„Er hat ihnen befohlen, außerhalb von Andajoz das Lager aufzuschlagen“, murmelte Pater Umbrio, „und ihnen harte Strafen angedroht, falls sie jemanden unnötig belästigen. Was immer das heißen mag.“ Der Pater lächelte schmal. „Sie werden weder die Frauen noch die Bäume belästigen.“
„Du sprichst Französisch?“ Velasquita sah ihren Ziehvater überrascht an.
„Ein wenig“, räumte der Pater ein. „Das ergab sich bei meinem Studium der Theologie. Aber das sollte unter uns bleiben. Es könnte von Vorteil sein.“
Don Domingo sah auf die verwirrten und ein wenig verängstigten Bürger von Andajoz und rief die Menge heran. Die Franzosen behelligten die Menschen nicht, aber vier Soldaten kamen zum Vorbau und bezogen Posten. De Chaumer wollte damit wohl verdeutlichen, dass der Alcalde in Andajoz nicht mehr das letzte Wort hatte.
„Sind das Franzosen?“, erklangen besorgte Fragen aus der Menge. „Was wollen die hier? Werden sie uns etwas antun?“
Don Domingo hob beschwichtigend die Hand. „Ja, es sind Franzosen und ihr Befehlshaber heißt Colonel de Chaumer. Er ist ein französischer Edelmann und er hat mir versichert, dass uns kein Leid zugefügt werden wird. Hört mir jetzt bitte aufmerksam zu und tut genau das, was ich euch sage.“ Don Domingo leckte sich nervös die Lippen und straffte sich dann. „Es werden einige Franzosen in den Häusern untergebracht werden, aber sie werden euch nicht belästigen. Sie haben uns versichert, dass sie auch die Wallfahrt nicht beeinträchtigen werden.“
„Bleiben die hier?“
„In ein paar Tagen ziehen sie wieder ab.“ Don Domingo zuckte die Achseln. „Bis auf eine einzelne Kompanie, die sie hier zurücklassen.“
„Warum? Wollen sie jetzt Zoll an der Brücke erheben?“ Vereinzeltes Gelächter ertönte, denn diese Vorstellung erschien allen absurd.
„Ich weiß es nicht.“ Don Domingo blickte zu den Franzosen, deren verbliebene Kompanie wieder in Formation stand, während einige Zweiergruppen ausschwärmten. „Lasst uns erst einmal Ruhe bewahren und bleibt freundlich. Provoziert die Soldaten nicht. Wenn es Schwierigkeiten gibt, dann kommt zu mir. Aber jetzt geht zu euren Häusern, die Franzosen scheinen sich umsehen zu wollen.“
„Was ist mit dem Castillo“, rief Julio Arigon. „Was ist mit Sargente Ruiz? Wird es eine Schlacht geben?“
Selbst Velasquita musste lachen. Sargente Ruiz mit seinen sechs Soldaten gegen die hundertfache Übermacht? Niemand konnte sich den Sargente als Helden vorstellen. Don Domingo de Vega lächelte. „Ich denke, der Sargente ist vernünftig genug, uns nicht durch sinnlosen Widerstand in Gefahr zu bringen.“
Ein französischer Soldat mit einem Winkel am Oberarm trat an den Vorbau. Er nickte ihnen freundlich zu und machte mit Kreide ein paar Zeichen an eine der Säulen. Don Domingo musterte sie und seufzte. „Wir werden fünf Offiziere bei uns aufnehmen. Mir scheint, Colonel Chaumer erweist sich wirklich als angenehmer Mensch. Sein Bataillon hat immerhin rund vierzig Offiziere. Carmen“, wandte er sich an seine Frau. „Sei bitte so gut und lass unsere Bediensteten alles für die Einquartierung unserer, äh, Gäste, vorbereiten.“ Er überlegte kurz. „Die beiden Gästeräume im Obergeschoss und zwei andere Räume müssen hergerichtet werden. Ah, und sage der Köchin, dass wir, nun, dass wir Gäste zum Essen haben werden.“
Donna Carmen lächelte sanft und nickte. Sie wusste sicherlich besser, was erforderlich war, als ihr Gemahl, aber der Don war ein wenig nervös und versuchte, sich durch seine Anweisungen ein wenig zu beruhigen. Carmen kannte diese Eigenheit schon lange und verzichtete auf eine Bemerkung. Sie nickte den Anwesenden zu und verschwand im Haus.
Aus Richtung des Castillo war das Krachen von Musketen zu hören. Nur ein paar Schüsse, denen Schweigen folgte. Velasquita sah ihren Alejandro an. Wollte Sargente Ruiz doch noch zum Helden Spaniens werden? Es wäre so schrecklich sinnlos.
Don Domingo nickte freudlos. „Er wahrt seine Ehre.“
„Wie meint Ihr das, Don Domingo“, fragte Velasquita neugierig.
„Der gute Sargente hat ein paar Schüsse abgegeben, um zu betonen, dass er sich nur der Übermacht beugt. Ich denke, in diesem Augenblick marschiert er mit seinen Leuten schon aus dem Tor und gibt seine Waffen ab.“
Genau so war es auch. Sargente Ruiz und seine Männer waren nicht dumm genug, ein Castillo zu verteidigen, dass keinerlei militärische Bedeutung hatte und somit einen sinnlosen Kampf zu liefern, um dabei einen ebenso sinnlosen Tod zu finden.
„Da steckt mehr dahinter“, murmelte Don Domingo. „Ein ganzes Bataillon. Damit marschiert man nicht einfach so in der Gegend herum. Wenn es darum geht ein Gebiet aufzuklären, dann nutzt man Kavallerie. Möglicherweise ist de Chaumer´s Bataillon Teil einer größeren Truppe, die nach Badajoz marschiert.“
Pater Umbrio sah den Alcalden forschend an. „Ob sie von Colonello Mellendez und seinen Cazadores wissen?“
Don Domingo blickte schweigend in Richtung des Castillo, bevor er langsam nickte. „Ich bin mir sicher, dass sie es wissen. Spätestens, wenn sie die Verwundeten im Hotel finden.“ Er wandte sich um. „Ich denke, wir sollten die andere Angelegenheit verschieben, bis wieder Ruhe eingekehrt ist.“ Er seufzte. „Ah, ich hätte die Männer von Colonello Mellendez erwähnen sollen. Ich hoffe, die Franzosen werden sie ehrenhaft behandeln.“
Als Pater Umbrio nickte, begriff Velasquita erst, was der Alcalde damit gemeint hatte. Betroffen sah sie ihren Ziehvater an, doch dieser machte eine beschwichtigende Geste. Die junge Frau musterte Alejandro, der die Achseln zuckte. Velasquita zog einen Schmollmund. Offensichtlich war ihre Liebe zu Alejandro im Augenblick kein Gegenstand von Interesse. Was hatten die Franzosen denn mit ihrem persönlichen Glück zu tun?
Aus Richtung des Castillo trabte der französische Oberst in Begleitung von Leutenant Mareville heran. Don Domingo sah den Pater an. „Lasst uns ins Haus gehen. Ich habe das Gefühl, dieser Colonel de Chaumer wird jetzt mit mir sprechen wollen.“ Er musterte Velasquita und Alejandro. „Und ihr beiden geht den Franzosen aus dem Weg, verstanden?“
„Dein Vater gönnt uns überhaupt keinen Spaß“, murrte Velasquita, als sie mit Alejandro zur Plaza schlenderte. „Wir dürfen nicht zuhören, was er mit diesem Chaumer zu besprechen hat und wir sollen nicht mit den anderen Franzosen reden.“
„Es wird auch etwas schwierig sein“, erklang Doktor Mendez Stimme hinter ihnen und der Arzt trat neben sie. „Ihr sprecht kein Französisch und die wenigsten Soldaten werden unsere Sprache beherrschen. Das ist ein neues Regiment. Ich denke, die sind erst seit kurzem in Spanien.“
„Woran erkennen Sie das, Doktor“, fragte Velasquita.
„Die Uniformen. Die Farben sind noch nicht von Wetter und Sonne ausgeblichen.“
„Vielleicht wurden sie neu eingekleidet.“
Doktor Mendez schüttelte den Kopf. „Mag sein, aber das glaube ich nicht. Die ganze Ausrüstung ist neu, da gibt es kaum einen Kratzer. Selbst die Stiefel sind noch nicht abgetreten.“
„Sie scheinen sich aber gut auszukennen, Doktor Mendez“, sagte Alejandro freundlich. „Ich dachte Sie halten nichts von Soldaten?“
„Man muss sie nicht mögen, um sie zu kennen“, knurrte Mendez. „Ah, je besser man sie kennt, desto weniger mag man sie. Seltsam. Nicht einmal ihre Frauen und Huren sind dabei.“
„Ihre... was?“ Velasquita sah den Arzt schockiert an.
Doktor Mendez lachte. „Aber ja. Frauen und Huren. Diese Soldaten sind vielleicht jahrelang von Zuhause fort. Es gibt Ehefrauen, die sie ins Feld begleiten, Frauen, welche während eines Feldzuges von den Soldaten geheiratet werden und mitkommen. Frauen, die vielleicht verhungern würden, wenn sie der Truppe nicht folgen und daher ihre, äh, Freundlichkeiten anbieten, und so für sich und ihre Kinder ein Auskommen haben.“
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