»Kein Problem, Sir. Ich bin ungebunden.«
Er trank einen Schluck und wartete gespannt auf die weiteren Informationen, die folgen sollten.
»Ausgezeichnet. Dann nehmen Sie bitte diese Akte und lesen sich alles genau durch.«
Der Direktor schob ihm das Papier zu.
»Es geht nach Deutschland. Genauer gesagt Berlin. Wir haben dort das Problem, dass wir aktuell keinen Agenten dort haben. Es fließen keine Informationen mehr. Die letzte Agentin, die uns mit Fakten versorgt hat, saß im Auswärtigen Amt und wurde am 25.April von der Staatssicherheit verhaftet. Keiner weiß, was mit ihr ist und was dort geschieht. Der Präsident will, dass die dortige Situation sich ändert und alles komplett neu organisiert wird. Wir brauchen dringend Informationen, was in Ost-Berlin vor sich geht. Die Sowjets planen in Afghanistan irgendetwas, im schlimmsten Fall eine Invasion.«
»Wir scheinen dort wirklich kein Glück zu haben. Ich erinnere mich grob an den Fall, wo der Tunnel unter der Friedrichstraße aufgeflogen ist. Das war schon mächtig peinlich für uns, zumal Chruschtschow das damals richtig ausgeschlachtet hat.«
»Richtig. Das Problem zieht sich wie ein roter Faden durch die letzten 20 Jahre. Und Sie sollen das ändern. Sie sind ein fähiger Mann, was Sie in Ihren letzten Auslandseinsätzen mehrfach bewiesen haben. Ich baue auf Sie. Lesen Sie die Akte, analysieren Sie die Situation und bauen Sie die Strukturen dort neu auf. Wir arbeiten hier derweil an Ihrer Legende, damit Sie sowohl im Westteil als auch im Ostteil der Stadt keine Probleme haben. Sie bekommen feste Partner, die Sie unterstützen, wo sie können. Ich bin davon überzeugt, dass Sie genau der richtige Mann dafür sind.«
Miller sah Madsen prüfend an.
»Was meinen Sie? Wie lange brauchen Sie für Ihre erste Analyse?«
Madsen warf einen prüfenden Blick auf die Akte.
»Ich mache mich gleich an die Arbeit. Ich denke, ich brauche eine Woche.«
»Gut, dann treffen wir uns in einer Woche wieder hier.«
Der Direktor stand auf und kam um den Schreibtisch, um Madsen zur Tür zu geleiten. Madsen erhob sich ebenfalls, nahm die Akte und ging mit dem Direktor zur Tür.
»Wie gesagt, ich bin fest davon überzeugt, dass Sie einiges bewegen können. Ich freue mich schon auf das nächste Gespräch.«
Die Männer schüttelten sich die Hände, und Madsen verließ das Büro. Miller ging an seinen Schreibtisch und nahm den Hörer vom Telefon. Er wählte eine Nummer. Die Gegenstelle hob ab.
»Miller hier. Die Aktion läuft an. Ich brauche eine Auflistung aller für uns in Europa tätigen Agenten sowie deren Standorte und aktuellen Aufgaben. Und bestellen Sie bitte den Leiter unserer Vertretung aus West-Berlin nach Langley. Ich will den Mann nächste Woche hier haben.«
Miller legte auf und setzte sich an den Tisch. Er sah auf das Bild seiner Familie und seufzte. Hoffentlich artet das nicht in einen neuen Krieg aus, dachte er. Diese verdammten Sowjets.
Madsen hatte die Akte einige Tage studiert. Er steckte sich eine Zigarette an und zog nachdenklich an der Kippe. Die Situation in Berlin war in der Vergangenheit wirklich nicht gut. Agenten wurden überhastet angeworben und unorganisiert losgeschickt. Keine Spur vom Agenteneinmaleins. Er wunderte sich überhaupt nicht, dass das immer wieder schief ging. In seinen Augen wurde sogar leichtfertig mit Menschenleben gespielt. Das würde er auf jeden Fall ändern. Die Anwerbung sollte in Zukunft mit einer guten Schulung einhergehen, ein Spezialist den Kandidaten aussuchen. Ein weiterer CIA-Mann sollte als Agentenführer regelmäßige Kontakte herstellen. Auch die Übermittlung der Nachrichten musste umorganisiert werden. Es war in der Tat eine Menge Arbeit, die ihn erwartete. Aber Madsen hatte bereits einen Plan ausgearbeitet, den er dem Direktor vorstellen wollte.
In der darauffolgenden Woche herrschte im Büro des CIA-Direktors Aufbruchsstimmung.
Madsen hatte umfangreich seinen Plan präsentiert. Miller nickte zufrieden. Aber auch er hatte einige Überraschungen für Madsen parat.
»Ich habe hier folgende Kontakte für Sie, die genau in Ihr Konzept passen. Zum einen unsere Vertreter in Berlin, West wie Ost. Sie werden als Vermittler zwischen beiden Vertretungen arbeiten, so dass Sie, wenn es notwendig werden sollte, fast unproblematisch in den Staaten hin- und herreisen können.«
Miller schob ihm zwei Akten über den Tisch. Madsen schaute kurz hinein, um festzustellen, dass es sich um die Personenbeschreibungen der beiden Botschafter in der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik handelte. Madsen musste anerkennend nicken.
»Noch etwas. Ich habe bereits ein Treffen mit Siegfried Heine arrangiert, der Ihnen bei der Anwerbung behilflich sein soll. Ich nehme an, Sie kennen ihn?«
»Ja, ich hatte in Italien mit ihm zu tun. Mehrfach, er hatte einen guten Eindruck hinterlassen. Ich sehe, Sie nehmen nur die am besten ausgebildeten Leute für diese Aufgabe.«
Miller fühlte sich ein wenig geschmeichelt.
»Heine wird Ihnen helfen, einen Agenten anzuwerben und auch auszubilden. Sie sollen ja möglichst nicht in Erscheinung treten. Sozusagen im Hintergrund die Strippen ziehen. Dann ist da noch vom US-Hauptquartier im Berliner Stadtteil Zehlendorf in der Clayallee der U.S. Commander Major General Thomas D. Phillips. Phillips kann Ihnen mit seinen guten Kontakten helfen. Passen Sie allerdings auf, dass er Ihnen nicht das Heft aus der Hand nimmt. Er hat gerne die Kontrolle über alles. Er ist informiert und wird Ihnen jederzeit zur Verfügung stehen.«
Madsen nickte anerkennend. Die Sache musste echt brennen, wenn schon der Direktor persönlich zuarbeitete. Miller trank einen Schluck Kaffee. Als er die Tasse absetzte, sah er Madsen gespannt an.
»Ihr Flug ist bereits gebucht. Sie sind bereits in der nächsten Woche in Europa. Ich hoffe, dass macht Ihnen nichts aus. Aber die Dringlichkeit der Angelegenheit…..«
Madsen winkte lächelnd ab. Er war bereit, diese Aufgabe so schnell wie möglich anzutreten. Sie reizte ihn sehr.
»Schon in Ordnung. Ich habe sowieso nichts weiter vor«, war seine ehrliche Antwort.
Siegfried Heine rührte in seinem Kaffee und schaute immer wieder zur Uhr. Wo bleibt er nur, dachte er und schaute sich besorgt um. Draußen begann es zu regnen. Viele Menschen spannten ihre Schirme auf, um sich vor dem warmen Frühsommerregen zu schützen. Es war zurzeit viel los in Wien. Die Urlaubszeit brach an und brachte regelrechte Besucherströme in die Stadt. Wohin man auch sah, es wimmelte von fotografierenden Touristen. Die Museen waren so voll, dass sich Schlangen an den Kassen bildeten. Die Wiener Kutschfahrer machten das Geschäft Ihres Lebens. Die Luftballonverkäufer am Prater ließen die Herzen der Kinder höher schlagen. Mit dem einsetzenden Regen strömten die Menschen nun über die Franzensbrücke über dem Donaukanal in Richtung Innenstadt.
Heine genoss es, in den kleinen Cafés seiner Heimatstadt die Touristen zu beobachten. Menschen verschiedenster Couleur in jedem Alter waren hier zur Sommerzeit vertreten. Touristen aus den USA, Studenten aus ganz Europa. Alles trifft sich in Wien, stellte er stolz fest. Während er seine Tasse Kaffee austrank, betrat ein hochgewachsener Mann das Café. Heine erkannte ihn. Er sieht müde aus. Bestimmt der Jetlag, dachte Heine. Er hob die Hand und winkte den Mann zu seinem Tisch.
Mark Madsen war in der Tat müde. Nach intensiven Vorbereitungen war er gestern Abend in Wien gelandet. Nach einem ausgedehnten Abendessen hatte er versucht, früh zu schlafen, fand aber keine Ruhe und lief lange Zeit rauchend im Hotelzimmer auf und ab. Madsen wollte noch am heutigen Tag nach West-Berlin fliegen, um dort noch ein wenig auszuruhen, bevor er mit aller Kraft seiner neuen Aufgabe nachging.
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