wollen. Warum und wozu wollen Sie »mit Reden« nutzen – und warum und wozu wollen Sie überhaupt mitreden? Was soll dieses Werkbuch Ihnen bringen?
1. Von der Macht des Wortes
✪ Bevor Sie dieses Kapitel lesen, empfehle ich einen Einstieg für die Gruppe zum Selber-Denken.
Die Leitfrage ist: »Worte – was können und leisten sie und was nicht?«
Sie schreiben Überlegungen dazu auf Karten (in zwei Farben) und sammeln diese geordnet an einer Pinnwand oder auf dem Boden.
Ohne Zweifel, Sprache ist das herausragende Instrument der Kommunikation unter Menschen überhaupt. Wir wissen, dass auch Tiere sich durch Laute und vielleicht gar so etwas wie Worte miteinander verständigen (z.B. Papageien, Robben, Delfine, Raben, Elefanten). Eine derart ausgefeilte und differenzierte Sprache jedoch, wie wir Menschen sie entwickelt haben, ist nur dem Homo Sapiens zueigen. Man geht heute davon aus, dass die Anatomie des Menschen (Zusammenwirken von Rachenraum, Gaumensegel, Stimmbänder und Zunge, Lippen, Mund- und Nasenhöhle) und zusätzlich ein spezielles Gen (FOXP2) die Fähigkeit des Sprechens ermöglichen.
Worte sprechen lassen
Den Begriff »Sprache« beziehen wir nicht nur auf den Gebrauch von Worten. »Die Sprache der Liebe«, die »Sprache des Herzens«, die »Sprache des Geldes« usw. sind gängige Beschreibungen menschlicher Ausdrucksformen. So benutzt, wird »Sprache« zum Universalbegriff jeder Form von Kommunikation. Musik spricht zu uns. Bäume, Vögel, Natur und sogar Steine können zu »sprechen« beginnen. Der Begriff Sprache kann wie ein Container für alles sein, was uns irgendwie anspricht, berührt und betrifft – auch ganz ohne Worte. Wir reden auch von Gebärdensprache, Körpersprache usw.
All dies spielt natürlich auch eine manchmal extrem wichtige Rolle beim Sprechen, Reden und dem Gebrauch von Worten, soll uns hier jedoch zunächst nicht vorrangig beschäftigen.
Hier geht es um die Sprache, die durch Worte entsteht und aus unserem Mund kommt. Worte sprechen. Vielleicht nicht immer, aber hoffentlich meistens gehen ihnen Gedanken voraus. Ein Gedanke wird ausgesprochen.
Der schon erwähnte Werner Steinbrecher hat oft Schriftzeichen in seine Bilder integriert. Er meinte einmal sinngemäß: »Schrift ist nichts anderes als ein Bild. Wir sprechen ja auch vom Schriftbild. Und was ist das? Es ist ein Bild von einem Wort. Schrift und Bild sind nichts anderes als die Darstellung des Wortes.«
Somit sind auch Schrift-Bilder Träger des gesprochenen Wortes. Wir alle kennen (und lieben) das: Briefe, Bücher, Gedichte ... auch wenn das Wort aufgeschrieben ist, spricht es zu uns.
Worte können etwas bewegen. Das erleben wir alle.
»Ich liebe Dich!«, da geht mein Herz auf! »Du bist toll!«, da fühle ich mich anerkannt. »Du spielst Fußball wie ein kleiner Messi!«, das spornt mich an, auch wenn ich es irgendwie übertrieben finde. »Wir schaffen das!« Dieser 2015 von Angela Merkel geprägte Satz hat zwar auch Widerspruch hervorgebracht, vor allem jedoch motiviert, Flüchtlinge aufzunehmen. Es gibt also Worte und Sätze, die bauen auf, trösten, stärken, motivieren ... Solche Worte hören wir gerne.
Es gibt aber auch Worte und Sätze, die zerstören und vernichten. »Du Dussel!«, da fühle ich mich klein und elend. »Du schaffst das nie!«, da reagiere ich entweder trotzig und verbissen oder mein Selbstwert sinkt bei jedem Wort dieser Art.
Wir alle kennen unzählige Beispiele beider Wirkungen von Worten. Kinder und Jugendliche erleben Bestätigung und Zuspruch. Ihr Selbstgefühl steigt, ihre Lebensfreude und Motivation gleichermaßen. Anders, wenn sie klein gemacht oder gar gemobbt werden. Solche Worte, auch wenn sie in den sozialen Medien gepostet werden, haben junge Menschen sogar schon in den Suizid getrieben. Worte wirken. Wir erleben, wie Populisten dies wissen und nutzen. Untergangsszenarien und apokalyptische Zukunftsbilder werden vor Augen gemalt. Ängste werden geschürt und als Ausweg Erlöser- und Retterfiguren oder Ideologien angeboten. All das geschieht durch Worte.
»Yes, we can!« Worte schüren Hoffnung und setzen Kräfte frei. »America first!« Worte spalten und grenzen voneinander ab. Nicht nur in Amerika, überall auf der Welt geschieht so etwas. Worte können Völker versöhnen (Martin Luther King, Nelson Mandela, Willy Brandt ...) und Worte können Krieg und Vernichtung hervorbringen, einleiten oder beschleunigen (Adolf Hitler, Joseph Goebbels, George W. Bush ...).
Soll also niemand sagen: »Das sind ja nur Worte!«
Richtig. Es werden viele Worte gemacht und oft geschieht wenig. Es gibt unzählige nutzlose, überflüssige, dumme und wirkungslose Worte. Täglich werden wir mit einer Flut von Worten konfrontiert, einer Sturmflut, einem Tsunami sogar. Jährlich erscheinen allein in Deutschland um die 80.000 Bücher. Zeitungen, Magazine, Prospekte und Flyer füllen die Altpapiercontainer. Fernsehen, Radio, Internet und Social Media lullen uns ein mit abertausenden Worten.
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