Die gemeinsame Jause war wirklich nett und hat länger gedauert als erwartet. Wir haben zwei Flaschen Wein geleert und uns sehr gut unterhalten. Ich habe gerade Maxi ins Bett gebracht, weil es inzwischen wirklich spät geworden ist. Auch heute ist er wieder schnell eingeschlafen. Als ich wieder nach unten komme, will auch Anton gerade fahren. Ich begleite ihn noch nach draußen und gehe ein Stück mit ihm über den Hof bis zu seinem Wagen.
„Kannst du auch sicher noch fahren?“, frage ich verantwortungsbewusst.
„Sicher. Es ist ja nicht weit.“
„Darum geht es nicht. Wenn du ein guter Vater sein willst musst du ein Vorbild sein.“
Keine Ahnung warum ich das jetzt gesagt habe, vermutlich habe ich zu viel Wein getrunken. Er lächelt mich überrascht an, ich nehme ihm aber sofort den Wind aus den Segeln.
„Das war rein rhetorisch Anton, dass ich das gesagt habe bedeutet noch gar nichts.“
Er nickt lächelt aber immer noch.
„Du denkst darüber nach. Das gefällt mir.“
Er lehnt sich an die Wangentür und durchbohrt mich förmlich mit seinem Blick. Ich verschränke meine Arme und seufze.
„So einfach ist das nicht…“
Er kommt auf mich zu und bleibt sehr knapp vor mir stehen.
„Doch, es ist so einfach. Mach es nicht komplizierter als nötig.“
Kurz steht er so vor mir, dann streicht er mir eine Haarsträhne zurück und küsst mich sanft. Ohne Zunge oder so, das hätte ich gar nicht zugelassen, aber seine Lippen berühren meine. Ich bin kurz geschockt und weiche einen Schritt zurück. Er schließt seine Augen und atmet durch.
„Genau das fehlt mir Resi…Genau das…“
Ich schnappe nach Luft. „Echt Anton? Nach allem was ich dir angetan habe? Bist du dir wirklich sicher?“
Er verdreht die Augen. „Was hast du mir denn angetan?“
„Ich habe dich betrogen und verlassen und selbst danach wolltest du es noch einmal versuchen, sogar kurz bevor ich nach Deutschland gegangen bin. Immer wieder hab ich dich zurück gewiesen.“
Seufzend zuckt er mit den Schultern. „Das ist doch jetzt egal, es ist eine ganz andere Situation.“
Ich blicke zu Boden.
„Ich bin mir sicher Resi.“
„Du musst mir Zeit geben.“ Ich sehe wieder auf. „Ich brauche Zeit.“
Er nickt und greift nach meiner Hand. Dann küsst er mich noch einmal. Jetzt intensiver, fast als wolle er mir demonstrativ zeigen, was er für mich empfindet. Ich lasse es zu, auch wenn ich dabei nicht fühle was ich fühlen sollte. Es ist zwar schön und vertraut, aber mehr auch nicht. Noch einmal streicht er durch meine Haare.
„Darf ich jetzt fahren, oder muss ich zu Fuß gehen?“, fragt er mit einem scheinbar zufriedenen Lächeln.
„Los fahr schon…“, sage ich kopfschüttelnd.
„Kommst du morgen Nachmittag mit Maxi vorbei? Jonas würde sich sicher über einen Spielpartner freuen.“
Ich nicke. „Wird sich schon ausgehen.“
Dann fährt er. Mein Herz fühlt sich komisch an. So als hätte ich etwas Verbotenes getan, aber vermutlich war es momentan das einzig richtige.
Jetzt denke ich schon über zwei schier unlösbare Dinge nach. Anton der sich unglaublich um meine Gunst bemüht und Markus, der zwar nichts mehr von mir will, aber mir nicht aus dem Kopf geht, auch wenn ich ihn gar nicht wieder sehen möchte. Glaub ich zumindest. Ich versuche einmal alles richtig zu machen. Darum bin ich der Einladung von Anton gefolgt. Maxi und Jonas spielen ausgelassen im Hof, während ich mit Vroni plaudere. Ich habe Kuchen mitgebracht, selbstgemachte Biskuit Roulade, gefüllt mit Mamas Marillenmarmelade. Vroni stellt das Tablett mit dem Kaffeegeschirr auf den Tisch im Garten, ich helfe ihr beim Aufdecken.
„Schön, wenn du jetzt öfter vorbei kommst. Jonas und Maxi verstehen sich echt gut.“
Ich nicke. „Jonas kommt ja im Herbst schon in die Schule. Ich bin gespannt wie es Maxi im Kindergarten gefällt.“
„Bestimmt gut. Die Kindergartentanten sind echt nett und die machen auch richtig viel, die bereiten die Kinder toll auf die Schule vor.“
Kindergarten…Schule…Oh mein Gott…Maxi ist schon so groß geworden, das ist unglaublich schnell gegangen. Es fällt mir wirklich oft schwer das zu akzeptieren. Für mich ist er immer noch mein Baby. Vroni ruft Anton auch zum Kaffee, ich glaube sie hat schon gemerkt, dass er sich um mich bemüht. Ich weiß immer noch nicht wie ich das finden soll. Er werkelt etwas im Hof, kommt aber gleich, nachdem sie ihn gerufen hat. Mich wieder anlächelnd nimmt er gegenüber von mir Platz. Der Kuss von gestern Abend schießt wieder in meine Gedanken. Ein Kribbeln oder Herzklopfen vermisse ich aber weiterhin, trotzdem erwidere ich sein Lächeln. Anton lobt meine Roulade, die auch wirklich sehr gut schmeckt.
„Du hast echt alles was man sich als Mann wünschen kann, hübsch, Bombenfigur und kochen kannst du auch noch“, schwärmt er.
Mir ist das fast zu viel. So kenne ich ihn gar nicht und es ist auch nicht nötig. Verlegen schaue ich in meine Kaffeetasse. Vroni grinst. Ein lautes Schreien gefolgt von ebenso lautem Weinen erschreckt mich dermaßen, dass mir die Tasse fast auskommt. Ich springe auf und schaue suchend über den Hof. Maxi liegt am Boden und schreit immer noch. Hysterisch laufe ich hin. Als er mich sieht, streckt er sofort seine Arme nach mir aus, ich hebe ihn hoch, sein Knie blutet.
„Was ist denn passiert?“, frage ich und versuche Ruhe zu bewahren.
„Er ist glaub ich gestolpert…“, erklärt mir Jonas mit weit aufgerissenen Augen.
Maxi weint bitterlich in meine Schulter, ich reibe tröstend über seinen Rücken als auch schon Vroni angelaufen kommt.
„Oh au weh…das müssen wir sauber machen…“, stellt sie fest.
Wir gehen ins Haus verflogt von Antons Blicken, die ich nicht richtig einschätzen kann. Im Badezimmer setzte ich Maxi ab und sehe mir das Unglück an. Eine ordentlich blutende Wunde am Knie leuchtet mir entgegen. Da sind ein paar kleine Steinchen drinnen, die müssen raus. Er weint immer noch bitterlich, aber nicht mehr ganz so laut. Ich streiche beruhigend durch seine Haare.
„Ich mach das nur ein bisschen sauber und dann tun wir gleich ein Pflaster drauf, einverstanden?“
Vroni reicht mir das Wundspray und eine Kompresse zum Sauber machen. Jetzt beginnt Maxi hysterisch zu schreien und treten.
„Nein…Nein…Mama…“
„Maxi…beruhig dich bitte, das tut nicht weh, versprochen.“
Wieder versuche ich ihn zu beruhigen, wieder schreit und tritt er hysterisch und erwischt auch mich dabei.
Auf einmal steht Anton hinter mir und legt seine Hand auf meine Schulter.
„Maxi mach nicht so ein Theater, du tust deiner Mama doch weh, hör jetzt auf!“
Das sagt er recht laut und bestimmt, was sehr befremdlich für mich klingt.
Ich drehe mich um. „Ich mach das schon.“
Dann wende ich mich wieder zu meinem Kind, nehme ihn fest in den Arm und streiche über seinen Rücken.
„Ist schon gut…Du musst keine Angst haben, ich verspreche dir, das tut nicht weh.“
„Geh Resi was soll denn das? So ein Drama wegen einem blutigen Knie. Der Maxi ist ein Junge und kein Baby mehr. Willst du ein komplettes Weichei aus ihm machen?“
Da ist er wieder, der Bestimmer und Bevormunder aus meiner Erinnerung. Das ist zu viel. Niemand sagt mir wie ich mit meinem Kind umzugehen habe. Ich drehe mich zu Anton.
„Raus jetzt! Ich mach das allein“, sage ich scharf.
Ich sehe ihn sehr ernst an, er zieht die Augenbrauen hoch und weicht einen Schritt zurück, sagt aber nichts. Dann geht er. Beleidigt wie mir scheint, aber das ist mir egal. Wie erwartet beruhigt sich Maxi nach ein paar Minuten und ich darf das Knie sauber machen und ein Pflaster drauf tun. Ich bin jetzt zwar überall mit Blut voll und mein Shirt ist von seinen Tränen ganz nass, aber das macht nichts. Schnell wasche ich ihm noch die Hände und das Gesicht, bevor wir wieder in den Hof gehen.
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