1 ...7 8 9 11 12 13 ...27 Capitan Salerno, der Hauptmann, der den Zug der Maultiere führte, nickte den beiden anderen Offizieren zu. „Ich bete für besseres Wetter, Senores.“
„Das kann nie schaden“, erwiderte Mellendez und tippte an seinen Helm. „Es ist nie verkehrt, ein gutes Wort bei unserem allergnädigsten Herrn einzulegen.“
Salerno ritt weiter und Calazon stieß ein verächtliches Schnauben aus. Mellendez grinste. „Du magst ihn nicht?“
„Er war früher Priester“, brummte Calazon. „Ich traue keinem Priester, der erst Weihrauch schwingt und dann den Degen. Er ist kein Kämpfer, Luis.“
„Nein, das ist er nicht“, sagte sein älterer Freund. „Das ist unsere Aufgabe. Seine Aufgabe ist es, das Gold Spaniens und das Dokument in Sicherheit zu bringen.“
Das Ende der Kolonne erreichte sie und die vier Männer der Nachhut versicherten Mellendez und Calazon, dass von den Froschfressern des französischen Kaisers nichts zu sehen und zu hören war. Bei diesem Wetter hatten die Worte jedoch kaum eine beruhigende Wirkung. Obwohl es überflüssig war, ermahnte Teniente Calazon die Männer, Augen und Ohren offen zu halten. Die vier Soldaten grinsten ihnen zu, während die beiden Offiziere der Kolonne folgten und die Nachhut ein Stück zurückließen.
„Schade, dass Badajoz gefallen ist“, seufzte der Teniente.
„Ja, wirklich schade.“ Mellendez kratzte sich ausgiebig und fluchte unterdrückt. „Ist ein verflucht weiter Weg nach Cadiz, mit all dem schönen Gold und all den Froschfressern hinter uns.“
Sie konnten den direkten Weg nicht nehmen. Überall zogen Trupps der Franzosen durch das spanische Land und es schien unglaublich, über wie viele Soldaten Napoleons Heer verfügte. Eigentlich kein Wunder, dass die spanischen Armeen geschlagen wurden, die gegen sie ins Feld gezogen waren. Die meisten Spanier waren schlecht ausgerüstet und miserabel ausgebildet gewesen. Sie bestanden aus wenig mehr als einer Horde herausgeputzter und goldstrotzender Offiziere, golddurchwirkter riesiger Fahnen und einem nachfolgenden Pöbel von Bauern, die wohl effektiver mit Mistgabeln denn mit Musketen kämpfen konnten. Nein, es war kein Wunder, dass solche Truppen vernichtend geschlagen wurden. Die wenigen guten Regimenter hatten sich tapfer gehalten, aber sie waren von der Übermacht förmlich hinweggefegt worden. Den Cazadores würde das nicht geschehen. Sie waren die Elite und wenn man sie wirklich schlug, so würden die Franzosen einen furchtbaren Blutzoll zu entrichten haben und noch lange an den Kampf zurückdenken.
„Es klart auf.“
Calazon´s Bemerkung schreckte Mellendez aus seinen Gedanken und er blickte zum Himmel auf. „Ah, ein wenig dunkles Dunkelgrau in einem Meer von Schwarz. Das nennst du aufklaren, mein alter Freund?“
Der Teniente nickte. „Warte es ab. Ich spüre es, dass wir in zwei Stunden einen blanken Himmel haben.“
Man mochte es kaum glauben, aber Calazon behielt Recht. Sofort wartete Mellendez auf die Männer der Nachhut und richtete sein Teleskop den Bergpfad entlang. Er konnte zunächst keine Verfolger entdecken, bis Teniente Calazon einen heiseren Fluch ausstieß.
„Was ist?“
Calazon wies nicht den Pfad zurück, sondern den Berg hinunter in das Tal. Winzig klein und doch unangenehm deutlich erkannte man dort ameisenhafte Gestalten, die viel zu geordnet das Tal entlang zogen, um eine Horde wilder Schafe zu sein.
„Chasseurs, möchte ich wetten“, knurrte Mellendez enttäuscht. „Während wir uns über den Bergpfad quälen, reiten die verdammten Bastarde bequem durchs Tal.“
„Das sind aber nicht alle.“ Calazon nickte seinem Freund und Vorgesetzten dankbar zu, als der ihm das kleine, ausziehbare Teleskop reichte. Er spähte angestrengt hindurch, zog die Schärfe nach und schob das Instrument mit einem metallischen Schnappen zusammen. Schulterzuckend reichte er es zurück. „Ungefähr die Hälfte der Froschfresser. Die anderen sind wahrscheinlich hinter uns, damit wir nicht umkehren oder unbemerkt einen anderen Weg nehmen.“
„Ja, die wollen auf Nummer sicher gehen“, stimmte Mellendez zu. „Die wissen genau wo wir sind und das wir nicht woanders hinkönnen.“
„Wenigstens scheint die Sonne und die Uniformen können trocknen.“ Calazon grinste. „Und die Karabinerschlösser auch.“
Die Sonne entwickelte binnen kürzester Zeit eine erstaunliche Kraft. Kaum eine Viertelstunde später begann Dampf von verdunstender Nässe aufzusteigen und schien die Cazadores, die Tiere, die Berge und das Tal gleichermaßen in einen sanften Nebel zu hüllen.
„Was meinst du, wie stark sind die Bastarde?“ Mellendez schloss mit seinem Freund und Untergebenen auf und drängte sich an der langen Kolonne vorbei. „Zwei Kompanien Chasseurs? Also Vierhundert Rattenschwänze?“
„Ja, vierhundert Froschfresser mit Zöpfen“, stimmte Calazon zu. „Aber ein gutes Stück dahinter folgt der Rest ihres Regiments und dazu ein ganzes Bataillon ihrer Infanterie.“
Sie waren mit Dreihundert Mann aufgebrochen, bis sie überraschend auf die Chasseurs gestoßen waren. Die Franzosen hatten ihnen eine Falle gestellt und Mellendez verfluchte sich, weil er wie ein Anfänger hineingetappt war. So nahe an Salamanca hatte er noch nicht mit Franzosen gerechnet, aber seine Männer hatten den Franzosen einen guten Kampf geliefert und die wertvolle Fracht gerettet. Sie hatten Hundertfünfzig gute Männer eingebüßt, die gefallen oder verwundet worden waren, und die sie hatten zurücklassen müssen. Aber sie hatten die sechzehn Maultiere mit dem spanischen Gold gerettet und die viel kostbarere Schatulle. Vorläufig, denn die Franzosen waren ihnen auf den Fersen und waren sogar dabei, sie zu überrunden.
„Drei Kilometer voraus führt ein Nebenpfad ins Tal hinunter“, sagte Mellendez entschlossen.
„Du willst runter?“ Calazon zog den stoffbezogenen Helm vom Kopf und kratzte sich.
„Wir brauchen freie Fläche, um uns ihnen stellen zu können“, knurrte der Colonello.
Der Teniente nickte. „Es kann sein, das wir dann genau zwischen beiden Truppen sitzen. Wie Körner zwischen zwei Mühlsteinen, du verstehst?“
Mellendez lachte. „Mehl kann nicht beißen, mein Freund. Wir schon.“
Der Pfad unter dem Kamm des lang gestreckten Berges war zu schmal, um die Männer versammeln und mit ihnen sprechen zu können. Die beiden Offiziere ließen die Kolonne halten, gaben nur die notwendigsten Anweisungen, und als sie die Abzweigung ins Tal hinab erreichten, lenkten sie Pferd und Maultier ohne Zögern nach unten. Gelegentlich ertönten das Klirren von Metall und das Schnauben eines Pferdes, der leise Fluch eines Mannes und das Poltern von rutschenden Steinen. Mellendez war Gott dankbar, dass die im Tal befindliche Gruppe der Chasseurs nicht nach oben blickte und aus seinem Blick entschwand. Von der zweiten Feindgruppe war nichts zu sehen. Vielleicht konnten sie den Talgrund rechtzeitig erreichen und die erste Gruppe der feindlichen Reiter bezwingen, bevor die anderen aufschlossen. Sonst würde hier im Tal die Hoffnung Spaniens begraben werden.
Eines der Maultiere rutschte auf losem Gestein, stolperte und stürzte mit seinem Führer über den Hang hinaus. Das Poltern der Steine war zu hören und der dumpfe Aufschlag der Leiber in der Tiefe.
Die beiden Offiziere sahen sich bedrückt an.
„Ein guter Mann.“
Mellendez nickte. „Einer der Besten. Glücklicherweise war es nicht das Maultier.“
Calazon nickte. „Ja, ein wenig Gold können wir entbehren.“
Das Maultier konnte nicht schreien, aber auch der Mann hatte geschwiegen, hatte den Todesschrei unterdrückt, um die Truppe nicht zu verraten. So hatten sie nun ein Maultier mit seiner wertvollen Ladung und einen tapferen Mann verloren. Die beiden Offiziere bekreuzigten sich und Mellendez nahm sich die Zeit, die aufsteigende Seele des Mannes mit einem Vaterunser zu begleiten. Dann folgten sie den anderen den Hang tiefer hinab, immer weiter, bis sie endlich den Talgrund ereichten.
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