Hans Nordländer
Das Geheimnis des Gedenksteins
Dämonenkult und Geistererscheinungen in der Wedemark
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Inhaltsverzeichnis
Titel Hans Nordländer Das Geheimnis des Gedenksteins Dämonenkult und Geistererscheinungen in der Wedemark Dieses ebook wurde erstellt bei
1. Entdeckung mit Folgen
2. Nächtlicher Besuch
3. Ratlosigkeit
4. Rätselhafte Begegnungen
5. Vermischte Identitäten
6. Erste Spuren
7. Kuriose Nachforschungen
8. Nem-Djoks Forderung
9. Ergebnislose Suche
10. Maritas Wahnsinn
11. Mörderische Flucht
12. Unerwartete Hinweise
13. Schaurige Funde
14. Ein abenteuerlicher Plan
15. Im Bann des Dämons
16. Unter Geistern
17. Verschollene Unterlagen
18. Das Geheimnis des Kommissars
19. Verstimmungen
20. Warnung aus dem Jenseits
21. Pakt mit Nem-Djok
22. Nachspiele
Impressum neobooks
Neugierig beugte sich Cornelia über den merkwürdigen Findling, den sie zwischen zwei Farnkrautstauden entdeckt hatte. Der kniehohe Stein war zur Hälfte von Moos überwachsen, aber auf der freien Fläche deuteten sich verwitterte Zeichen an, die irgendwer vor langer Zeit dort hineingeritzt hatte. Sie ging vor dem Stein in die Hocke und begann, mit einem kurzen Ast das Moos von den Zeichen zu kratzen.
Cornelia Habsburg lebte in Hannover, fuhr aber gelegentlich aufs Land, um sich von ihrer manchmal etwas anstrengenden Arbeit als Redaktionsassistentin beim Hannoverschen Stadtkurier zu erholen. Meistens wurde sie von ihrem Freund mit dem etwas eigenwilligen Vornamen Theophemus, allgemein Theo genannt, und dem auch in jedem anderen Fall entwürdigenden Nachnamen Elend, begleitet. Er arbeitete als Reporter bei der gleichen Zeitung wie Cornelia und hatte an diesem Wochenende einen Außendiensttermin, daher war sie dieses Mal allein unterwegs.
Seinen Namen verdankte Theo seinem vom griechischen Altertum besessenen Vater, der behauptete, Theophemus wäre ein antiker Königsname. Sein Sohn ertrug ihn (seinen Namen) inzwischen mit einer gewissen Schicksalsergebenheit, hatte sich aber nie bemüht, die Behauptung seines Vaters zu überprüfen. Er war auch überzeugt davon, dass kaum jemand anderes als sein Vater auf die Idee gekommen wäre, ihn nach einem griechischen König zu benennen, nicht nur wegen der Ungewöhnlichkeit dieses Namens. Theophemus´ Erscheinung, die sich bereits in seiner Kindheit andeutete, glich eher dem Typus eines germanischen Kriegers, als der vermutlich etwas kleinwüchsigen Gestalt eines antiken griechischen Staatslenkers. Auf einen Rauschebart verzichtete Theo jedoch, nicht zuletzt wegen des zu erwartenden Protestes seiner Freundin Cornelia. Keiner, der Theophemus Elend nicht persönlich kannte, hätte jedenfalls aufgrund seiner beiden Namen einen germanischen Hünen erwartet.
Cornelia war an diesem Wochenende also allein in die Wedemark gefahren, in das kleine Nest Weidlingen, nicht weit entfernt von dem mächtige 92 m hohen, bewaldeten Brelinger Berg. In diesem verschlafenen Ort hatten sie und ihr Freund sich ein unscheinbares Wochenendhaus inmitten eines weitläufigen, aber hoffnungslos verwilderten Gartens an einem nahen Waldrand gekauft. Da wirkte das kleine, wohnlich hergerichtete Holzhaus schon fast wie ein Fremdkörper auf dem Anwesen, wenn von der Straße auch dank der üppig wuchernden Vegetation nicht viel davon zu erkennen war. Bisher hatte der für jeden leidenschaftlichen Gärtner erbärmliche Zustand des Grundstückes die beiden nicht dazu bewegen können, an den Verhältnissen etwas zu ändern. Immerhin war die Zufahrt zu dem Haus noch passierbar. Die beiden waren aus dieser Sicht ganz froh darüber, dass es in unmittelbarer Nähe keine Nachbarn gab, die sich an diesem Anblick stören konnten.
In dem im Sinne des Wortes ziemlich heruntergekommenen Zaun auf der Rückseite des Grundstückes existierten noch die kläglichen Überreste einer Pforte, durch die man auf einen Pfad kam, der wiederum zu einem Waldweg führte, der dann in einen ausgedehnten Forst mit zahllosen breiten und schmalen Wegen führte. Auf ihnen konnte man stundenlang nach Herzenslust wandern, ohne unbedingt einen Weg zweimal benutzen zu müssen. Und dazu war Cornelia am späten Vormittag dieses Tages, nachdem sie lange geschlafen und ausgiebig gefrühstückt hatte, aufgebrochen.
Sie und ihr Freund hatten sich das Wochenendhaus erst im Herbst des vergangenen Jahres zugelegt, und bei ihren seltenen Besuchen im Winter waren die Witterungsverhältnisse und der Zustand der verschneiten und später oft vereisten Wege so wenig einladend gewesen, dass sie nur selten die Zeiten ihrer Anwesenheit für Spaziergänge genutzt hatten. Stattdessen hatten sie sich mehr um die Verschönerung des Inneren der Blockhütte gekümmert. Im Gegensatz zu Theo, der Cornelia, zumindest in vielerlei Hinsicht, recht gut kannte, und ihr von einem Kauf in der finsteren Jahreszeit erfolglos abgeraten hatte, hatte sie ihren Entschluss wie erwartet bald bereut. Doch als der Frühling kam, verbesserte sich ihre Gemütsverfassung hinsichtlich ihres Grunderwerbs, und die wieder aufkeimende Zustimmung zu ihrer Entscheidung ließ die aufgekommenen Zweifel verblassen. Außerdem trugen die Ergebnisse ihrer Renovierungsarbeiten dazu bei, dass Cornelia bald anfing, sich dort wohlzufühlen.
Und so kam es, dass sich die beiden in dem Wald hinter ihrem Grundstück nicht sehr gut, eigentlich gar nicht, auskannten.
Da war es kaum ein Wunder, dass sich Cornelia bis zum frühen Nachmittag hoffnungslos verlaufen zu haben schien. Aber es war ein sonniger und warmer Tag und sie machte sich zu dieser Zeit noch keine Sorgen darum, wie sie wieder zurückfand. Hätte es sie nicht wegen eines körperlichen Bedürfnisses in die Büsche verschlagen, wäre ihr der Stein wohl niemals aufgefallen. Und dass er ihr auffiel, lag daran, dass er irgendwie nicht so recht an den Ort passte, wo er stand. Cornelia war, ganz Frau und Mitarbeiterin einer Tageszeitung, ein neugieriger Mensch, und begann deshalb, den Stein zu untersuchen.
Eine besonders aufregende Entdeckung erwartete sie nicht, aber vielleicht konnte sie herausfinden, was die eingravierten Symbole bedeuteten. Anschließend würde sie den Stein genauso schnell wieder vergessen, wie sie ihn unerwartet entdeckt hatte, nämlich sehr – glaubte sie. Aber da täuschte Cornelia sich. Sie behielt ihn sogar sehr genau, wenn auch nicht in guter Erinnerung, weil ihre Entdeckung Ereignisse ins Rollen brachte, die, obwohl es sich furchtbar theatralisch anhört, ihr Leben veränderten. Aber so kam es nun einmal.
Während Cornelia mit dem Ast das Moos beseitigte, spürte sie plötzlich ein unbehagliches Kribbeln in ihrem Arm, als lief ein schwacher elektrischer Strom durch ihn hindurch. Erschrocken zuckte sie mit ihrer Hand zurück und ließ den Ast fallen. Im gleichen Augenblick verschwand das betäubende Gefühl. Ungläubig starrte sie abwechselnd auf den Findling und auf ihre Handfläche. Das war unmöglich. Sie hatte erst einen Teil der Zeichen freigelegt. Es waren tatsächlich Schriftzeichen, aber sie waren kaum noch lesbar. Das, was sie mit Mühe entziffern konnte, lautete: »† 10. April 1740« und eine Zeile darunter: »Von Wilderern erschlagen«. Ein Gedenkstein also, aber für wen?
Noch einmal nahm Cornelia den Ast in die Hand und all ihren Mut zusammen, um auch noch den Rest der Inschrift von dem Moos zu befreien. Das Kribbeln in ihrem Arm kehrte sofort zurück, aber dieses Mal war sie darauf vorbereitet. Es wurde nicht stärker, und sie stellte fest, dass es auch nicht unerträglich war, wenn auch allemal unangenehm. Sie beeilte sich, den Rest des Mooses zu entfernen, dann lag die Schrift frei:
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