1 ...8 9 10 12 13 14 ...27 Die Cazadores und die Maultiertreiber brauchten nicht viele Worte. Mellendez sah die Männer kurz an. „Halbe, halbe.“
Die Hälfte der Cazadores formierte sich zur berittenen Linie und nahm die Sattelkarabiner schussbereit auf die Oberschenkel, die andere Hälfte der Männer formierte sich hinter den Maultieren und ihren Treibern. Sie wussten, was auf dem Spiel stand und trotz ihrer Erschöpfung grinsten die Cazadores ihren Oberst mit grimmigem Trotz an.
Das Tal war breit und langgestreckt. Der Weg führte in seiner Mitte entlang, folgte einem kleinen Bachlauf, an dessen Rändern Gras und wilde Blumen wuchsen. Ein Stück vor ihnen schienen die Ränder der hohen Hügel und Berge aufeinander zuzuwachsen. Dort verengte sich das Tal und wurde zu einer schmalen Schlucht. Durch diese Schlucht waren die Chasseurs des Franzosenkaisers verschwunden. Nun würden die Cazadores ihnen folgen müssen und Mellendez betrachtete die im Schatten liegende Schlucht mit Misstrauen.
Teniente Calazon schien die Gedanken des Obersts zu erraten. „Man kann die Hänge der Schlucht erklimmen.“
„Nicht mit Pferden“, meinte Mellendez. „Mit Maultieren, ja. Aber nicht mit den Pferden.“
Sie näherten sich dem Zugang der Schlucht, durch welche der Weg weiterführte. Die Truppe begann sich automatisch zusammenzuziehen, bildete wieder die lange Marschkolonne. Eine Gruppe trieb die Pferde an, um als Vorhut zu sichern. Das leise Pochen der Hufe wurde lauter, als sie sich nun zwischen den engeren Hängen der Schlucht bewegten. Alle Geräusche waren nun deutlicher und die geflüsterten Gespräche der Soldaten verstummten und machten angespanntem Schweigen Platz.
„Zwei Kilometer, dann kommen wir aus dieser Enge heraus und können uns wieder besser bewegen“, stellte Mellendez fest und sah Calazon aufmunternd an. „Dann stoßen wir auf die alte Handelsstraße, die nach Andajoz und zur Brücke führt.“
Die Schüsse hallten unnatürlich laut in der Schlucht. Eine kleine und unregelmäßig klingende Salve, bei der die Anzahl der Schützen nur schwer zu schätzen war, denn der Nachhall schwang zwischen den Hängen.
„Ich habe es gewusst“, zischte Mellendez und stieß seine rechte Hand vor.
Erregte Schreie erklangen von seinen Männern, als die vorderen Reihen die Pferde antrieben, um sich der Quelle der Schüsse zu nähern. Vor ihnen, am Grund der Schlucht, erkannte Mellendez leblose rote Flecken am Boden. Drei Männer der Vorhut, die gefallen waren. Einer der Cazadores bewegte sich schwach, richtete sich halb auf und sackte dann reglos vornüber. Eines der Reittiere lag am Boden und schlug hilflos mit den Hufen, bis es erschlaffte. Ein anderes Pferd lag ebenfalls, jedoch von seinem Reiter am Zügel gezogen, der hinter dem Tier in Deckung gegangen war und mit seinem Karabiner auf die Rauchwölkchen zielte, die vor ihm sichtbar waren.
„Sie haben die Schlucht gesperrt!“, schrie Teniente Calazon und Mellendez parierte sein Pferd und gebot seinen Männern zu halten.
„Die ersten drei Gruppen bereithalten!“, befahl er mit lauter Stimme und musterte das, was vom Feind sichtbar war.
Viel war es nicht. Die französischen Chasseurs hatten eine provisorische Barrikade über die Breite der Schlucht errichtet. Diese war an jener Engstelle kaum dreißig Meter breit, ideal, um einen Hinterhalt zu legen oder den Ausgang zu blockieren. Die Franzosen hatten Steine und Holz angeschichtet und in unglaublich kurzer Zeit einen kaum Halbmeter hohen Wall errichtet, hinter dem die Helme der Chasseurs sichtbar waren. Gelegentlich stieg ein Rauchwölkchen vom Abschuss eines ihrer Karabiner auf.
Der kleine Wall und die kaum zwei Dutzend Chasseurs waren kein ernstliches Hindernis, man konnte ihn und seine Verteidiger in einem einzigen Ansturm nehmen.
„Sie versuchen uns einzuschüchtern und aufzuhalten, bis die zweite Gruppe Chasseurs heran ist“, knurrte Teniente Calazon.
Die Schüsse der französischen Verteidiger waren nahezu wirkungslos und besaßen eher moralische Effekte. Die einschüssigen Karabiner konnten allenfalls auf fünfzig Meter etwas treffen und die Cazadores waren fast achtzig Meter entfernt. Auf solche Entfernung traf nur die Muskete eines Infanteristen oder das Gewehr eines Jägers oder Schützen.
Mellendez deutete die Hänge hinauf. „Rechts und Links sind nur eine Handvoll. Die ignorieren wir. Mit den Karabinern können sie uns kaum erwischen. Der Haupttrupp von ihnen wartet hinter dem Wall, beritten und mit blanker Klinge.“ Er wandte sich im Sattel an seine Männer. „Lasst die Karabiner, Männer. Wir greifen mit blankem Degen an. Über den Wall und auf die Chasseurs, die dahinter auf den Pferden warten. Teniente Calazon, nehmen Sie eine Gruppe und kümmern Sie sich um die Chasseurs am Wall, wenn wir darüber hinweg sind.“
Mellendez reckte den blanken Degen vor. „Für Ferdinand von Spanien und die Heilige katholische Kirche.“
Er trieb sein Pferd auf den Wall zu und die Männer folgten ohne Zögern. Der hinter seinem Pferd kauernde Cazador der Vorhut erhob sich, zog sein Pferd hoch, um aufzusitzen und sich der angreifenden Truppe anzuschließen. Drei oder vier französische Karabiner wurden instinktiv und wirkungslos abgefeuert, als der Hornist der Cazadores das aufpeitschende Signal zum Angriff blies, aber die meisten Chasseurs waren erfahren genug, ihr Feuer zurückzuhalten, bis die Angreifer in Reichweite waren. Mellendez fühlte das aufputschende Adrenalin, welches ihn immer erfüllte, wenn er mit blanker Klinge einem Feind entgegen ritt. Die französische Salve fiel, Mellendez spürte eine Bleikugel, die an seinem Kopf vorbei pfiff, hörte irgendwo den Aufschrei eines Mannes und das schmerzerfüllte Wiehern eines Pferdes.
Die Pferde überbrückten die Distanz in Sekunden und den Chasseurs blieb nur Zeit für diese eine Salve. Mellendez bemerkte ungläubig, dass einige der Soldaten mit den merkwürdigen Zöpfen tatsächlich versuchten, die Waffen nachzuladen. Narren, die hätten wissen müssen, dass dies niemals rechtzeitig gelang. Die Mehrzahl der Chasseurs ließ jedoch die Karabiner achtlos fallen und zog die leicht gekrümmten Säbel.
Pferde setzten über den niedrigen Wall, Klingen zischten herab oder wurden zur Abwehr erhoben. Mellendez genoss den kurzen Ruck, mit dem er seinen Degen aus der Brust eines Chasseurs frei bekam und seine Blicke waren längst bei der Hauptmacht der Chasseurs, die kaum hundert Meter entfernt in zwei Linien angetreten war und nun die Pferde antrieb.
Er hörte Geräusche hinter sich. Flüche, das Klirren von Metall auf Metall oder Stein, das seltsame Schmatzen, mit dem Stahl sich aus menschlichem Fleisch löste, das Seufzen und Flehen verwundeter oder sterbender Soldaten. Französischer Soldaten, denn dieser Wall war einfach lächerlich und kein Hindernis für seine Männer.
Er hörte den Hufschlag hinter sich und den fordernden Klang der Trompete. Seine Männer schlossen zu ihm auf, formierten sich im Galopp zur Linie. Der Hornist mit seiner reich verzierten Uniform schob sich an Mellendez Seite. Der Klang der Trompete war im vollen Ritt ein wenig abgehackt, nicht so elegant, aber er peitschte die Rotuniformierten Cazadores den Chasseurs entgegen.
Männer und Pferde prallten aufeinander. Mellendez hörte das angestrengte Grunzen eines französischen Chasseurs mit dem Streifen eines Feldwebels am Arm, der versuchte, die spanische Klinge abzuwehren. Mellendez parierte, ließ seine Klinge an der des Franzosen entlang gleiten, drückte diese zur Seite und stieß die eigene in die Achselhöhle des Chasseurs. Er ignorierte den erstaunten Ausdruck im Gesicht des Sterbenden, befreite seine blutbeschmierte Klinge und trieb das Pferd gegen einen anderen Reiter.
Um ihn herum schrieen Männer und fluchten. Mellendez tötete einen französischen Offizier, beobachtete dabei seine Cazadores. Ihr Säbeldrill war makellos. Obwohl die Franzosen fast doppelt so stark wie die Spanier waren, setzten die spanischen Klingen ihnen auf furchtbare Weise zu. Die Cazadores kämpften mit heiligem Zorn, der Hand Gottes und dem Bewusstsein, das sie siegen mussten und so siegten sie.
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