„Mein Kind, natürlich hast du meine Zustimmung. Ich hätte nicht das Recht, sie dir zu verweigern. Aber ich fürchte, meine Stimme gilt nur wenig, denn vor allem benötigt ihr die Einwilligung von Don Domingo.“
Alejandro´s Mund schrumpfte auf natürliche Breite zurück, aber Velasquita zupfte unbewusst an der Kutte ihres Ziehvaters. „Er ist ein guter Katholik, Pater, und er kann doch nicht wollen, dass wir in Sünde leben.“
„Natürlich nicht“, stimmte Pater Umbrio lächelnd zu. „Aber noch ist es ja nicht soweit…“ Seine Stimme wurde schwächer und seine Augen verengten sich. Er sah, wie Velasquita errötete und Alejandro nervös an seinem gefälteten Hemd zupfte. „Es ist doch noch nicht soweit, oder…?“
„Es ist allein meine Schuld“, sagte Alejandro rasch und trat dicht an Velasquita´s Seite, als müsse er sie vor dem Zorn Gottes und seines Vertreters schützen. „Sie konnte nichts dafür, Pater.“
„Sage mir nicht, du seiest versehentlich zwischen ihre Schenkel gestolpert“, knurrte Pater Umbrio verärgert. Er sah Velasquita eindringlich an. „Hat er dir Gewalt angetan?“
„Nein!“ In Velasquita´s Wort lag alle Empörung der Welt. „Wir lieben uns und wir wollen heiraten. Vor Gott und den Menschen.“
Pater Umbrio stieß ein heiseres Knurren aus und sah Alejandro mahnend an. „So bleibt nur der Weg, Velasquita vor Gott zu einer ehrbaren Frau zu machen. Ich weiß nicht, ob dein Vater begeistert sein wird, dass du deine Männlichkeit nicht im Zaum halten konntest. Andererseits“, er rieb sich das Kinn, „verlangt auch seine Ehre, dass du den Namen der Familie nicht schändest.“
Der Pater begann vor dem Altar auf und ab zu schreiten und seine Sandalen klatschten hohl auf den gemauerten Boden. „Ah, der gute Don Domingo wird nicht begeistert sein. Überhaupt nicht begeistert.“
Alejandro und Velasquita fassten sich wieder an den Händen und sahen zu, wie der Pater mit sorgenvoller Miene und leisen Seufzern vor sich hin murmelte und dabei auf und ab ging, als wolle er mit eigenen Füßen eine Furche in den Boden schaben. Leises klatschen der Sandalen und leises seufzen, leises klatschen und seufzen. Velasquita und Alejandro wagten es nicht, die Gedankengänge des Paters zu unterbrechen. Schließlich verharrte der Priester. Mit einer Plötzlichkeit, die Alejandro und Velasquita erschrocken zusammenfahren ließ.
„Natürlich muss Don Domingo es erfahren und er muss zustimmen. Es geht nicht anders. Er kann nicht zulassen, dass meine kleine Velasquita vor Gott dem Herrn in Sünde lebt. Ah, das kann er wirklich nicht.“ Er blickte die Beiden an. „Aber nicht jetzt. Morgen. Morgen Mittag werde ich mit Don Domingo sprechen. Morgen Mittag, ja. Du, Alejandro, mein Sohn, wirst jetzt nach Hause eilen und du wirst mir schwören, vor Gott und allen Heiligen, dass du zu Hause noch nichts sagen wirst. Ah, der gute Don kann etwas eigensinnig sein. Wirklich eigensinnig. Es will vorbereitet sein, wenn er zustimmen soll.“
Pater Umbrio scheuchte den verwirrt blickenden Alejandro mit wedelnden Handbewegungen aus der Kapelle und sah Velasquita dann an. „Und du, mein Kind, du wirst nun beichten.“
„Jetzt?“
Der Pater seufzte. „Es ist nie zu spät, sich an den Herrn zu wenden, mein Kind. Eigentlich hättest du das schon früher tun sollen. Nun wollen wir sehen, was wir für dein Seelenheil tun können.“
„Pater?“
„Ja, mein Kind?“
„Ich liebe ihn von ganzem Herzen.“
Pater Umbrio sah sie ernst an und nickte dann lächelnd. „Nichts anderes sollst du, mein Kind.“
Kapitel 6 Unter Besatzung
„Das kommt nicht in Frage!“
Don Domingo de Vega, Alcalde von Andajoz, schlug erneut mit der Faust auf seinen Schreibtisch und dieses Mal rutschte die Schreibfeder endgültig von der Platte und fiel unbeachtet zu Boden. „Keinesfalls werde ich diese Bindung akzeptieren.“
Pater Umbrio gab Alejandro und Velasquita einen verstohlenen Wink. „Verehrter Don Domingo, alles muss seine Richtigkeit haben. Vor Gott und dem Gesetz.“
„Ich werde nicht zustimmen, keinesfalls“, bekräftigte der Alcalde erbost. „Es ist keine standesgemäße Bindung.“
Donna Carmen de Vega sah ihren Mann vorwurfsvoll an und schien protestieren zu wollen, doch der Alcalde gebot ihr mit einer Handbewegung zu schweigen. „Halte dich da raus, Frau“, knurrte er. „Du weißt, dass ich schon immer gegen diese… diese Beziehung war. Alejandro mag sich ruhig an Velasquita´s Schenkeln reiben, aber deshalb muss er sie nicht gleich heiraten.“
„Don Domingo!“ Zum ersten Mal an diesem Vormittag wurde Pater Umbrios Stimme laut. Der Pater beugte sich vor und legte die Hände auf den Schreibtisch des Alcalden. „Ihr versündigt Euch gegen Gott. Ich verbürge mich für Velasquita und ich vertraue darauf, dass Gott diese beiden Liebenden zusammengeführt hat. Wollt Ihr den beiden nun Gottes Segen verweigern? Was habt Ihr gegen ihre Bindung einzuwenden? Was?“
Der Alcalde biss sich wütend auf die Unterlippe. „Ihr versteht das nicht, Pater Umbrio. Ihr könnt das vielleicht auch nicht verstehen.“
„Dann erklärt es mir“, knurrte Pater Umbrio, „oder, ich schwöre dies vor Gott, ich werde bei der nächsten Messe offenbaren, dass ihr diesen beiden Menschen den Segen des Herrn verweigert!“
Don Domingo de Vega sackte ächzend in den mit feinem Leder bezogenen Stuhl seines Schreibtisches zurück. Er sah seine Frau Carmen finster an. Carmen de Vega hielt seinem Blick stand, trat zu ihm und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Du weißt, dass du es ihnen nicht verweigern kannst.“
Der Alcalde stieß ein wütendes Schnauben aus. Erneut biss er sich auf die Unterlippe, knurrte grimmig und sah die anderen an. „Ich habe Pläne für Alejandro“, knurrte er. „Er soll nicht in Andajoz sein Leben verschwenden. Seine Zukunft liegt nicht hier, an diesem Ort. Hier würde seine Zukunft allenfalls enden, Padre. Nehmt es mir nicht übel, Padre Umbrio, aber Alejandro ist zu anderem berufen. Er wird auf die Akademie des Königs in Madrid gehen und Offizier werden.“
„Ich will kein Soldat sein“, entfuhr es Alejandro.
Pater Umbrio gebot ihm zu schweigen. „Wie kommt Ihr darauf, dass man ihn annehmen würde? Nur die Angehörigen adeliger Familien…“ Er verstummte und sah Don Domingo an. „Verstehe. Don Domingo. Gott verdammt… Herr, verzeih mir in Deiner Güte, es kam über mich… Ihr habt es nie verschwiegen. Ich dachte nur, es sei lediglich eine reine Höflichkeit…“
„Don Domingo de Vega de Lopez y Cristobal“, murmelte der Alcalde. „Lassen wir es bei Don Domingo de Vega. Ich habe mich daran gewöhnt.“
Alejandro wirkte ebenso überrascht wie Velasquita, die verkrampft seine Hand hielt. Der Alcalde sah seinen Sohn missmutig an. „Ich habe wirklich andere Pläne mit dir, mein Sohn. Du kannst unserer Familie wieder den Weg an den Königshof von Madrid ebnen.“
„Zum Preis seines Glücks“, sagte seine Frau Carmen leise.
Don Domingo sah die Schreibfeder am Boden liegen und bückte sich, um sie aufzuheben. Weniger aus Ordnungssinn, als aus dem Wunsch heraus, etwas Zeit zu gewinnen. Er richtete sich wieder auf und sah in die angespannten Gesichter der anderen und es war offensichtlich, dass er mit einem Entschluss rang. Gerade, als er ihn getroffen zu haben schien, wurde die Haustür aufgestoßen und schlug krachend an die Wand.
Automatisch blickten alle zu dem Mann, der so unaufgefordert in den Raum trat. Es war Julio, der Ladenbesitzer und Wirt, der alle mit kreidebleichem Gesicht anstarrte und sichtlich um Fassung rang.
Don Domingo erhob sich halb hinter seinem Schreibtisch. „Erklär mir diesen Auftritt, Julio Arigon. Wie kannst du dir erlauben, auf solche Weise unaufgefordert einzutreten?“
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