Der Kontakt zwischen Fiete, Solveig und Ole war immer besonders intensiv gewesen. Fiete mochte Solveig, seit er sie das erste Mal in ihrem „Hansa“ gesehen hatte. Damals lebte ihr Vater noch, aber Solveig managte da schon den Kneipenbetrieb vollständig in Eigenregie. Ole war ein sehr verlässlicher Mitarbeiter gewesen, und Fiete und ihn verband etwas, was schwer zu beschreiben war, vielleicht war es so etwas wie eine gemeinsame Auffassung von der Welt. Als Fiete damals mit Ole eine gemeinsame Angeltour im Boot von Solveigs Bekanntem gemacht hatten, spürten sie beide dieses verbindende Band besonders stark, auch als sie danach in der Mannschaftsbaracke ihren Fisch zubereiteten. Fiete fuhr am Mittag von Worpswede los, die Maschine würde um 14.05 h, von Oslo kommend, landen. Solveig und Ole würden den gleichen Flug nehmen, deb Fiete in seiner Zeit bei E.ON immer genommen hatte. Sie würden mit der Fähre nach Bodoe übersetzen, von Bodoe nach Oslo fliegen und dort nach Hamburg umsteigen. Fiete verabschiedete sich von Clarissa und nahm die gute Nachricht mit, er dachte auf der Fahrt unentwegt daran, dass er bald Vater sein würde und freute sich riesig darüber. Er fuhr in Gyhum auf die A 1 und weiter nach Hamburg und wusste, dass er vor dem Elbtunnel in einen Stau geraten würde, wenn er Pech hätte, aber so viel Zeit hatte er schon eingeplant.
Und tatsächlich, eine halbe Stunde später kam er am Elbtunnel an und geriet in einen Stau, der eine Viertelstunde seiner Zeit nahm, sich im Tunnel aber langsam auflöste, sodass er immerhin durch den Tunnel gemächlich rollen konnte. Eine weitere halbe Stunde später erreichte er in Fuhlsbüttel den Flughafen und stellte seinen Wagen ab. Bis zur planmäßigen Landung der Maschine aus Oslo hatte er noch etwas Zeit und er setzte sich im Flughafengebäude in eine Kaffeebar und bestellte sich einen Kaffee. Immer dachte er an Clarissa und ihre gemeinsame Zukunft mit Kindern.
„Wenn wir ein Mädchen bekommen, heißt unser Kind Sophia, was ist aber, wenn wir einen Jungen bekommen?“ Ein Jungenname wollte ihm nicht einfallen, so sehr er auch über einen Jungennamen nachdachte, und Friedrich kam schon einmal gar nicht in Frage, so viel stand für Fiete fest. Er trank seinen Kaffee aus und lief langsam zu dem Gate, an dem er seine Freunde von den Lofoten in Empfang nehmen wollte. Er war aufgeregt, die beiden nach so langer Zeit wiederzusehen. Die Anzeige verriet dass die Maschine aus Oslo gelandet war und damit wenigstens keine Verspätung hatte. Jetzt würden alle Passagiere noch zum Kofferband gehen und ihr Gepäck aufnehmen, dann käme der Moment des Wiedersehens. Kurze Zeit später öffnete sich die Schwingtür und die ersten Passagiere aus Oslo kamen heraus. Es dauerte eine Zeit, bis Fiete Solveig und Ole ausmachen konnte, er hatte sie unter den anderen Passagieren sofort wiedererkannt, Solveig war schön wie immer und völlig unverändert, sie trug ihr langes blondes Haar zu einem Zopf geflochten, wie sie es auch im „Hansa“ immer gehabt hatte, und auch Ole war der Alte geblieben. Fiete stürmte sofort auf die beiden los und umarmte jeden von ihnen zur Begrüßung, Solveig gab er einen kräftigen Kuss auf die Wange. Als er sie in seinen Armen hielt, glaubte er einen Bauch an ihr zu spüren und sah sie fragend an:
„Ja, ich bin im fünften Monat schwanger!“, rief Solveig voller Freude aus, und Fiete gratulierten den beiden.
„Wisst Ihr denn das Geschlecht und habt schon einen Namen?“
„Es wird ein Mädchen werden und wir werden es Astrid nennen!“ Auch Ole strahlte über sein ganzes Gesicht, Solveig und er waren ein Paar, wie man es vielen wünschte, sie verkörperten geradezu das Glück und gaben das auch jedem zu verstehen. Fiete nahm einen ihrer beiden Rollkoffer und ging mit den beiden langsam zu seinem Wagen. Unterwegs fragte er Ole:
„Stehen unsere Windräder noch in Flakstad, oder hat sie der Sturm schon umgerissen?“
„Alle drei Windräder stehen und verrichten gute Arbeit!“, antwortete Ole, und er sah seinen ehemaligen Chef dabei an, als wollte er ihm immer noch seinen Respekt für die Arbeit aussprechen, die sie damals zusammen ausgeführt hatten.
„Hat sich denn auf den Lofoten bei Euch sonst irgendetwas Nennenswertes ereignet?“
„Bei uns geschehen so schnell keine nennenswerten Dinge, wie Du Dir vielleicht noch vorstellen kannst, aber bei Euch hat sich ja einiges verändert!“, sagte Solveig.
„Ja, ich bin inzwischen selbstständig und habe eine kleine Firma, in der ich zusammen mit drei Kollegen Windräder konzipiere, die für nicht ganz so finanzstarke Kommunen gedacht sind, es läuft ganz gut in der Firma, und Clarissa ist, wie Ihr ja wisst, Tierärztin und versorgt die landwirtschaftlichen Betriebe in der gesamten Umgebung, aber das wird sie Euch alles erzählen, wenn wir bei uns angekommen sind, setzt Euch in den Wagen, wir fahren los!“ Ohne Probleme fuhren sie nach Worpswede zurück und Solveig und Ole trauten ihren Augen nicht, als sie sahen, wie schnell Fiete seinen Wagen über die Autobahn steuerte, denn Autobahnen gab es auf den Lofoten nicht, und man fuhr dort eher vorsichtig. Zu Hause begrüßte Clarissa die beiden, und die gegenseitige Freude war groß, obwohl Clarissa die beiden bei ihrem Besuch auf den Lofoten gar nicht richtig kennenlernen konnte. Aber es herrschte auf beiden Seiten große Sympathie, Clarissa hatte sofort Solveigs Schwangerschaftsbauch bemerkt, und Solveig strahlte sie geradezu an:
„Ich bin im fünften Monat schwanger!“ Clarissa ging mit allen ins Haus, und als Solveig und Ole ihr Gepäck abgestellt, und sie sich alle an den Kaffeetisch gesetzt hatten, sagte sie:
„Ich war heute bei meiner Frauenärztin, und sie hat mir eröffnet, dass ich im dritten Monat schwanger bin!“ Fiete sprang auf und ging zu Clarissa, er nahm sie in seine Arme und küsste sie, er sagte:
„Da haben wir also jetzt Gewissheit, ich freue mich riesig!“ Solveig und Ole legten ihre Arme um Clarissa und gratulierten ihr:
„Jetzt haben wir zwei werdende Mütter unter uns!“, sagte Ole.
„Fiete, wir müssen unsere Frauen jetzt mit Vorsicht behandeln!“ Und gleich war Fiete bemüht, alles um sich herum selbst in seine Hände zu nehmen und Clarissa zu entlasten. Er stand auf, kochte für alle Kaffee und stellte Kuchen auf den Tisch, Ole half ihm dabei und während die beiden mit dem Kaffeetisch beschäftigt waren, sagte Solveig zu Clarissa:
„Im dritten Monat musst Du besonders auf Dich Acht geben, da haben die Schwangeren die meisten Fehlgeburten!“
„Ich werde schon auf mich aufpassen, ich weiß, dass Fiete mir ein große Hilfe ist, und in meiner Praxis werde ich ein wenig kürzer treten, bis ich den Praxisbetrieb für eine Zeit ganz stilllegen werde.“
„Wie wollt Ihr Euer Kind denn nennen?“
„Ein Mädchen soll Sophia heißen, aber einen Namen für einen Jungen haben wir noch nicht gefunden!“ In diesem Augenblick kamen Fiete und Ole zu den beiden, Fiete sah Clarissa an und rief aus:
„Ich weiß einen Jungennamen, wir nennen unseren Jungen Ole!“ und Clarissa rief:
„Ich habe in diesem Augenblick dieselbe Idee gehabt, wir nennen unseren Jungen Ole, der Name ist schön, und er wird uns immer an Deine Zeit auf den Lofoten erinnern!“ Ole schaute leicht verlegen Solveig an, die versicherte ihm, dass er stolz darauf sein könnte, dass sein Name in Worpswede verewigt werden würde. Fiete lief noch einmal in die Küche und holte eine Flasche Sekt aus dem Kühlschrank, aber noch bevor er sie geöffnet hatte, winkte Clarissa ab und sagte, dass sie von diesem Tag an während ihrer Schwangerschaft keinen Alkohol mehr trinken würde und auch Solveig verzichtete. Also brachte Fiete die Flasche wieder zurück und holte für Ole und sich einen Schnaps, den sie beide auf ihre Kinder ex tranken. Anschließend widmeten sie sich ihrem Kuchen und unterhielten sich über ihre Alltagsprobleme. Solveig erzählte, dass an Wochenenden das „Hansa“ immer noch von Gästen überquellen würde.
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