Hermann Brünjes
Miriams Baby
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Inhaltsverzeichnis
Titel Hermann Brünjes Miriams Baby Dieses ebook wurde erstellt bei
Prolog
Montag, 2.12.
Dienstag, 3.12.
Mittwoch, 4.12.
Donnerstag, 5.12.
Freitag, 6.12.
Sonntag 8.12., 2. Advent
Montag 9.12.
Dienstag 10.12.
Mittwoch 11.12.
Donnerstag 12.12.
Freitag 13.12.
Samstag 14.12.
Sonntag 15.12., 3. Advent
Montag 16.12.
Dienstag 17.12.
Mittwoch 18.12
Donnerstag 19.12.
Freitag 20.12.
Samstag, 21.12.
Sonntag, 22.12., 4. Advent
Montag 23.12.
Dienstag 24.12. Heiliger Abend
Epilog
Beteiligte Personen
Autor, Hinweise zum Buch und weitere Bücher
Impressum neobooks
Miriams
Baby
Gewidmet jenen Menschen,
denen ich im »Tagungshaus mit Herz« begegnet bin.
Ihr wart mir Inspiration und Freude.
Danke.
»Nie zuvor musste ich so etwas tun!«
Dr. Christine Fuhrmann wischte sich mit dem Handrücken über die feuchte Stirn. Der Schutzhandschuh fühlte sich klebrig an. Das Skalpell schimmerte sanft im Kunstlicht, so als wolle es seine Unschuld beteuern.
Als die Gerichtsmedizinerin den ersten Schnitt ansetzte, hielt Inspektor Georg Martens die Luft an. Er wollte wegschauen, konnte jedoch nicht. Wie gebannt starrte er auf den kleinen Körper, der nun gnadenlos obduziert werden sollte.
Der Schnitt saß. Die Ärztin verstand ihren Job.
Seltsamerweise trat kein Blut aus. Trotzdem musste Martens seinen Blick abwenden. Er schaute zum Nachbartisch. Unter dem grünen Laken hob sich die Kontur eines zweiten Körpers ab. Die Bahre aus Edelstahl war auf menschliche Größen ausgelegt, also über zwei Meter lang. Nur ein Viertel davon beanspruchte der kleine tote Mensch darauf.
Hier lag das zweite Baby. Tot.
Frau Dr. Fuhrmann begann ihren monotonen Singsang. Sie sprach in ein Mikrophon, das sie am Revers ihres Kittels befestigt hatte. Das Meiste verstand Martens nicht. Es war ihm fremd wie die Litanei einer lateinischen Messe.
Auch der Inspektor musste noch niemals zuvor so etwas tun. Ein Jäger hatte vorgestern die erste Leiche entdeckt. Sie lag in einer Senke südlich der Kreisgrenze mitten im Wald. Man hatte das Baby mit starken Ästen und Laub zugedeckt, Tiere hatten sich jedoch Zugang verschafft. Einer der beiden zuerst eintreffenden Polizisten hatte sich übergeben müssen. Sie hatten den Fundort abgesperrt und bereits die Personalien des Jägers aufgenommen, als Martens eintraf. Der hatte daraufhin eine Hundestaffel aus Lüneburg angefordert und die Gegend durchsuchen lassen. Seine Hoffnung war, wenigstens noch die Kleidung des Kindes zu finden, schon allein um die Identifikation zu erleichtern. Fehlanzeige.
Die Kleider wurden nicht gefunden, dafür das zweite tote Kind. Es lag nur etwa hundert Meter vom ersten entfernt in einem Fuchsbau. Jemand hatte es dort hineingesteckt, als sei es ein Stück Abfall. Vielleicht hatte man auch gehofft, das kleine Bündel Mensch würde schnell im Magen hungriger Tiere verschwinden.
Nun aber lagen beide hier auf den kalten Edelstahltischen. Die Identifikation würde schwierig werden, ganz ohne Kleidung. Immerhin waren beide Gesichter noch halbwegs anschaulich. Es waren wirklich niedliche Babys. Martens musste an seine Neffen denken. Zwar konnte er nicht viel mit diesen kleinen Dingern anfangen – aber sie anschauen und über diese kleinen Wunderwerke staunen, das konnte auch er.
Drei Stunden später war die Obduktion der beiden Babys abgeschlossen. Martens war noch einmal gegangen, nun jedoch verabredungsgemäß wieder zurück in der Gerichtsmedizin.
Dr. Fuhrmann zog die Gummihandschuhe von ihren Händen, warf sie in einen Beutel, tat das Gleiche mit dem grünen Kittel und wandte sich an den Inspektor.
»Danke, dass sie wiedergekommen sind.«
»Frau Doktor, dass ist nicht nur mein Job, ich will und muss wissen, was mit diesen Kindern passiert ist.«
»Beide sind erstickt worden. Man hat ihren Kopf in eine Plastiktüte gesteckt und sie verrecken lassen.« Ihr Entsetzen über diese Tat war in jedem Wort spürbar. »Wann? Vermutlich vor drei Tagen. Beide Kinder sind gleich alt. Sie sind etwa Weihnachten letzten Jahres geboren worden.«
»Sind es Geschwister?«
Martens tippte auf Familiendrama.
»Das wird der bereits eingeleitete DNA-Abgleich vermutlich ausschließen. Zähne, Gesichtsform und viele andere Details unterscheiden die Babys. Beides sind Jungen.«
Es würde eine lange Ermittlung werden, das war Martens klar. Die eigene Mutter, Familie oder Angehörige – damit würde er nach der Identifizierung beginnen müssen.
»Jens, bei allem Respekt, du hast sie ja nicht mehr alle!«
Die Meinung meines Chefs Florian Heitmann zu meiner Person ist mir bekannt. Respekt und Kopfschütteln zugleich. Jetzt offenbart er sie auch gegenüber dem Redaktionsteam. Na schön. Die Ressortchefs, unsere Mediensprecherin und zwei verdiente Journalisten sitzen zur regelmäßigen Konferenz zusammen. Einer der beiden Journalisten bin ich, wobei ich meiner Meinung nach nicht verdiene, was ich verdiene.
»Chef, das habt ihr bei Oliver Bender auch gesagt.«
Alle nicken. Ja, die letzte Story um den auferstandenen Bender hat großen Wirbel gemacht. Es war die Story – leider konnten wir sie nicht ganz zu Ende schreiben.
»Jens, so etwas passiert nur einmal im Journalistenleben. Du kannst jetzt nicht plötzlich fromm werden und Jesusgeschichten schreiben. Das überlass mal schön den Kirchenfuzzies! Die haben ja auch eigene Medien – auch wenn die Nutzerzahlen vermutlich lächerlich niedrig sind.«
Ich hätte natürlich ahnen müssen, das Florian Heitmann meinen Vorschlag ablehnen würde. Er ist manchmal geradezu ein Kirchenhasser. Vielleicht liegt das daran, dass er früher einmal selbst Theologie studiert hat. Im dritten Semester hat er abgebrochen. Warum, habe ich auf der betrieblichen Weihnachtsfeier am letzten Wochenende auch nach diversem Sekt-, Bier- und Whiskygenuss nicht herausgefunden. Er hat nur etwas davon gelallt, dass man ihn ausgenutzt und manipuliert habe. Jedenfalls ist er dann auf Journalismus umgestiegen und hat später sogar bei der Bildzeitung in Hamburg Karriere gemacht.
»Aber lass ihn doch erst einmal ausreden!«
Der Ressortleiter unserer Online-Redaktion und ich verstehen uns gut. Er ist stellvertretender Chef und hat auf die Kollegen großen Einfluss. Wäre er nicht hier, hätte unser Kreisblatt vermutlich längst sowohl Buchstabenformate, Schriftbild und Aufmachung der BILD, als auch das inhaltliche Niveau dieses schönen, bunten Bildungsblattes übernommen.
»Okay, Jens. Rede weiter, aber mach es kurz!«
»Viel gibt es da nicht mehr zu sagen.« Ich finde, meinen Vorschlag gut. »Es sind nur noch drei Wochen bis Weihnachten. Wir berichten über Adventsfeiern bei der Feuerwehr oder im Sozialverband. Wir drucken romantische Fotos von Weihnachtsmärkten und tollen Lichtinstallationen am Bahnhof und in der Stadt. Wir machen Live-Übertragungen vom alten Rathaus mit den Kunstfenstern als Adventskalender. Aber worum geht es Weihnachten wirklich?«
Ich schaue mich um und sehe viele nicken.
»Es geht um Schokolade, Licht, Frieden und Geschenke!«
Florian grinst. Ich vermute, er meint es ernst und sagt es aus tiefster Überzeugung, auch wenn es sich wie eine ironische Provokation anhört. Der BILD-Reporter steckt eben noch tief in ihm drin.
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