Helen Sterling und das Geheimnis der Lady Jane Grey
Roman
Erstausgabe im Februar 2017
als Orange Cursor-eBook
Alle Rechte bei Verlag/Verleger
Copyright © 2017
by Verlag/Verleger
D-47130 Hintermberg
Zweites Penthaus 13
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Für meinen Dodo
»Es gibt nur zwei Sorten von Lebewesen: die Jäger und die Opfer. Wer stark ist, gehört zu den Jägern. Seid ihr Jäger? Wenn ihr es nicht seid, dann ist es jetzt an der Zeit zu gehen.« Sein Blick wanderte ruhig durch den Raum. Niemand bewegte sich. »Wie ich sehe, seid ihr Jäger. Und deshalb spreche ich heute Abend zu euch. Es ist an der Zeit, dass wir uns das nehmen, was uns zusteht: die Freiheit! Ich fühle eine tiefe Verpflichtung für jeden von euch, für unsere Freiheit zu kämpfen.
Lasst mich offen reden. Es steht katastrophal um uns. Jahrhunderte, nein, Jahrtausende lang wurden grauenhafte Lügen verbreitet. Ihr einziges Ziel war es, unsere Väter und Ahnen zu töten. Man hat uns in die Schwäche und Lethargie gedrängt, unfähig, unseren Willen kundzutun. Es ist an der Zeit zu handeln! Wir müssen aufstehen und kämpfen. Nur mit entschlossener Willenskraft können wir uns gegen unsere Unterdrücker zur Wehr setzen. Wir waren viel zu lange gelähmt. Ich sage euch, meine Brüder und Schwestern, erhebt euch! Wir sind die rechtmäßigen Herrscher Englands. Welche Ahnung haben denn ohnehin die feinen Lords im Parlament? Sie kennen uns nicht. Die Kraft liegt in unseren Händen. Allein kann niemand von uns etwas bewegen, aber gemeinsam können wir über die ganze Welt herrschen! Wir werden uns nehmen, was uns erbrechtlich gehört. Nicht länger wollen wir die unsichtbaren Sklaven dieser diktatorischen Stümper sein! Die Zeichen stehen für uns auf Sieg. Jeder Einzelne von euch trägt diesen Schatz mit sich, zeigt ihn endlich.
Wir kämpfen für eine neue Gesellschaftsordnung, unsere Ordnung. Sagt mir, liebe Freunde, wer kämpft mit mir? WER kämpft gegen die unterdrückerische Herrenrasse?«
»WIR KÄMPFEN!«, jubelten sie ihm zu.
Regen tropfte auf einen Grabstein an jenem düsteren Tag im Januar. Langsam lassen zwei Männer einen Sarg in ein sorgfältig ausgehobenes Grab. Helen fröstelte und zog die Schultern hoch, hinter ihr zogen graue Wolken am Himmel langsam entlang. Sie schaute ihrem Bruder hinterher, wie er in dieser Kiste immer tiefer in der Erde verschwand. Auf den Tag vor zwei Wochen fand ihn die Reinigungskraft. Merkwürdig verdreht lag er vor der Treppe. Sein Gesicht wirkte beinahe friedlich, so als würde er schlafen. Nur sein linkes Bein stand unnatürlich weg und sein Kopf wirkte ebenfalls seltsam überdreht. Das Schreien der Angestellten weckte die Nachbarn. Als Helen an jenem Mittag bei seinem Haus am Hyde Park eintraf, fand sie ein Meer an Blaulicht und Polizisten vor. Es war der Abend, an dem sie ihren Bruder erst zum dritten Mal in ihrem Leben sah. Auf dem Sterbebett verriet ihr ihre Mutter, dass sie einen älteren Bruder hätte. Sie gab ihrer Tochter einen Zettel mit dem Namen Joshua und einer Telefonnummer. Helen wollte ihrer Mutter unzählige Fragen stellen, aber die starken Schmerzmedikamente machten ihre Mutter zu schläfrig. Noch in der selben Nacht schloss sie für immer ihre Augen. Den Kampf gegen den Krebs konnte sie nicht gewinnen.
Es vergingen mehrere Wochen, bevor sich die junge Frau traute, die Nummer von dem Zettel zu wählen. Das erste Treffen verlief schüchtern, aber angenehm. Sie trafen sich auf eine Tasse Tee und sie erzählte von ihrem Leben. Er hörte ihr geduldig zu und neckte sie, wie es sich vermutlich für große Brüder gehörte. Beim zweiten Treffen fragte sie ihn nach seinem Leben aus. Joshua reagierte verhalten und meinte, er würde sie nur langweilen damit. Also sprachen sie über Belanglosigkeiten. Beim letzten Telefonat klang er gehetzt und meinte, er müsse dringend mit ihr reden. Bei ihrem dritten Treffen war Joshua tot.
Es kam Helen nie in den Sinn, dass der Tod beide so schnell trennen sollte.
»Miss Sterling?«, fragte eine tiefe Stimme hinter ihr.
»Nennen Sie mich Helen, Sergeant Owen King. Sie unterstellten mir doch so oft Mord im Verhör, da brauchen wir jetzt auch nicht mehr förmlich sein.« Langsam drehte sie sich zu Owen King um. Unter anderen Umständen hätte sie ihn attraktiv gefunden. Er war circa 1,80 m groß, hatte fast pechschwarze Haare und rehbraune Augen. Seine grauen Schläfen verliehen ihm ein reifes Aussehen. Owen war er ein charmanter Kerl. Wenn er ihr nur nicht den Mord an ihrem Bruder unterstellt hätte.
»Was machen Sie hier eigentlich? Ich habe meinen Bruder gerade beerdigt. Schämen Sie sich nicht, einfach auf einem Begräbnis aufzutauchen?«
Owen blinzelte sie an. »Miss Sterling, … Helen … ich wollte Ihnen keine Unannehmlichkeiten bereiten. Im Grunde genommen wollte ich Ihnen nur mein Beileid aussprechen. Im Übrigen gibt es Neuigkeiten, die den Tod ihres Bruders betreffen. Darf ich Sie auf eine Tasse Tee einladen, um Ihnen alles zu erzählen?«
Helen nickte zögernd und erwiderte: »Ich kenne ein nettes Café in der Nähe, dort können wir ungestört reden.« Sie wärmte ihre klammen Finger in die Taschen ihres schwarzen Wollmantels.
Schweigend gingen beide über den Friedhof. Der kalte Wind blies ihnen ins Gesicht und die 5 Grad in London fühlten sich mit einem Schlag an wie 10 Grad unter Null. Ein paar Krähen erhoben sich schwerfällig von einer alten Eiche und trotzten dem Wind. Die Grabsteine standen willkürlich verteilt auf dem Friedhof, an vielen wucherte das Moos so stark, dass das Lesen von Namen unmöglich war.
Owen wagte einen kurzen Blick zur Seite. Helen war eine überaus attraktive Frau. 32 Jahre alt, nur ein wenig kleiner als er und naturschön. Sie benötigte kaum Schminke. Alles was sie zu verwenden schien, unterstrich nur ihre Schönheit. Ihre langen mahagoniebraunen Haare wehten im Wind. Er fühlte sich auch von ihrer kurvigen Figur angezogen. Sie war zwar schlank, aber nicht so dürr wie andere Frauen ihres Alters. Er mochte es als Mann nicht, wenn Frauen ständig ihre natürlichen Rundungen weg hungerten. Gleichwohl hatte sie etwas Geheimnisvolles an sich. Er konnte nicht einmal sagen, was es war. Aber es war etwas, dass ihn instinktiv davor warnte, sich mit dieser Art Frau einzulassen. Wobei seine Freundin vermutlich auch etwas dagegen hätte. Mary war ein Schatz. Lieb, hilfsbereit und nahezu tödlich langweilig. Sie machte ihm das Leben so einfach, dass er es schon langsam nicht mehr ertragen konnte. Sein Haus war stets sauber, seine Hemden makellos gebügelt und abends stand das Essen heiß auf dem Tisch, während Mary ihn überschwänglich begrüßte. Noch traute er sich nicht, sie zu verlassen. Owen befürchtete, ihn träfe augenblicklich eine Art göttlicher Zorn, wenn er so einem liebenswerten Geschöpf das Herz brechen würde. Im Übrigen könne er ihr nie vergessen, was sie für ihn tat. Gedankenverloren kratzte er sich an seinen Bartstoppeln.
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