„Wir haben schon Mittag, und bei uns ist ab 10.00 h Bierzeit, im Übrigen heiße ich Björn und finde, dass wir uns duzen sollten!“, und er reichte zuerst Fiete und danach Ole die Hand. Nachdem der Ober ihnen das Bier und den Schnaps hingestellt hatte, nahm Björn seinen Korn, sah seinen Mittrinkern in die Augen und sagte:
„Auf unsere Freundschaft!“, und alle tranken ihren Korn ex. Björn erzählte, wie er in der Gemeindeversammlung immer die Werbetrommel für die Windkraftanlage gerührt hätte und zuerst auf den erbitterten Widerstand der beteiligten Landwirte gestoßen wäre. Die Landwirte waren von Hause aus sehr konservativ und verschlössen sich deshalb Neuerungen gegenüber sofort. Als er ihnen aber klargemacht hätte, dass sie mit dem ihnen gehörenden Windkraftwerk eigenen Strom erzeugen würden, der auf Dauer viel billiger wäre, als der Strom, den sie heute von E.ON bezögen, brach die Ablehnungsfront doch zusehends, und heute stünden alle hinter ihm.
„Das habe ich auch Dir zu verdanken, Fiete, Du hast mich auf den Gemeindeversammlungen immer fachlich kompetent unterstützt und einen Großteil dazu beigetragen, die Landwirte schließlich zu überzeugen, sicher kommen in der Finanzierungsphase, in der die Landwirte aber vom Land Niedersachsen unterstützt werden, hohe Kosten auf sie zu, die amortisierten sich aber nach zehn Jahren, und danach wirtschaftet jeder in die eigene Tasche, denn sie können überflüssigen Strom ins Netz einspeisen und verkaufen.“
„Hat es denn niemanden gegeben, der ökologische Bedenken geltend gemacht hat?“, fragte Ole.
„Am Anfang hat es eine Gruppe von Umweltaktivisten gegeben, die ihre Stimmen gegen die Windkraftanlage erhoben haben, sie würde die Landschaft verschandeln, wäre eine Gefahr für ziehende Vögel und von den Rotoren gingen störende Brummgeräusche aus, die Aktivisten blieben aber in der Minderheit und verloren mehr und mehr an Einfluss, besonders, nachdem den Landwirten klar geworden war, welche finanziellen Vorteile die Anlage für sie haben würde.“ Sie bestellten noch drei Bier und drei Korn und Fiete merkte, dass er unbedingt etwas essen musste, sonst wäre er gleich betrunken. Björn schlug vor, gleich zu ihm zu Grill zu gehen, seine Frau würde sich sicher freuen, wenn er mit so nettem Besuch nach Hause käme. Also zahlten sie und liefen zu Björn, er wohnte in einem der schönen Dorfhäuser, das in seinem Kern sehr alt war, und das er nach und nach modernisiert hatte. Das Haus hatte ein Reetdach, für dessen Instandhaltung er immer teure Handwerker kommen lassen musste, aber das war Björn das gute Aussehen seines Hauses wert.
Sie gingen gleich durch das Haus nach hinten auf die Terrasse , wo Björns Frau dabei war, Blumen in eine Vase zu stellen und Björn stellte seine Gäste vor. Seine ausgesprochen hübsche Frau stellte sich ihnen als Karin vor und war sehr angetan von Fiete und Ole.
„Ihr habt also damit zu tun, dass bei uns ein Windkraftwerk errichtet wird?“, fragte Karin und wusste zunächst nicht, wen von den beiden fremden Männern sie dabei ansehen sollte. Schließlich antwortete Fiete aber:
„Ja, meine Firma hat von Eurer Gemeinde den Auftrag bekommen, und wir werden übermorgen mit der Montage der Bauteile beginnen.“ Ole fügte hinzu, dass er Fietes Freund von den Lofoten wäre und dort mit ihm ein noch größeres Windkraftwerk gebaut hätte.
„Ich werde mich mal um den Grill kümmern, wenn von Euch jemand helfen will, kann er mit anfassen oder die Grillkohle nach vorne tragen!“, sagte Björn zu Fiete und Ole. Beide liefen sie mit Björn zu seinem Schuppen im hinteren Teil des Gartens und fassten mit an. Fiete trug mit Björn den Grill zur Terrasse und Ole nahm den Sack mit der Holzkohle. Björn lief noch einmal zum Schuppen und holte dort kleingehacktes Holz, das er im Grill um einen Papierknubbel zeltartig aufstellte, anschließend steckte er das Papier an. Im Nu brannte das sehr dünn gehackte und trockene Holz, und Björn gab ein wenig von der Holzkohle auf das Feuer. Nachdem die Holzkohle beinahe glühte, gab er noch einen ganzen Schwung aus dem Sack dazu.
In der Zwischenzeit war Karin in die Küche gelaufen und hatte von dort die Grillsachen geholt: Fleisch, Soßen, Baguette und einen schon vorbereiteten Kartoffelsalat. Björn lief noch einmal ins Haus und besorgte Getränke, Weißwein für Karin und Bier und Korn für die Männer, ein feuchtfröhlicher Nachmittag in Borgstadt nahm seinen Anfang. Karin legte Fleisch auf den Grill und es war schnell durch, jeder nahm sich ein Stück und legte auch etwas von dem Kartoffelsalat und dem Brot auf seinen Teller. Björn nahm sein Korngläschen und hielt es zum Anstoßen hoch, alle stießen sie mit ihm an und er sagte:
„Ich freue mich, mit meiner Frau und Euch hier zu sitzen und mit Euch essen und trinken zu können!“, und die drei kippten den Korn weg wie Wasser. Fiete merkte langsam, wie alkoholbedingt eine Hitze in ihm aufstieg, und er nahm sich vor, kürzer zu treten. Aber Björn schenkte sofort wieder nach, und als er Fiete und Ole zum Trinken aufforderte, bat Fiete um eine kleine Pause, weil er, wenn er so weiter tränke, schnell betrunken wäre. Ole hielt mit Björn aber mit, er war ein schnapserprobter Norweger und konnte einiges vertragen. Björn kam langsam auf Touren und fing an zu erzählen, wie er die Gemeindeversammlungen erlebt hatte, in denen es um die Windkraftanlage ging. Da hätte sich so mancher doch sehr hervorgetan, sein Vieh würde auf der Weide scheuen, weil es sich vor den großen Rotoren fürchtete.
Andere hätten ins Feld geführt, dass sie wegen der Rotorengeräusche nicht schlafen könnten. Das wäre alles noch in der Anfangsphase gewesen, als sich die Umweltaktivisten noch Gehör verschaffen konnten und einige von den skeptischen Landwirten auf ihre Seite zu ziehen wussten.
„Wie habe ich gegen die Skeptiker angekämpft und sie erst überzeugen müssen, indem ich die finanziellen Vorteile auflistete!“ Björn war inzwischen nicht mehr nüchtern und seine Stimme war sehr laut geworden, so laut, dass Karin ihn auffordern musste, sich zurückzuhalten, damit die Nachbarn nicht durch ihr Gespräch gestört würden. Aber Björn steigerte sich immer weiter in seine Erregung hinein, und er wurde auch nicht leiser. Er unterbrach seinen Redefluss nur, wenn er seine Bierflasche oder sein Korngläschen zum Mund führte. Karin merkte, dass sie nicht gegen ihn ankam und hörte am Ende auf, ihre Stimme gegen ihren Mann zu erheben, weil Björn auch immer betrunkener wurde, und Karin wusste, dass sie ihn in diesem Zustand nicht beeinflussen konnte. Fiete, der inzwischen wieder mit trank, neigte sich einem Zustand zu, in dem er für nichts mehr garantieren konnte, und auch Ole hatte das Plansoll längst erreicht, er war aber noch Herr seiner Sinne.
Das Besäufnis, zu dem ihr ursprünglich gemütliches Zusammensein auf der Terrasse entartet war, nahm ein plötzliches Ende, als Björn seinen letzten Korn auf die Terrasse fallen ließ und auf seinem Platz einschlief. Fiete torkelte ins Haus, in das sich Karin zurückgezogen hatte, und es war ihm peinlich, seiner Gastgeberin in einem solchen Zustand gegenüberzutreten. Er bat Karin, ihn und Ole nach Worpswede zu bringen, er würde seinen Wagen am nächsten Morgen wieder abholen kommen. Karin ging mit Fiete nach draußen und sah nach Björn, sie fand, dass man ihn so auf seinem Stuhl nicht eine Stunde lang allein lassen dürfte, und Karin bat Fiete und Ole, mit anzufassen, Björn ins Wohnzimmer zu tragen, und ihn auf die Couch zu legen. Anschließend fuhr Karin ihren angeheiterten Besuch nach Worpswede zurück, sie wartete noch vor Fietes Haus in ihrem Wagen, bis die Tür geöffnet wurde und Fiete und Ole hineintorkelten, bevor sie wendete und wieder nach Borgstadt zurückfuhr. Natürlich war die Begrüßung durch Clarissa und Solveig nicht sehr angenehm:
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