Die Bäume säumten in zartem Grün das Flussufer. Die Sonne gab sich Mühe, die Farben der Akazien in besseres Licht zu stellen. Akazien. Wundersame orangefarbene Blüten mischten sich zwischen die Zweige. Als Kind hatte er dieses Farbenspiel von Grün und Orange bewundert, wenn er stundenlang auf einem Baum saß und die verschiedenen Schattierungen von Licht und Farben betrachtete. Damals, als sie in Camp de Cäsar wohnten, lebte seine Mutter noch. Er saß auf dem Baum und wartete, bis sein Vater heimkehrte. Schon von weitem konnte er ihn an seinem Basthut und den ölverschmierten Schlotterhosen erkennen. Alle Menschen nannten seinen Vater Chawaga. Das Wort bedeutete "Ausländer". Es war eine respektvolle Anrede für alle, die in diesem für sie fremden Land gestrandet waren. Hier, in Ägypten, dachte keiner daran, seine Heimat auch nur für eine Sekunde zu verlassen, deshalb hegten die Leute auch so große Achtung für jene, die einen solchen Schritt gewagt hatten. Außerdem waren Ausländer oft die Herren des Landes.
Wie oft würde er noch an den wunderschönen Akazien vorbeigehen und das Spiel zwischen Licht und Schatten, Grün und Orange nicht bemerken! Der Alltag lastet auf einem, versperrt den Weg zu den Schönheiten der Natur. O ja, verschwenderisch bringt die Natur die Anmut dieser Welt hervor. Wagdi lächelte verstohlen und halb ironisch.
Einige Schiffe legten an, und die Lastenträger gingen daran, die Schiffe zu entladen. Auf anderen Schiffen war man bereits mit der neuen Ladung beschäftigt, Getreide und Reissäcke, tönerne Wassertöpfe, Zuckerrohr, Baumwollballen. Der Schweiß lief den Arbeitern übers Gesicht. Ein Mann schleuderte Körner in die Luft und übertrug dem Wind auf diese Weise die Aufgabe, Spreu von Weizen zu trennen. Was mochten das für Körner sein? Getreide, Sesam, Samen von Klee oder weißen Bohnen? Wagdi konnte es nicht erkennen. Sein Vater hatte früher, wenn auch nur für kurze Zeit, mit Zuckerrohr und Getreide gehandelt. Damals hatte er erst ein paar Monate in Ägypten gelebt. Irgendjemand musste ihm erzählt haben, dass man in Hefna reich werden könne, und vielleicht hatte Georg Amalrikian deshalb den Entschluss gefasst, seinem noch ungeborenen Sohn den Namen dieser Stadt zu geben.
Ein anderer Mann rüttelte und schüttelte ein Sieb. Wagdi machte einen Bogen, um nicht den Staub ins Gesicht zu bekommen. Kleine schwarze Steine lagen auf dem Boden, und nicht weit entfernt türmten sich kurze Halme zu einem kleinen Haufen.
Eine Frage ging ihm nicht aus dem Kopf: Wer ist Arosi? Irgendjemand beobachtet mich, überlegte er. Und was hatte es mit dem Briefschreiber auf sich? Will jemand meine Aufmerksamkeit in eine andere Richtung lenken? Will man mich irreführen? Wer treibt sein Spiel mit mir? Ich muss vorsichtig sein, ich darf keine Fehler machen. Bekir fiel ihm wieder ein. Vielleicht wusste er von vornherein Bescheid und hat deshalb alles unleserlich geschrieben.
In seinem Dienstzimmer fand Wagdi das Fenster offen, wahrscheinlich schon seit Tagen. Eine dünne Staubschicht überzog die Akten, die Dossiers, die Blätter, die lose auf dem Tisch lagen. Bisweilen erschien ein Mann zum Putzen, aber durch ihn wurde der Staub lediglich anders verteilt. Warme, feuchte Luft drang vom Fenster herein. Er versuchte es zu schließen, vergeblich, die Scharniere waren hoffnungslos verrostet.
Er ging hinunter und fragte den Hausmeister, wer für Reparaturen zuständig sei. "Niemand", lautete die Antwort.
"Aber in meinem Zimmer schließen die Fenster nicht", erklärte Wagdi.
"Viele Fenster im Haus gehen weder auf noch zu. Einige Türen lassen sich nicht einmal abschließen. Trotzdem hat sich bisher niemand beschwert", meinte der Portier geduldig.
"Ich habe Geheimakten in meinem Zimmer. Sie könnten durch das Fenster entwendet werden", wandte Wagdi ein.
"Sie können einen Reparaturantrag stellen und ihn an das Amtsgericht in Mansoura weiterleiten."
"Ich bitte Sie, das ist eine einfache Reparatur!", protestierte Wagdi.
"Es ist trotzdem üblich, dass das Amtsgericht solche Anträge genehmigt. Das müssen Sie als Staatsanwalt doch wissen!"
Musste er sich das gefallen lassen? O nein, er sollte den Mann in seine Schranken weisen. "Was für einen Ton erlauben Sie sich!", müsste er schreien, und: "Wissen Sie nicht, mit wem Sie sprechen? Hüten Sie sich, jemals wieder in diesem Ton mit mir zu reden!" Ja, das müsste er sagen, nur tat er es nicht. Dabei wusste er sehr genau, dass er sich von niemandem, weder von Hassan Wassan noch von diesem Zidan noch von diesem Portier solche Unverschämtheiten gefallen lassen sollte. Bedrückt stieg er die Treppe wieder hinauf.
Er setzte sich an den Tisch, um seiner Braut einen Brief zu schreiben. Für diesen Zweck trug er in seiner Aktentasche extra feines Papier mit sich herum. Manchmal nutzte er sogar die Fahrt im Zug und berichtete ihr von seinen Eindrücken.
"Liebe Wedad!", schrieb er schwungvoll in seinem Büro sitzend.
In diesem Augenblick glitt auf dem Fluss ein Schiff vorbei. Es war mit tönernen Wasserbehältern beladen. Die birnenförmigen Gefäße türmten sich pyramidenförmig auf, waren auf sonderbare Weise ineinander verschlungen, genauer gesagt verkeilt. Eine Öffnung war jeweils von mehreren Böden umgeben und ein Boden dann wieder von mehreren Öffnungen. An der einen Seite der stumpfen Pyramide waren die Öffnungen rund, auf der anderen Seite oval. Die Geometrie folgte dem Gesetz von Licht und Schatten.
Als das Schiff aus seinem Blickfeld zu entschwinden drohte, erhob er sich und beobachtete, wie es mit geblähtem Segel gen Norden weiter trieb. Er kehrte zum Schreibtisch zurück.
"Liebe Wedad!" Und weiter? Was sollte er schreiben?
Ein kleines Boot, dessen Segel leicht im Wind flatterte, trieb scheinbar ziellos umher. Der Mann am Ruder war er alt oder jung? Warum saß er allein im Boot? Es klopfte. Ein Polizist trat ein und übergab ihm ein Schreiben.
"Dr. Karim Ackawi", las er, "der Sohn des Bürgermeisters, ist seit drei Tagen verschwunden. Niemand weiß, wo er sich aufhält. Wir nehmen an, dass er entführt wurde." Die Unterschrift lautete: Helmi Ayyas, Stationsoffizier
Wagdi schaute auf. "Ich war doch eben im Polizeirevier. Warum hat mir keiner etwas davon erzählt?"
"Wir haben es gerade jetzt erfahren", erwiderte der Polizist verlegen.
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