„Ja, ich habe mich sofort in Solveig verliebt, sie ist von Anfang an meine Traumfrau gewesen und bis heute geblieben!“ Clarissa sah auf die Uhr und erwähnte, dass sie für 19.30 h einen Tisch im „Worpsweder Bahnhof“ reserviert hätte, alle sollten sie sich langsam fertigmachen und loslaufen:
„Eine Viertelstunde werden wir schließlich für den Weg brauchen.“ Alle standen sie auf und machten sich noch einmal kurz frisch, bevor sie das Haus verließen und sich auf den Weg zum Bahnhof machten, es war warm draußen, und es lag eine tolle Abendstimmung über dem Dorf.
Der „Worpsweder Bahnhof“ war zum Bersten voll, und es war gut, dass Clarissa einen Tisch reserviert hatte, sie wurden auch gleich zu ihrem Platz geleitet.
Wieder nahmen die Frauen Apfelschorle und die Männer Bier und Korn.
„Ich glaube, ich nehme heute wieder Spargel, der hat mit gestern so gut geschmeckt und Du Ole?“
„Ich nehme auch Spargel, wer weiß, wann ich den mal wieder bekomme!“ Clarissa und Fiete mussten nicht lange überlegen, sie nahmen auch Spargel und Fiete gab die Bestellung auf. Er hob sein Glas und sah sich genötigt, ein paar Worte zu sagen, was sonst gar nicht seine Art war:
„Liebe Freunde von den Lofoten, Clarissa und ich freuen uns riesig, mit Euch hier zusammen sein zu dürfen, auf dass unsere Freundschaft noch sehr lange anhält, prosit!“ Sie stießen miteinander an und tranken sich zu, als auch schon ihr Spargel serviert wurde, und sie zu essen anfingen, Solveig und Ole konnten gar nicht abwarten, von dem guten Spargel zu kosten. Sie saßen bis 22.00 h in dem Restaurant und liefen anschließend durch das Dorf nach Hause zurück, es war immer noch warm draußen, und es machte ihnen Freude, durch das Dorf zu spazieren. Zu Hause bei Clarissa und Fiete setzten sie sich noch hin und tranken etwas, den Frauen hatte Fiete wieder Apfelsaft und Sprudel geholt, Ole und er nahmen Bier und Schnaps.
Dennoch war Fiete noch nie ein großer Alkoholtrinker gewesen, er erinnerte sich noch an die Lofoten, wenn er manchmal den Weg vom „Hansa“ zu seiner Baracke zurück nur mit großer Mühe geschafft hatte. Daran hat sich seitdem auch nicht viel geändert, Fiete trank eigentlich zu Hause so gut wie nie und tat das an diesem Abend auch nur Ole zuliebe.
„Na, wie findet Ihr denn Euren Kurzurlaub so?“, fragte Clarissa Solveig und Ole. Solveig antwortete:
„Wir müssen uns morgen erst einmal Euer Künstlerdorf ansehen, bevor wir uns ein Urteil erlauben können, was wir bisher mit Euch erlebt haben, ist aber überaus gut gewesen!“ Sie waren müde von dem Treiben den ganzen Tag über und gingen um 22.30 h ins Bett. Sie schliefen sofort ein und wurden erst wieder wach, als jeder hören konnte, wie Fiete in der Küche herumhantierte. Es war 8.30 h, und er deckte den Frühstückstisch in der Hoffnung, dass Ole bald zu ihm stoßen würde, und er mit ihm Brötchen holen gehen könnte. Kurze Zeit später erschien tatsächlich Ole und wünschte Fiete einen guten Morgen.
„Bevor wir uns heute unsere Sehenswürdigkeiten ansehen, müssen wir uns richtig stärken, lass uns Brötchen holen gehen!!“, sagte Fiete, und die beiden machten sich auf zum Bäcker. Auf dem Rückweg sagte Fiete, dass es heute, am Sonntag, ein Ei gäbe und er jedem eins kochen würde, er hätte ein Händchen für gut gekochte Frühstückseier.
Die Frauen standen schon in der Küche und kochten Kaffee, als Fiete und Ole zurückgekehrt waren, alle wünschten sie sich eine guten Morgen und umarmten sich. Beim Frühstück fragte Clarissa:
„Womit sollen wir bei unserem Besichtigungsprogramm denn beginnen, ich habe mir natürlich schon Gedanken gemacht und überlegt, dass wir mit dem Niedersachsenstein anfangen sollten.“
„Dazu müssen wir auf den Weyerberg steigen, aber die Bezeichnung Berg ist übertrieben, der Weyerberg ist nur eine einfache Erhebung, und es ist nur ein leichter Anstieg, den wir bewältigen müssen“, meinte Fiete. Sie liefen nach dem Frühstück gleich los und bestiegen den Wyerberg, unterwegs machten sie mehrere Haltepausen, um den Blick auf das Künstlerdorf zu genießen. Es waren an dem Pfingstmorgen schon eine Menge Leute auf den Beinen, und Clarissa grüßte beinahe ununterbrochen, und als sie den Niedersachsenstein vor sich hatten, noch in einiger Entfernung, da machte er auf alle doch einen martialischen Eindruck. Er war eine im Jahre 1922 von dem Architekten Hoetger zum Gedenken an die Gefallenen des Ersten Weltkrieges errichtete expressionistische Großplastik mit dem Aussehen eines 18 Meter hohen Riesenadlers, ganz aus Ziegelstein. Die Plastik war die Einzige ihrer Art in Deutschland, und die vier liefen zu ihr hin und betrachteten sie von Nahem, sie liefen auf einem angelegten Weg um sie herum und schauten an ihr hoch.
Nach einer zu Füßen der Plastik eingelegten Entspannungspause liefen sie zum Barkenhoff hinunter, was plattdeutsch ist und auf Hochdeutsch Birkenhof heißt. Der Barkenhoff war Sitz der Worpsweder Künstlerkolonie und wurde 1895 von Heinrich Vogeler gekauft. Er hatte wechselvolle Zeiten durchlebt und war nach dem Ersten Weltkrieg Kommune und Abeitsschule Bis 1932 war er dann Kinderheim und danach Gartenbau- und Siedlungsschule. 1981 wurde der Barkenhoff der öffentlichen Hand übergeben und anschließend nach und nach in seinen alten Jungendstil-Zustand zurückversetzt. Fortan diente er als Museum und Ausstellungshaus, die angrenzenden Remisen dienten als Atelier für die Stipendiaten der Barkenhoff-Stiftung. Solveig und Ole standen lange vor dem Eingang des Barkenhoffs und genossen den schönen Blick auf die Zugangstreppe und das Haus. Anschließend spazierten sie gemütlich zum „Haus im Schluh“, wobei „Schluh“ so viel wie Sumpf bedeutet. Das „Haus im Schluh“ gehörte der ersten Frau Heinrich Vogelers, Martha und war ursprünglich eine Moorkate aus dem Moordorf Lüningsee, sie wurde mit Heinrich Vogelers Hilfe in den „Schluh“ versetzt.
Martha Vogeler zog mit ihren 3 Töchtern und ihrem Freund dort ein. Heute standen dort 3 reetgedeckte Häuser: das ehemalige Wohnhaus Marthas, die Handweberei, die 1937 aus Grasdorf in den „Schluh“ versetzt worden war und ein kleineres Haus, dass als Gästepension diente.
Die vier gingen in das Haupthaus und sahen sich die Heinrich-Vogeler-Sammlung an. Solveig und Ole bestaunten den sehr schönen Zustand des doch schon alten Gebäudes, das aber ja von der Gemeinde Worpswede in Schuss gehalten wurde. Sie liefen langsam wieder zurück und kamen zum „Cafe Worpswede“, einem sehr gut erhaltenen Backsteinbau, den der besagte Architekt Hoetger frei und ohne Bauplan hatte bauen lassen, und der deshalb den Namen „Cafe Verrückt“ bekam. Das Haus ist erst 2002 von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz gekauft und in wichtigen Details saniert worden. 2008 fand die große Wiedereröffnung der Kunstschau Worpswede statt, und sie erfreut sich seitdem regen Zulaufs. Bei dem schönen Wetter war der Blick auf die eigenwillige Fachwerkkonstruktion einmalig, und die vier setzten sich draußen hin und ließen das Gebäude auf sich wirken. Unweit des „Cafes Worpswede“ lag die Zionskirche mit dem dazugehörigen Friedhof, der noch ein richtiger Kirchhof war und dennoch keine Beachtung fände, wenn auf ihm nicht 80 ehemalige Worpsweder Künstler beerdigt lägen, unter ihnen Fritz Mackensen und Pauls Modersohn-Becker. Clarissa ging mit der Gruppe zu dem Grabmahl von Paula Modersohn-Becker, dessen Grabskulptur der Architekt Hoetger geschaffen hatte.
Es war mittlerweile Nachmittag geworden und die vier hatten Kaffeedurst bekommen. Clarissa und Fiete schlugen vor, nach Hause zu gehen, dort Kaffee zu trinken und Kuchen zu essen und ihre Besichtigung später fortzusetzen, womit Solveig und Ole einverstanden waren. Also liefen sie über die Osterholzer- und Finndorfstraße zurück zum Sophie-Böttger-Weg und nahmen von einer Konditorei auf dem Weg 4 Stücke Erdbeertorte mit Sahne und ein paar Teilchen mit. Zu Hause richteten die Männer draußen alles für ein Kaffeetrinken zurecht, legten Kissen auf die Stühle und deckten den Terrassentisch, und Fiete holte für Ole und sich einen Schnaps und sagte:
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