1 ...7 8 9 11 12 13 ...19 „Eine Falle, ich weiß“, knurrte er in später Einsicht.
„In der Tat. Ihr solltet aufgehalten werden, mit einer leichten Beute, auch wenn ihr doch schwer ringen musstet. Das Gift hatte bereits Teile vom Gehirn des Dings zerfressen, deshalb hat es sich unter Menschen versteckt, war feig und dumm geworden. Ich gebe zu, dass ihr einiges mit der fast vollständigen Auslöschung des Gefallenen Rudels gewonnen habt, so auch meinen Respekt, aber dieser eine da, er ist mächtiger und gefährlicher als alle anderen zuvor. Skrupellos hat er den Letzten der Seinen geopfert um euch entweder gleich feige mit Gift zur Strecke zu bringen oder wenigstens durch eure Schwächung einen Vorteil für die nächste Konfrontation zu haben. Er wartet nur darauf, dass ihr ihm blindem Zorn weiter hinterher hetzt.“
Er wurde laut: „Ich habe es geschworen! Auch wenn der Ruf von Klan und Gott mir sofortige Rückkehr gebietet, werde ich zuerst das beenden, was ein Ende finden muss! Mein Dank euch gegenüber ist unvergessen, aber egal was euer Befehl ist, ihr werdet mich nicht aufhalten. Die Rache wird mein sein, so habe ich es mir geschworen!“
„Geschworen habt ihr auch als Diener der Allmutter stets die Leben der Sterblichen zu schützen und euer wahres Wesen niemals der Welt zu offenbaren! Wäre ich nicht gewesen und hätte die Leute aus der Taverne mit einer Täuschung von falschem Feuer und größter Bedrohung im Dunkeln vertrieben, dann hättet ihr sie in eurem Kampf mit dem Gefallenen alle gefährdet und zugleich unser seit Jahrhunderten gehütetes Geheimnis um unsere Existenz gelüftet!“
„Ach! Eine schreckliche Geschichte mehr über irgendwelche Monster aus den Grenzprovinzen wird neben all den anderen Ammenmärchen keine Scheiterhaufen der Inquisition und keine weiteren Kreuzzüge herauf beschwören. Noch dazu kurz vor einem drohenden Krieg gegen die Skrael! Und geflohen wären diese paar verängstigten Erloschenen, die beim Anbruch der Nacht oder beim Heulen des Windes schon zittern, ohnehin rechtzeitig! Aber all dies ist jetzt ohne Bedeutung. Allein die Vernichtung dieses Dieners des Einen Feindes zählt jetzt. Allein sein Ende und sonst nichts!“
Es folgte angespanntes Schweigens zwischen den beiden. Blitzend grüne Augen starrten in das ungleiche Augenpaar. Aber anstatt weitere Widerworte vorzubringen, seufzte Sanara nach einer Weile. Sie zuckte mit den Schultern, blickte wie abwesend zur Seite.
So sprach sie in einem fast beiläufigen Ton: „Ach meine lieben Brüder, ihr verdammten Werwölfe, seid vielleicht die stursten Kreaturen unter Ardas Himmel. Und dass ihr als Geächteter trotz anderslautender Bekundungen auf heilige Gesetze kaum noch achtet, sollte mich nicht wundern. Gehorsamkeit kommt eurem Zorn auch nicht in die Quere. Vom Dank sprecht ihr, undankbar bleibt ihr. Egal was ich jetzt sagen würde, es würde euch ja doch nicht überzeugen. Und euch noch mehr antun als es der Wereber vermochte will ich keinesfalls, denn aufs Schleppen habe ich keine Lust. Dafür wärt ihr mir auch zu schwer.“
Er hörte ihren Hohn, er spürte seinen Zorn. Sie sprach so mit gezielter Absicht um ihn ein wenig zu provozieren, das war ihm klar. Eine Matrone wie sie dürfe er niemals unterschätzen.
Dann sagte er: „Weil ihr für mich getan habt, was ihr getan habt, will ich euren Spott vergessen, aber denkt nicht, dass ihr euch mit eurer jungen Zunge alles erlauben könnt. Auch wenn ich ein Geächteter bin, so habe ich immer noch meine Ehre!“
Sie machte eine abweisende Geste mit der Hand.
„Es bringt nichts zu streiten. Ihr seid wie ihr seid. Ihr habt euch entschieden. Ihr stellt euren Schwur von Rache über das Gebot eures Gottes. Ihr...“
„Das tue ich nicht!“, unterbrach er sie jäh, „Dies ist meine letzte Chance ihn zu stellen, ehe er im Osten verschwindet und eines Tages wieder gestärkt und noch mächtiger zurück kehren wird. Zuerst muss er sterben, dann...“ Jetzt unterbrach sieh ihn jäh und setzte fort, ohne weiter auf seine Argumentation einzugehen: „Ihr wisst denn, dass ich den Befehl habe euch lebend vor das Antlitz Goronds zu führen. Die eigentlichen Gründe sollen euch erst dort offenbart werden. Der Wald der Welt wird euch willkommen heißen und ihr werdet kein Geächteter mehr sein, ihr werdet wieder euren Namen haben.Wenn ihr eure Rache getilgt habt, gibt es nur noch einen Weg. Und weil ich bis zur Erfüllung meiner Aufgabe nicht von eurer Seite weichen werde, lasst uns gemeinsam gegen den Gefallenen ziehen.“
Sein Temperament war wieder gekühlt. Er hatte Respekt vor ihr, nicht nur weil sie eine Schwester seines Klans war und als Matrone im uralten Bund mit ihm vereint war. Allein mit ihren Worten hatte sie sich bereits bewiesen.
Schließlich sagte er: „So sei es denn. Jetzt heißt es mit größter Eile nach Osten! Auch wenn er wenigstens eine Nacht Vorsprung hat, so können wir ihn noch einholen. Außerdem kenne ich diesen da zu gut, kenne seine Schwäche. Er giert nach einem letzten Kampf mit mir, er will es auch entschieden wissen. Er wird sich etwas mehr Zeit lassen, wird im Lauf ins Feindesland ein wenig abwarten, ob ich ihm vielleicht nicht doch nachkommen kann.“
„Alle Gefallenen müssen fallen“, sprach sie.
„Alle Gefallenen müssen fallen!“, wiederholte er energisch.
Er marschierte hastig los. Während er sich den Beutel um den Rücken band, drehte er sich kurz um und fragte: „Werdet ihr denn in Fuchsgestalt schnell genug sein um mir zu folgen, wenn ich sogleich los haste?“
Sie feixte und sagte: „Ha! Ich vermag schnell wie der Wind zu sein, wenn ich es möchte.Wir könnten ja darauf wetten, wer schneller die Fährte des verderbten Untiers findet und kampfbereit vor ihm steht? Vielleicht erschlage ich ihn auch einfach vor euch.“
Er grinste über ihren neckischen Scherz. Das tat gut. Es war schon zu lange her, dass ihm jemand etwas Unbeschwertheit schenkte.
So begann er die Verwandlung. Sie tat es ihm auf ihre Weise gleich. Dieses Mal wählte er aber nicht die Kriegsgestalt, sondern die Tiergestalt, die gerade für langes Reisen von Vorteil war. Ein schwarzgrauer Wolf, größer wohl als seine Artgenossen, mit einem umgebundenen Beutel auf dem Rücken und einem silbernen Reif um seinen rechten Fuß, lief im eiligen Tempo über das Hügelland hinweg. Eine rote Krähe folgte ihm im tiefen Flug.
Kapitel 3 - Die Wahl der Wanderer
Keine zwei Tages später fanden der Geächtete und Sea Sanara die Spur des Gefallenen. Sie führte sie in der darauf folgenden Nacht zum Fuße eines hohen Hügels, an dessen abgeflachter Spitze sich ein Steinkreis mit mehreren Megalithen erhob. Grau und trotzig stand an diesem von den Menschen vergessener Ort, eine der letzten unzerstörten Kultstätten des Alten Glaubens. Hier konnten diese verschont von den Feuern der Kirche noch gefunden werden, hier im Feindesland, kaum drei Meilen jenseits der Grenzen von Dimbrag.
Werwolf und Matrone verbargen sich in dieser besonders kalten Stunde zwischen einigen Bäumen. Ihre erwartungsvollen Blicke glitten suchend über die steinerne Bergkrone. Ihr Atmen war mit nebligem Hauch. Die Luft kündete von einem nahenden Unwetter. Seine Jagd hatte sie hierher geführt und beide spürten, dass es hier zu Ende gehen würde, auf die eine oder die andere Weise. Sie konnte natürlich keinesfalls zu lassen, dass der gerade erst von ihr gerettete Werwolf fallen würde. Dennoch würde er eine Einmischung von ihr in den Kampf ebenso niemals dulden.
Da sahen sie es. Ein großer Schatten baute sich unter der Mondscheibe zwischen den Megalithen auf. Die eigentliche Form wirkte unbestimmt, war aber massiv und annähernd menschlich. Ein riesiger Schädel erhob sich zwischen stacheligen Schultern. Ein verzerrtes Brüllen ertönte, hallte weit über das Land hinweg. Das Maul des Untiers glühte dabei mit grünem Feuer. So breitete es gewaltige Schwingen aus, die es mit abwartender Geste langsam hob und senkte. Es strahlte intensive Macht und Grauen aus, ebenso wie Ungeduld und einen Zorn, der seit seiner Schwarzen Geburt im Zeichen des Einen Feindes brannte. Es stank nach Verderbnis. Yarech Schattenschwinge war der Name des Anführers des Gefallenen Rudels, den der Geächtete seit mehr als einem halben Jahr gejagt hatte. Erneut brüllte das Ding, eindeutig in die Richtung von Werwolf und Matrone. Zwei rote Augen über dem grün leuchtenden Maul. Es erwartete sie längst. Die Herausforderung musste angenommen werden.
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