Trotz des desolaten Zustandes des Wracks hoffte er, es zu erreichen, aber das grausame Schicksal ließ ihn in einigen Hundert Metern Entfernung daran vorbeischweben. Für einen Moment glaubte er, in einem der aufgerissenen Gänge das Licht von Scheinwerfern zu sehen und rief in aufkeimender Hoffnung um Hilfe, doch abermals kam keine Antwort.
Allmählich verlor das Hoch-Wort sein Zeitgefühl.
Ein leises Summen machte ihn darauf aufmerksam, dass der Atemluftvorrat zu Neige ging.
Sirun-Nap hatte den qualvollen Erstickungstod vor Augen. Für einen Moment kam Verzweiflung in ihm auf und er verfluchte sein Schicksal. Dann erfüllte ihn tiefe Resignation. Bedauernd dachte er daran, nun niemals Zeuge einer Eiablage und des Schlüpfens seiner Nachkommen werden zu können. Nie wieder würde er die warmen Winde der heimatlichen Wüsten spüren oder die Düfte der dortigen Wälder wahrnehmen.
Er warf einen letzten langen Blick um sich. Selbst der prachtvolle Anblick der Sterne wurde ihm in seinen letzten Momenten verwehrt.
Schließlich langte er an den Verschluss seines Helms und öffnete ihn.
Der Tod kam rasch und barmherzig. Als gefrorener Leichnam wurde Sirun-Nap zu einem winzigen Bestandteil des Asteroidenfelds. So, wie die Wracks zahlreicher Hantelschiffe und die sterblichen Überreste Zehntausender von anderen Norsun.
Kapitel 3 Ein unerwarteter Gast
Sky-Base Arcturus, Sky-Navy High-Command, Offiziers-Messe
Im Grunde ähnelte die Sky-Base Arcturus einem flach gedrückten altmodischen Brummkreisel. Sie bestand aus einem Diskus von fast zehn Kilometern Durchmesser, an dessen Polen zwei hohe und schlanke Naben aufragten, die von Kugeln gekrönt wurden, in denen sich die Raumüberwachungen befanden. In der Scheibe des Diskus lagen alle Räume, Hallen und Hangars, die dem Betrieb der Station und dem Leben der Besatzung und deren Angehörigen dienten. Hinzu kamen Hunderte von Zivilisten, da die Basis auch als Umschlagplatz für den interstellaren Handel und Passagierverkehr diente. Um den Äquator der Station waren die zehn Dockpylone angebracht, an denen Schiffe festmachen konnten. Sie erhielten dadurch eine direkte Verbindung mit der Basis und konnten von deren Anlagen versorgt werden. Arcturus war der Hauptliegeplatz der Sky-Navy und hier lagen stets etliche der modernen APS-Kreuzer und einige der riesigen Trägerschlachtschiffe.
Die Basis diente nicht nur als Militärstützpunkt und Handelsplatz, sondern war mit dem dort befindlichen High-Command auch Sitz des Hauptquartiers der Streitkräfte und des interstellaren Katastrophenschutzes.
Das Kasino für Offiziere auf Kommandoebene befand sich in der oberen Nabe. Sie bot einen großartigen Ausblick auf einen guten Teil der Basis und die an den Pylonen festgemachten Schiffe. Der elegant eingerichtete Raum wurde gerne zu Repräsentationszwecken und zur Bewirtung wichtiger Gäste genutzt. Sein Ambiente war entsprechend ausgelegt. Die Möblierung bestand aus echtem Holz, es gab Teppichboden, jede Menge bepflanzter Raumteiler, gedämpftes Licht, echte Kerzen auf den Tischen und aufmerksames Personal.
Die Besucher des Kasinos beschränkten sich für gewöhnlich auf Admiräle und Captains der Navy, die Generäle und Colonels der Raumkavallerie und, wie im Falle von John Redfeather und dessen Begleitung, auf deren Gäste. Wenn man sich in diese exklusive Messe begab, dann verzichtete man tunlichst auf die schlichte Dienstuniform, die aus einem mittelblauen Einteiler bestand. Daher trugen die drei ihre Ausgehuniformen mit den mittelblauen Hosen und den langen grünen Jacken, die sich durch die Farben der Schulterklappen oder Schulterstücke und den jeweiligen Besatz unterschieden: Ein helles Blau für die Navy bei John und ein kräftiges Gelb für die Raumkavallerie bei Joana und Mario.
„Ich bevorzuge doch ein echtes Steak, Sir, bei allem Respekt.“ Sergeant-Major Mario Basari lächelte entschuldigend. „Ich kann diesem synthetischen Fleisch und diesem Sojamist einfach nichts abgewinnen.“
Hoch-Admiral John Redfeather erwiderte das Lächeln. „Nun, Sarge, was du da auf deinem Teller liegen hast, das ist weder synthetisch noch pflanzlich. Das ist echter Büffel.“
„Büffel?“
Das Lächeln des Befehlshabers der Streitkräfte des menschlichen Direktorats vertiefte sich. Neben ihm war das leise Lachen seiner Tochter Joana zu hören, die als Major bei der fünften Raumkavallerie diente. Sie übernahm es, den irritierten Basari aufzuklären: „Der Büffel ist ein vierbeiniges Horntier auf der alten Erde. Er steht, wie der ganze Planet, unter strengstem Schutz, aber wie du ja weißt, Mario, gehören Dad und ich zum Volk der Sioux-Indianer. Wir haben, wie einige andere Ethnien und Gruppen auch, eine Sondergenehmigung und dürfen eine kleine Siedlung in unseren alten Jagdgründen, den Black Hills, unterhalten. Sie liegen in Montana auf dem nordamerikanischen Kontinent.“
„Aha“, brummte Basari und spießte, eher aus Höflichkeit, ein weiteres Stück Büffelfleisch auf seine Gabel. „Und ich nehme an, dass ihr Indianer euch eine kleine Jagd auf diese armen Tiere gönnt, sonst hätte ich wohl kaum dieses Fleisch auf dem Teller.“
„Einmal im Jahr dürfen sich die jungen Männer der indianischen Gruppen bewähren und auf die Büffeljagd gehen, um zum Krieger zu werden.“ John Redfeather strich sanft über die Hand seiner Tochter. „Indianer aller Stämme und aus dem gesamten Direktorat schicken dann ihre Delegationen auf die Erde und veranstalten ein großes Pow Wow. Die Jagd erfolgt natürlich ausschließlich mit Pfeil und Bogen.“
„Hm, natürlich.“ Basari tunkte sein Fleischstück in eine scharf gewürzte Sauce und ignorierte, dass Vater und Tochter die Gesichter verzogen. „Tut mir Leid, Chief“, sagte er in Anspielung auf die Häuptlingswürde seines Gastgebers, „aber mir hat dieses Fleisch einen zu … eigenwilligen … Geschmack.“
Als Sergeant-Major besaß Mario Basari, der stolz auf seine italienischen Vorfahren war, den höchsten Rang eines Unteroffiziers. Dennoch war es eine Ausnahme, dass er diesen Bereich der Sky-Base Arcturus betrat. Basari besaß unzweifelhaft ein besonderes Verhältnis zu den Redfeathers. Der alte Unteroffizier mit dem schlohweißen Haupthaar und ebensolchen Augenbrauen hatte einst, als junger Sergeant, den jungen Lieutenant John Redfeather durch die ersten Jahre begleitet. Der heutige Hoch-Admiral war klug genug gewesen, auf den Rat seines erfahrenen Untergebenen zu hören. Seitdem verband sie eine feste Freundschaft, obwohl sie, während des Dienstes, natürlich die Formen wahrten. Ähnliches galt für Joana Redfeather. Auch sie hatte sich als junger Lieutenant auf Basari verlassen können, der inzwischen in ihrem Bataillons-Stab diente.
An diesem Abend hatten sich die drei Freunde, auf Einladung von John Redfeather, in der exklusiven Kommandooffiziersmesse zusammengefunden. John war sichtlich stolz darauf, seinem alten Freund das seltene Büffelfleisch präsentieren zu können und musste akzeptieren, dass dieser die seltene indianische Delikatesse nicht zu schätzen wusste.
Das Kasino für Offiziere auf Kommandoebene war relativ klein, wohingegen es fast ein Dutzend ähnlicher Räume für die anderen Offiziersgrade der Streitkräfte gab. Weit mehr Räume dienten als Speiseräume für Unteroffiziere und Mannschaften. Sie wirkten weitaus weniger heimelig, obgleich man sich Mühe gab, dass die Besucher auch dort speisen konnten und nicht lediglich abgespeist wurden. Während in den Offiziersmessen meist Hologramme von planetaren Landschaften und Raumschiffen als Schmuck dienten, waren es in den Räumen der untergebenen Ränge oft schlichte 3-D-Poster mit Motiven, die sicher die Aufmerksamkeit von strengen Tugendwächtern auf sich gezogen hätten, hätte man ihnen Zutritt gewährt. So streng die Disziplin während des Dienstes auch sein mochte, man gewährte den Angehörigen des Militärs vielerlei Freiheiten.
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