1 ...6 7 8 10 11 12 ...15 Ich öffne meine Augen und sehe auf meine Füße. Langsam wird mir kalt, darum steige ich einen Schritt aus dem Wasser. Die Gedanken an das Erlebte haben mir ein ordentliches Herzklopfen beschert, das sich verstärkt als ich Schritte hinter mir höre und mich umdrehe.
„Servus Teresa.“
Markus bleibt mit einem Handtuch unterm Arm und seiner Schwimmbrille in der Hand neben mir stehen. Ich sehe ihn verdutzt an. Gerade noch war ich in Gedanken mit ihm im Bett und jetzt steht er neben mir. Zuviel für mich. Ich ringe verdutzt nach Worten.
„Hallo…“
Er zieht sich sein Shirt über den Kopf und die Shorts aus, was ich immer noch perplex verfolge. Definitiv zu viel auf einmal für mich.
„Was machst du denn?“
„Ich muss ein paar Einheiten schwimmen, sonst werde ich noch wahnsinnig“, erklärt er mir.
„Aha…Das Wasser ist doch viel zu kalt?“
„Das geht schon, ich bewege mich ja.“
Ich nicke, mein Blick hängt an seinem Körper. Er hat sich nicht viel verändert, vielleicht ist er ein bisschen männlicher geworden, aber seine Haut ist immer noch so makellos wie ich sie in Erinnerung habe. Mein Mustern scheint ihm nicht zu entgehen, er kratzt sich verlegen am Kopf. Immer noch ein wenig schüchtern also…
„Ähhm…ich wollte auch gerade gehen…lass dich von mir nicht aufhalten…“, stammle ich verlegen darüber, dass er meine Blicke bemerkt hat.
„Nein musst du nicht. Es ist schön dich zu sehen. Setz dich doch da drüben in den bequemen Stuhl an der Wand und genieß die Sonne noch ein bisschen. Du kannst mir zusehen wenn du magst.“
Ich zucke mit den Schultern. Besser wäre es abzuhauen, aber etwas in mir wehrt sich gegen meine Gedanken.
„Ok…Wenn du nichts dagegen hast?“, antworte ich darum.
Er schüttelt den Kopf. „Nein, ganz im Gegenteil.“
Also bleibe ich. Ich sehe ihm zu. Von einer Sportverletzung erkenne ich auch jetzt nichts, aber ich verstehe auch nichts davon. Es sieht jedenfalls sehr professionell aus wie er seine Längen zieht. Langsam erwärmen sich auch meine Füße an den Sonnenstrahlen wieder. Er schwimmt einige Male an mir vorbei, ist aber sehr in seinem Training versunken. Ich überlege was ich hier eigentlich mache. Ich sollte gehen. Ja, das wäre besser. Ich gehe. Gerade als ich aufstehe, kommt er aus dem Wasser und schnappt sich sein Handtuch.
„Warte noch…Ich trockne mich nur ab“, ruft er herüber.
Ich seufze und lehne mich an die Holzwand. Jetzt bemerke ich allerdings dass er eine komische Schonhaltung beim Gehen einnimmt. Ich schätze das Knie macht ihm ziemliche Schmerzen. Er verschwindet im Bootshaus und kommt recht schnell wieder heraus, abgetrocknet und umgezogen.
„Boa…das Wasser ist wirklich kalt…“, jammert er und sucht noch ein paar Sonnenstrahlen die langsam rar werden.
„Hab ich ja gesagt…“, murmle ich.
Er sieht mich an. Länger als ich es aushalte, darum senke ich meinen Blick.
„Du schaust müde aus“, stellt er fest.
Ja, sicher sehe ich müde aus. Ich habe tagelang nur mehr stundenweise geschlafen und seit ich weiß, dass er hier ist wurde das nicht besser.
„Ich habe ein paar anstrengende Wochen hinter mir“, seufze ich.
Er nickt. Bevor er weiter fragt, was ich nicht will, frage erst einmal ich etwas.
„Was ist denn mit deinem Knie?“
„Eine Überbelastung der Bänder. Das verfolgt mich schon das ganze Jahr und momentan ist es echt schlimm.“
„Kann man das nicht mit Physiotherapie oder so in den Griff bekommen?“
„Doch schon, aber das ist langwierig und momentan hab ich keine Energie mehr dafür.“
Ich sehe ihn überrascht an. So kenne ich ihn gar nicht. Er wirkt so kraftlos und entmutigt.
„Warum denn? Was hast du denn?“
Wahrscheinlich klang das jetzt besorgter, als ich es heraus bringen wollte.
Er seufzt und schließt kurz die Augen.
„Ich schwimme jetzt seit über fünfzehn Jahren ununterbrochen. Im Winter hatte ich wochenlang eine Mittelohrentzündung und jetzt seit fast vier Monaten das Knie. Bei mir ist momentan einfach die Luft draußen.“
„Klingt nicht gut.“
„Nein.“
„Und du glaubst hier am Land wird das besser?“
Er schüttelt den Kopf. „Aber hier habe ich meine Ruhe. Ich bin sozusagen abgerissen.“
Ich ziehe ungläubig die Augenbrauen hoch. „Echt?“
Jetzt lächelt er. „Ja echt.“
Wieder sieht er mich länger an als ich es aushalte.
„Wo warst du denn die letzten Jahre? Ich hab dich nie mehr gesehen“, sagt er leise und mit leicht gesenktem Blick.
Mir wird ein bisschen heiß. Weg. Ich war weg. Einfach weg.
„Lange Geschichte.“
Mehr will ich dazu nicht sagen, darum beginne ich schnell meine Socken und Schuhe anzuziehen.
„Hab ich was Falsches gesagt?“, meint er fast entschuldigend.
Ich schüttle den Kopf. „Nein, ich muss nach Hause und du solltest zusehen, dass du dich nicht erkältest, es wird frisch.“
Seine Mundwinkel verziehen sich merkwürdig. Ich denke, dass ich gerade sehr nach Mama geklungen habe.
„Teresa…können wir vielleicht reden?“, sagt er dann recht tonlos.
Ich sehe vom Schuhbandzubinden auf. „Worüber denn?“
„Wir sind nicht gerade freundschaftlich auseinander gegangen.“
Ich zucke mit den Schultern. „Du warst sehr jung, ich ein bisschen naiv und alles ist lange her. Wir müssen über nichts reden.“
„Mir tut es aber weh, wenn ich dich anschaue und daran denke. Nur reden Teresa. Bitte.“
Er sieht mich bedrückt an. Ich halte diesen Blick kaum aus. Ja…mir tut es auch weh. Ich kenne den Tonklang seiner Stimme, es erinnert mich an seine entschuldigenden Worte von damals, als er sich für seine Freunde rechtfertigte.
„Außerdem bräuchte ich einen ordentlichen Haarschnitt. Das ließe sich doch verbinden, was meinst du?“
Jetzt lächelt er ein bisschen und strubbelt sich dabei durch die feuchten Haare. Na ja…ein wenig nachschneiden würde wirklich nicht schaden.
„Ich überleg es mir…“, seufze ich.
Ganz zufrieden scheint er über meine Antwort nicht und ehrlich gesagt meine ich auch nicht wirklich was ich sage. Ich will nicht wieder alles aufwirbeln und mich damit beschäftigen. Vorbei. Es ist zu Ende und vorbei.
„Du weißt wo du mich findest, entweder hier, oder oben im Haus“, noch einmal lächelt er mich schüchtern an.
Ich nicke und sehe noch einmal zu ihm auf. Es fällt mir schwer ihn so stehen zu lassen und trotzdem gehe ich. Zielstrebig und schnell. Ohne zurück zu sehen.
Ich hatte unseren gemeinsamen Sommer recht gut verdrängt in den letzten Jahren. Verdrängt aber nicht vergessen. Ich werde es nie vergessen können, dafür war es einfach zu schön. Es war mehr als eine Affäre, Sex oder was auch immer. Ich fühle mich ganz komisch in seiner Gegenwart, es wäre am Einfachsten zu beschließen ihn zu vergessen, aber das gelingt mir nicht. Es wird mir nie gelingen, auch wenn es besser so wäre. Nachdenklich gehe ich nach Hause. Nein ich gehe nicht, ich schlurfe. Kraftlos und müde fühle ich mich. Ein Wagen der mir entgegen kommt lässt mich aufschauen. Ich seufze tief durch. Auch das noch. Das Auto hält neben mir, die Scheibe geht hinunter. Anton sieht mich breit grinsend an.
„Grüß dich Resi! Wo läufst du denn herum? Ich war bei euch am Hof, aber da herrscht gähnende Leere.“
„Servus. Ja meine Eltern sind mit Maxi unterwegs und Leopold wird auf irgendeinem Weinberg sein denke ich.“
„Ach so. Warum meldest du dich denn nie? Ich hab doch gesagt du sollst mal vorbei kommen?“
Jetzt versuche ich das Seufzen zu unterdrücken. Ich will ihn nicht unbedingt besuchen, ich wüsste nicht wozu, darum zucke ich nur mit den Schultern.
„Soll ich dich nach Hause fahren?“
Читать дальше