Erich Puedo
Hermann, Hermann
Für immer vier Tage
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Inhaltsverzeichnis
Titel Erich Puedo Hermann, Hermann Für immer vier Tage Dieses ebook wurde erstellt bei
Somewhere only we know - Keane
Bailando - Enrique Iglesias
Alles wird sich ändern wenn wir groß sind - Echt
Where is my mind - Nada Surf
Holiday in Spain - Blof feat. Counting Crows
Don’t marry her - Beautiful south
I sing I swim - Seabear
Ein Kompliment - Sportfreunde Stiller
Alive - Empire of the Sun
Lost - Anouk
Jetzt bist du weg - Nena feat. Udo Lindenberg
Disarm - Smashing Pumpkins
Allein Allein - Polarkreis 18
Chasing cars - Snow patrol
Who knew? - Pink
Girl on Fire - Alicia Keys
Gewinner - Clueso
Fade out lines - Nouvelle Vague
Impressum neobooks
Somewhere only we know - Keane
Tarifa
Drei Uhr einundzwanzig. Ich sitze in einer Strandbar. Ein Milchkaffee, meine Sonnenbrille und Flip-Flops. Aber das Meer kann ich nicht mehr sehen. Eine riesige Uhr in der Form einer Weltkugel hängt vor mir, mitten in der Luft. Sie tickt wie mein Nachttischwecker. Tick. Drei Uhr einundzwanzig und elf Sekunden. Tick. Zwölf Sekunden. Tick. Dreizehn Sekunden. Tick. Vierzehn Sekunden.
»Is this free, Guapo?«
Da ist sie. Endlich. Die Frau, auf die ich so lange gewartet habe. Sie tut so, als würde sie mich nicht kennen. Sie spricht englisch, aber gleichzeitig spricht sie mich mit meinem Namen an. Seltsam. Aber nun gut, soll es so sein. Ich habe lange genug auf dich und diesen Moment gewartet. Setz’ dich! Es kann losgehen.
»Klar, der Platz ist frei. Setz’ dich.«
Und sie setzt sich. Setzt sich neben mich und nimmt Platz in meinem Leben. Sie lächelt. Tick. Drei Uhr einundzwanzig und fünfzehn Sekunden. Tick. Fünfzehn Sekunden. Tick. Fünfzehn Sekunden. Tick. Fünfzehn Sekunden. Tick. Fünfzehn Sekunden... Das war es dann wohl. Tick. Fünfzehn Sekunden. Um drei Uhr einundzwanzig und fünfzehn Sekunden bleibt die Zeit stehen. Die Zeit ist stehen geblieben und ein neues Leben beginnt. Es geht los. Tick. Fünfzehn Sekunden. Tick. Fünfzehn Sekunden. Wir schauen auf’s Meer. Die Kugeluhr ist verschwunden. Tick. Nur der stehengebliebene Sekundenzeiger hängt in der Luft, der Rest der fliegenden Kugeluhr ist nicht mehr da. Einfach weg. Der Blick auf’s Meer ist wieder frei. Tick. Er tickt, aber der Zeiger bewegt sich nicht mehr. Der Zeiger zeigt jetzt direkt auf’s Meer. Auf ein spiegelglattes Meer. Keine Welle. Kein Lüftchen. Als wäre nicht nur die Zeit stehengeblieben, sondern alles. Das ganze Leben steht still. Dabei fängt es doch gerade neu an.
»Wo warst du?«
Ich habe auf dich gewartet. Ich habe hier gesessen und auf dich gewartet. Gewartet auf diesen einen Moment.
Sie schaut mich an und lächelt. Ein Lächeln, das die Zeit stehen lässt. Ein Lächeln, das dem Meer die Wellen nimmt. Ein Lächeln, das die Welt bedeutet. Ein Lächeln, das mehr ist als ein Lächeln. Dieses Lächeln bin jetzt ich. Dieses Lächeln sind jetzt wir. Es geht tatsächlich los.
»Guapo?«
Und diese Stimme. Diese Vertrautheit im Ton. Diese Selbstverständlichkeit. Als ob sie immer da gewesen wäre. Als ob diese Stimme ein Teil von mir wäre, nur kommt sie aus ihrem Mund.
»Guapo?«
Aber woher kommt jetzt diese Unsicherheit in dieser Stimme? Nein, die Unsicherheit ist nicht in ihrer Stimme, die Unsicherheit ist in mir. Was ist los? Ich weiß nicht, was ich antworten soll. Ist es das? Ist dieser Moment zu groß für mich? Es wäre mein erster Satz in einer neuen Zeit, in meinem neuen Leben. Ist dieser Satz denn so wichtig? Bin ich wirklich nervös? Macht mir dieses neue Leben etwa Angst? Ein Leben, auf das ich ein ganzes Leben gewartet habe. Warum sollte mir das Angst machen? Oder macht sie mir Angst? Ich kenne sie eigentlich nicht. Doch weiß ich genau, wer sie ist. Ich habe sie noch nie gesprochen, aber ich weiß alles über sie. Sie ist die Frau, für die ich geboren wurde. Sie ist die Frau, von der ich schon immer geträumt habe. Sie ist der Sinn in meinem Leben. Ich weiß, ich kenne sie. Aber woher? Sie kennt meinen Namen und ich kann nicht antworten. Ist es das? Ist es das, was nicht stimmt? Diese Unsicherheit? Ich kann nicht antworten. Ich kann nicht sprechen! Was ist los mit mir? Sag doch einfach irgendetwas. Sag doch einfach ’Hallo’. Das ist doch nicht so schwer. Einfach ’Hallo!’. Aber ich kann nicht. Ich kann nicht sprechen. Sie schaut mich fragend an. Sie schaut mich an und ich kann nicht sprechen. Ich bin stumm und versinke in diesen endlosen Augen. Ich versinke wirklich. Ich falle irgendwie hinein in diese Augen. Ich falle hinein und es sind keine Augen mehr. Ich falle durch Farben. Ich falle durch die stehengebliebene Zeit. Ich falle durch ihre Augen und da sind Farben... unendliche Farben... und da sind Menschen. Ja, da sind Menschen. Es ist wie ein Film. Ich sehe sie. Sie steht an diesem Strand. Die Sonne knapp über dem Horizont. Sie trägt ein weißes Sommerkleid, der Saum nass von den kleinen Wellen. Und sie lächelt. Sie lächelt das Lächeln, das die Zeit stehen lässt. Aber diese Welt steht nicht still. Diese zwei Kinder... sie gehören zu ihr. Sie spielen mit einem Minikite am Strand, sie spielen Kitesurfprofi... und sehen auch fast so aus mit ihren halblangen, windzerzausten, blonden Haaren. Sie lachen. Sie rennen und lachen... und dieses Lachen... es ist mein Lachen! Sie haben beide den gleichen schiefen Schneidezahn wie ich. Sie lachen mein Lachen und... und sie haben mein Gesicht. Und sie schauen mich direkt an.
»Guapo?«
Sie rufen meinen Namen. Sehen sie mich? Sie wissen, dass ich da bin, aber sie können mich nicht sehen.
»Guapo? Wo bist du?«
Die Augen dieser Frau. Ich kann sie wieder sehen, sie schauen mich wieder an. Ich sehe wieder tiefblaue Augen in ihrem Gesicht. Die Kinder mit meinen Gesichtern und der Strand sind verschwunden. Nur noch diese Augen. Diese Augen... sie sind irritiert. Ihre Augenbrauen ziehen sich zusammen und fragen ’Warum spricht er nicht?’. Ja warum? Warum kann ich nicht antworten?
»Holger?«
Sie kennt meinen Namen. Und ich weiß ihren. Sie heißt Nina. Aber woher weiß ich das? Wer ist sie? Sie ist mir so vertraut. Wie kann das sein? Ich glaube, ich liebe sie.
»Guapo? Schläfst du?«
Was? Oh mein Gott! Ja. Nein! Ja, ich habe geschlafen. Ich habe geträumt. Ich konnte nicht sprechen. Nina stand vor mir, wie bei unserer ersten Begegnung, und ich konnte nicht sprechen.
»Alles gut?«
»Ja! Ja, alles bestens. Ich bin wohl kurz eingenickt. Ich habe geträumt.«
»Du wirst mir noch zu einem richtigen Spanier. Siesta um halb vier Uhr nachmittags?«
»Si claro! Por que no.«
»Ja, warum eigentlich nicht? Und dieses akzentfreie Spanisch... und diese braune Haut. Ich könnte mich fast in dich verlieben.«
»Fast?«
»Na ja, du röchelst ein bisschen beim Siesta machen... um es nicht schnarchen zu nennen.«
»Und das ist ein Grund, mich nicht mehr zu lieben?«
»Nein, sicher nicht. Aber sexy ist anders, Guapilein. Was hast du geträumt?«
Ich habe unsere Kinder am Strand spielen sehen. Es war mein Leben und meine Zukunft durch deine Augen. Es war schön. Ein wenig kitschig. Und ich konnte nicht sprechen. Ich hatte Angst, dich zu verlieren, weil ich nicht sprechen konnte.
»Nichts. Ein Albtraum. Ein schöner Albtraum.«
Hauptsache, ich mache ihr keine Angst mit meinen Träumen. Wir kennen uns seit zwei Monaten. Es waren die besten zwei Monate meines Lebens, keine Frage. Aber es ist ein bisschen früh, um ihr zu offenbaren, wie sehr mir Träume von einer Familie mit ihr gefallen.
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