„Es ist erwiesen, dass Sie sich nicht mit Ihren Nachbarn verstanden haben…“
„Nur mit den Zimmermanns nicht, mit allen anderen verstehe ich mich sehr wohl.“
„Trotzdem gibt es eine Verbindung zwischen den Taten und Ihnen…“
„Kommen Sie mir jetzt nicht schon wieder mit dieser Axt, die kann mir jeder entwendet und im Garten vergraben haben. Sie wissen sehr gut, dass das alleine für eine Anklage nicht ausreicht. Holen Sie mich hier endlich raus!“
„Das würde ich sehr gerne, aber mir sind momentan die Hände gebunden. Es gibt ein Beweisstück, das Sie in Verbindung mit dem Mord und der Körperverletzung bringt und das in Ihrem Haus gefunden wurde.“ Dr. Grössert schob ein Foto über den Tisch. Fuchs besah es sich genau.
„Das ist mein Jackett“, sagte er. „Was sind das für Flecken? Das ist nagelneu. Was…?“
„Blut von Josef und Olaf Zimmermann.“
„Aber wie …?“ Fuchs starrte Dr. Grössert fragend an.
„Das ist die Frage. Wie kommt das Blut beider auf Ihr Jackett?“
Fuchs war kreidebleich geworden. Jetzt verstand er die Beweiskette, die nur ihn als Täter zuließ. Er selbst wäre zu keinem anderen Ergebnis gekommen.
„Ich schwöre Ihnen, dass ich nichts damit zu tun habe.“
„Deshalb bin ich hier.“
„Herr Krohmer hat Recht gehabt, ich brauche einen Anwalt.“ Endlich unterzeichnete Fuchs die Vollmacht, wodurch er nun offiziell einen Verteidiger hatte. „Danke, dass Sie hier sind, Dr. Grössert. Unternehmen Sie alles in Ihrer Macht stehende, um mich hier rauszuholen, ich bin mit allem einverstanden.“
„Das höre ich gerne, denn ich habe eine Idee, die teuer werden könnte.“
„Sofern Sie nur den Funken einer Chance darin sehen, machen Sie es. Geld spielt keine Rolle.“
Dr. Grössert war irritiert. Der sonst so zurückhaltende, kühle und mürrische Mann flehte ihn geradezu an. Er schien endlich begriffen zu haben, dass seine Lage aussichtslos war.
Leo und Hans brauchten nicht klingeln, eine Frau erwartete sie bereits mit einem breiten Grinsen.
„Sie sind von der Polizei, stimmt’s? Ich bin Henriette Albrecht.“
Die beiden zeigten ihre Ausweise vor, die die Frau nicht interessierten.
„Dürfen wir Ihnen ein paar Fragen stellen?“
„Gerne! Ich wurde heute früh zwar schon befragt, aber der nette Polizist wollte nicht viel wissen. Ihm ging es nur darum, ob ich von den Verbrechen an den Zimmermanns etwas mitbekommen habe, was ich verneinte. Aber das wissen Sie ja, Sie kennen sicher meine Aussage. Ich hätte dem jungen Mann gerne mehr erzählt, aber er schien in Eile, was ich verstehen kann. Das ist alles so aufregend! Sie müssen wissen, dass ich ein riesiger Fan von Krimis bin, sowohl von Filmen, als auch von Büchern. Ich liebe es, wenn man nicht weiß, wer der Täter ist.“
„Dürfen wir reinkommen?“, fragte Hans mit einem charmanten Lächeln. Die Frau vor ihm war weit über siebzig, aber noch recht rüstig für ihr Alter. Sie war über und über mit Schmuck behängt, der nicht nur glitzerte und funkelte, sondern bei jeder Bewegung laut klimperte. Und sie bewegte sich viel, denn beim Sprechen redete auch der Körper mit.
„Entschuldigen Sie meine Manieren! Bitte, kommen Sie herein, ich mache uns Kaffee. Setzen Sie sich in den Wintergarten, dort brennt ein wärmendes Feuer. Das ist mein liebster Platz im Haus. Als mein Mann noch lebte, war er immer gegen einen Wintergarten. Auch von einem offenen Kamin war er partout nicht zu überzeugen. Nach seinem Tod konnte ich mir meinen Traum erfüllen. Mein Mann war ein ganz lieber und ich vermisse ihn sehr. Er hatte einen tiefschwarzen Humor und teilte die Krimileidenschaft mit mir. Allerdings war er Neuem gegenüber immer sehr skeptisch.“ Die Frau redete ohne Punkt und Komma. Sie ging einfach weiter in die Küche und redete lauter.
Leo und Hans setzten sich in den gemütlichen Wintergarten.
„Der Kaffee kommt gleich. Bitte setzen Sie sich doch“, sagte Frau Albrecht und strahlte die Beamten an. „Legen Sie los. Stellen Sie Ihre Fragen.“
„Ist Ihnen zu dem, was heute Nacht geschah, noch irgendetwas eingefallen?“
„Nein, ich habe wirklich nichts davon mitbekommen. Der Anruf meines Nachbarn hat mich geweckt. Bis ich zum Fenster kam, war schon fast alles vorbei.“ Sie schüttelte den Kopf. „Der alte Zimmermann ist tot und der Olaf ist verletzt. Es musste ja irgendwann so weit kommen, mich wundert das nicht.“
„Wie müssen wir das verstehen?“
„Sie wissen nicht, dass sich die beiden, wenn sie gesoffen haben, ständig an die Gurgel gegangen sind? Ein Geschrei war das immer, das können Sie sich nicht vorstellen. Die haben sich nicht nur in ihrem Haus, sondern auch im Garten und auf der Straße geprügelt. Wenn die so richtig in Fahrt waren, konnte man die nicht trennen. Mein Mann hatte es einmal versucht, so wie Karl, Lutz und sogar der schmächtige Wolfi. Aber dann haben die Zimmermanns auch auf die Streitschlichter eingeprügelt. Wir haben uns in den letzten Jahren alle zurückgehalten, nur der Fritz, also Herr Fuchs, hat den Zimmermanns immer die Stirn geboten. Der hat sich nichts gefallen lassen, den haben die Drohungen nicht eingeschüchtert.“
„Karl, Wolfi und Lutz?“
„Meine Nachbarn. Der Karl wohnt in der Nummer drei, der Wolfi in der vier und der Lutz in der zwei. Sie werden meine Nachbarn ja persönlich kennenlernen. Sie werden sie ja auch noch einmal vernehmen?“
„Befragen, Frau Albrecht, nicht vernehmen.“
„Stimmt, das ist ein Unterschied, den ich immer durcheinanderbringe. Für mich ist das nicht wichtig, rechtlich vermutlich schon. Es ist besser, Sie wenden sich wegen den Zimmermanns direkt an Fritz. Sie waren doch vorhin an seinem Haus. War er nicht zuhause? Ich habe ihn heute noch nicht gesehen. Er arbeitet immer so viel und kann das hübsche Haus und den wunderschönen Garten kaum genießen. Ich weiß bis heute nicht, was er macht, aber das geht mich auch nichts an. Ich habe ein persönliches Anliegen, das ich dringend mit ihm besprechen muss. Ist er nicht da?“ Sie stand auf und trat ans Fenster. „Fritz müsste da sein, sein Wagen steht in der Einfahrt.“
„Nein, Herr Fuchs ist nicht zuhause. Und er kommt vermutlich auch so schnell nicht wieder.“
„Wie muss ich das verstehen?“ Jetzt war die geschwätzige Frau zum ersten Mal sprachlos. Sie starrte Hans an, der die Unterhaltung mit ihr führte, während sich Leo jede Menge Notizen machte.
„Herr Fuchs wurde verhaftet. Er steht in Verdacht, Josef Zimmermann ermordet und dessen Sohn Olaf verletzt zu haben.“ Hans war kurz davor, der Frau zu verraten, dass Fuchs ein Kollege war, unterließ es aber.
„Fritz soll das getan haben? Nie im Leben! Der liebe Mann ist doch nicht gewalttätig. Ich bewunderte ihn immer dafür, wie er den beiden die Stirn bot und sich nicht aus der Ruhe bringen ließ, auch wenn er noch so provoziert wurde. Sie müssen mir glauben, dass der Mann nicht der Täter ist!“ Frau Albrecht schien Hans geradezu anzuflehen, ihr zu glauben.
„Wir stehen erst am Anfang unserer Ermittlungen und suchen nach jedem kleinen Hinweis, der uns weiterhelfen kann.“
Die alte Dame stand kopfschüttelnd auf und ging in die Küche, um den Kaffee zu holen. Als sie das Tablett auf den Tisch stellte, war sie immer noch außer sich.
„Wir sind jetzt hier und werden die ganze Sache aufklären, darauf können Sie sich verlassen“, mischte sich nun Leo ein.
„Danke, das beruhigt mich etwas“, lächelte sie nun auch. Sie tranken von dem viel zu starken Kaffee, den Leo nur mit sehr viel Zucker und noch mehr Milch runterschlucken konnte. Frau Albrecht schien der Kaffee nichts auszumachen.
„Sie haben einen herrlichen Blick auf das Grundstück von Herrn Fuchs. Konnten Sie in den letzten Tagen irgendetwas beobachten, was Ihnen merkwürdig vorkam?“
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