Axel Hacke
Das Beste aus meinem Leben
Mein Alltag als Mann
Verlag Antje Kunstmann
Für Ursula und David
»Bügäln!« 5
Findst du mich denn gar nicht bello? 8
Ein Kühlschrank hat Angst 11
Eine plötzliche Erkrakung 14
Leider nein 17
Blau macht mich so blass 20
Als ich die Bademeisterin fraß 23
Woher kommen die Buchstaben? 26
Wurst 29
Vorhangstangen sind eigentlich doch schön 32
Quauteputzli 35
Hoffentlich behandeln sie uns gut 37
Nachrichten aus dem Flachland 40
Schill und Schiller 43
Na denn 46
Verspannt in alle Ewigkeit 49
Sieht denn keiner uns’re Qual? 52
Können Kühlschränke lieben? 55
Und wo sind die Pinguine? 58
Wegschmeißer und Behalter 61
Wie darf ich es dir machen? 64
Wie fragt man eine Mailbox ab? 66
Versuch über die Müdigkeit 69
Das Geräusch der Unordnung 72
Das Geheimzahlengrab 75
Als ich meinen Kühlschrank küsste 78
Eland 81
Warum ich keine Katze bin 84
Absturz 87
Der Wörterhändler 90
Ich habe das Grauen gesehen! 93
Jesus Beuys 96
Der Große Gesundheitsberater 99
Mach ma dodici 102
Von Wheelmäusen und Menschen 105
Watte hatte ich da 108
Kino, Kino 111
Der Erlediger 114
Mein Leben bringt mich um 117
Der neue Schrank 120
Geldsaft 123
Warum ich das Grillen hasse 126
Eine kleine Herde von Maschinen 129
Große Männer – kleine Männer 132
Falsche Schlangen 135
Wozu ich da bin 138
Servierpolizei 141
Ich kotz’ gleich 144
Ein schimmelblauer Gorgonzola GTI 147
Amerika 150
Von Opti- und Pessimisten 153
Der riesengroße Wahnsinnsstreit 156
Orlando, der Vielfache 159
Wie man glücklich wird 162
Nur einfach mal wohnen wollen 165
Ein Taxifahrerquäler gesteht 168
Reist Herr Hacke in den Süden 171
Wutbomben und Liebesraketen 174
Entscheidungsschwach, ach! 177
Was nach dem Tod kommt – und was davor 180
Männer und Frauen 183
Die Macht der Gewohnheit 186
Die Christbaumkugel 189
Bosch, mein weißer Bruder 192
Als ich auf dem Balkon wohnte 195
Ochsenkäse 198
Cool 201
O Speichelsteinpein! 204
Als es noch Fahrstuhlführer gab 207
Der neue Bademantel 210
Die Liebe in den Sümpfen des Alltags 213
Wollte mich nur mal melden 216
Deutschalienisch 219
München: exuberant, vibrant, tranquil 222
Mein kleines gelbes Schicksal 225
Ein Mann ohne Geruch 228
Können Kühlschränke träumen? 231
Doktor Leibtrost 234
Warum ich Buffets nicht mag 237
Die große Suche 240
Der Feuertopf 243
Der Aldiwagen 246
Malcolm, you sexy thing! 249
Wein oder Nichtwein 252
Das Beratungstaxi 255
Achtung! Huch! Buch! 258
Wenn man im »Roten Ochsen« isst 261
Ich sehe was, was du nicht siehst 264
Der Trainer 267
Vom unaufhaltbaren Vordringen des Apostroph’s 270
Aus wessen Schoß geht das Eis hervor? 273
Wenn es weihnachtet 276
»Sie sind ja sooo wichtig! 279
Wenn du dann noch lebst… 282
Manchmal wache ich nachts auf, der Rücken tut mir weh, ich bin steif wie ein Brett und schweißgebadet und denke, ich schaffe es alles nicht, die viele Arbeit und die Familie und die ganze Verantwortung und das Geldverdienen – ich schaffe es nicht.
Warum kann ich nicht einen Schreibwarenladen haben, denke ich dann, einen kleinen Schreibwarenladen, in den die Leute hereinkommen und aus dem sie wieder herausgehen? Dazwischen kaufen sie etwas und lassen dafür ein bisschen Geld da, und ansonsten herrscht Ruhe. Oder warum besitze ich nicht eine Heißmangel, wo es den ganzen Tag nach frischer Wäsche riecht, und abends um halb acht sperrt man zu und geht nach Hause, und Schluss und Tagesschau?
Das sei ja wohl nicht mein Ernst, sagt Paola dann zu mir: Was wüsste ich denn von den Problemen der Schreibwarenverkäufer und Heißmangelbesitzer!? Ich solle nicht immer nach Sicherheit und Ruhe suchen im Leben, sagt sie, ich solle es endlich einmal als Herausforderung sehen. »Das Leben«, rief sie einmal nachts, »ist ein Abenteuer.« Dann nahm sie mich in den Arm und tröstete mich und sagte, ich würde es schon schaffen, alles.
Manchmal wache ich auf, weil mein Sohn schreit, Luis. Er ist gerade zwei Jahre alt, und dann und wann wird er wach und ist ganz verschwitzt und schreit einfach so, und dann und wann schreit er auch nicht einfach so, sondern er schreit: »Bügäln!«
Es hört sich vielleicht komisch an, aber Bügeln ist seine Lieblingsbeschäftigung, jedenfalls das, was er für Bügeln hält. Man holt das Bügeleisen aus dem Flurschrank und das Bügelbrett dazu, und dann bügelt er mit dem kalten Eisen ein Stück Stoff, immer das gleiche Stück Stoff, täglich ungefähr hundertmal.
Neulich ist er mitten in der Nacht aufgewacht und hat »Bügäln!« gebrüllt, und Paola ist zu ihm gegangen, um ihn wieder in den Schlaf zu singen, aber er wollte nicht in den Schlaf gesungen werden. Er wollte bügeln und brüllte »Bügäln!«. Paola sagte, er könne jetzt nicht bügeln, es sei drei Uhr in der Früh, alle Menschen schliefen. Aber er schrie »Bügäln! Bügäln! Bügäln!«, stand in seinem Kinderschlafsack in seinem Bett, rüttelte an den Gitterstäben, weinte – ein kleiner, verzweifelter Mann, der bügeln musste und nicht konnte. Sein Kopf wurde rot, der ganze Mensch wurde Kopf, ein großer, runder, roter, geschwollener Kopf auf einem Schlafsack, ein Kopf, in dem ein einziger entzündeter Gedanke schmerzte, und dieser Gedanke war:
»Bügäln!«
Es half nichts. Paola nahm ihn aus dem Bett, holte das Bügelbrett aus dem Flurschrank und das Eisen dazu, und der Kleine bügelte voller Eifer auf dem üblichen Stückchen Stoff herum.
Wissen Sie, manchmal stelle ich mir vor, dass auch der Bundeskanzler Kohl nachts hochschreckt und verzweifelt in seinem Bett liegt und schwitzt. Oder dass er auf der Matratze steht und »Regierän!« brüllt. Seine Frau sagt dann zu ihm, er könne jetzt nicht regieren, es sei tief in der Nacht. Aber er brüllt weiter: »Regierän!« Dann resigniert sie, geht mit ihm ins Kanzleramt, er setzt sich ein bisschen an den Schreibtisch und regiert eine Viertelstunde. Darauf bringt ihn seine Frau ins Bett, er sinkt wieder in die Kissen und schläft entspannt ein. Oder ich bilde mir ein, Schummel-Schumi-mit-dem-großen-Kinn rufe im Schlaf »Rennenfah’n!«, gehe in die Garage, setze sich in sein Auto und spiele eine Viertelstunde lang Formel 1, bis ihn seine Frau wieder ins Bett bringt.
Na ja, so ist es wohl mal wieder nicht, aber die beiden wären mir sympathischer, wenn es so wäre.
Was nun den kleinen Luis angeht, so standen Paola und ich eine Viertelstunde lang um ihn herum, während er bügelte, gähnten und dachten, wie merkwürdig doch das Leben sein kann, so merkwürdig, dass es Menschen gibt, die nachts um halb vier um ein bügelndes Kleinkind herumstehen und sagen:
»Fein machst du das! Schön bügelst du!«
Nach einer Viertelstunde hatte er genug. Paola nahm ihn auf den Arm, wir brachten ihn ins Bett, und ich dachte noch, vielleicht macht er ja mal eine Heißmangel auf, er hätte es im Blut. Möglicherweise, dachte ich noch, wird er ja auch Bundeskanzler oder Rennfahrer oder Journalist oder irgendetwas, das ich mir gar nicht vorstellen kann.
Ich flüsterte ihm ins Ohr:
»Du schaffst das schon, alles. Das Leben ist ein Abenteuer!«
Paola sah mich kurz an, gab ihm einen Kuss, sah mich wieder an und fragte müde:
»Was hast du gerade gesagt?«
Findst du mich denn gar nicht bello?
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